Kortikosteroide bei Covid-19: Hilfreich?
Was sind Kortikosteroide?
Kortikosteroide sind eine Gruppe von Hormonen, welche in der Nebenniere porduziert werden. Sie lassen sich genauer in Glucokortikoide, Mineralokortikoide und Androgene unterteilen. Bei den Glucokortikoiden sind unsere natürlich vorkommenden Hormone Cortisol und Cortison bekannte Vertreter. Sie sind für unser Immunsystem, für unseren Stoffwechsel und unseren Knochenbau wichtig. Es gibt auch eine Reihe von synthetisch hergestellten Glucokortikoiden, welche als Medikamente eine wichtige Rolle spielen.
Daher werden in diesem Artikel die Gruppe der Glucokortikoide behandelt, welche manchmal auch unter dem Oberbegriff Kortikosteroide oder umgangssprachlich "Kortison-Präparate" genannt werden. Glucokortikoide werden in der Medizin vor allem zur Unterdrückung einer überschießenden Immunantwort eingesetzt, beispielsweise bei Rheuma, Neurodermitis, Asthma oder entzündlichen Darmerkrankungen. Aber auch aus der intensivmedizinischen Behandlung sind Glucokortikoide nicht mehr wegzudenken und werden hier beispielsweise bei ausgeprägten allergischen Reaktionen eingesetzt.
Wie wirken Glucokortikoide?
Glucokortikoide erhöhen unseren Kortisolspiegel im Blut. Als Hormon greift es in verschiedene Stoffwechselfunktionen ein
- in den Zuckerstoffwechsel. Es erhöt den Blutzuckerspiegel, indem es die Bildung von Zucker (Gluconeogenese) anregt.
- in die Immunreaktion. Glucokortikoide wirken entzündungshemmend (antiinflammatorisch/antiphlogistisch) und können die Immunantwort unterdrücken (immunsuppressive Wirkung).
Wann werden Glucokortikoide bei einer Covid-19 Erkrankung eingesetzt?
Eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 verläuft meist milde (siehe hierzu auch: Corona-Verlauf: Infiziert, erkrankt, schwer erkrankt?) Bei circa 14 Prozent der Erkrankten zeigt sich ein schwerer, bei fünf Prozent ein kritischer Verlauf.
Studien haben einen Vorteil für die zusätzliche Therapie mit Glucokortikoiden für diejenigen Patienten gezeigt, welche schwer erkrankt waren und daher eine unterstützende Sauerstoffgabe oder gar eine künstliche Beatmung benötigt haben. Beim Behandlungsbeginn ergab die RECOVERY-Studie einen Vorteil der Gabe, wenn bereits seit circa sieben Tagen Symptome bestehen und eine invasive Beatmung notwendig war. Die Gabe von Glucokortikoiden bei leichteren Verläufen (ohne Sauerstoffgabe) scheint keinen Vorteil zu bringen, die RECOVERY- Studie geht sogar von einer erhöhten Sterberate aus. Ob ein Vorteil auch bei einem früheren Beginn der Therapie ersichtlich ist, wird aktuell noch diskutiert.
Neben der Therapie mit Glucokortikoiden kommen bei einem schweren Verlauf weiterhin allgemeine Maßnahmen, wie Sauerstoffgabe, kreislaufunterstützende Medikamente, eine vorsichtige Flüssigkeitsgabe und Medikamente zur Blutverdünnung (Thromboseprophylaxe) zum Einsatz.
Mit Remdesivir steht für schwere Verläufe ein antivirales Medikament zur Verfügung, dessen Einsatz in Erwägung gezogen werden kann. Remdesivir scheint (im Gegensatz zu den Glucokortikoiden) einen Vorteil vor allem bei einer frühzeitigen Gabe nach Beginn einer notwendigen Sauerstofftherapie zu bringen. Auch eine "überschneidende Behandlung" mit Remdesivir und Glucokortikoiden ist möglich. Vermutet wird aktuell, dass Remdesivir besser am Anfang der Infektion wirkt, wenn sich das Virus vervielfältigt, da es die "Kopiermaschiene" des Virus blockiert, die dieser zu seiner Vermehrung braucht (virale Phase). Während des weiteren Verlaufs einer schweren Covid-19 Erkrankung kommt es bei einem Teil der Patienten zu einer überschießenden, körpereigenen Immunantwort auf den Infekt (hyperinflammatorische Phase), welche nicht nur den Erreger, sondern auch die eigenen Zellen angreifen kann. Ziel ist es, mit Glucokortikoiden diese "überstarke" Reaktion zu vermeiden. Da Glucokortikoide das Immunsystem schwächen (unterdrücken) wird aktuell darüber diskutiert, wann es am besten zum Einsatz kommt – einerseits will man die Überreaktion bremsen, andererseits möchte man die körpereigene Abwehr, insbesondere am Anfang der Erkrankung nicht bremsen. Eine Gratwanderung, deren Weg durch weitere Studien geklärt werden muss.
Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
Bei einer kurzfristigen Anwendung sind keine wesentlichen Nebenwirkungen zu erwarten. Auch wenn Glucokortikoide als sogeannte Substitutionstherapie (Ersatz für das normalerweise selbst gebildete Cortisol) gegeben werden, beispielsweise weil die Nebenniere bei der Erkrankung Morbus Addison nicht mehr richtig arbeitet, sind kaum Nebenwirkungen zu erwarten, da die Dosen der natürlichen Konzentration im Blut entsprechen.
Ist eine langandauernde Einnahme mit höheren Dosierungen nötig, kann es zum Auftreten von Nebenwirkungen wie beispielsweise Osteoporose, Wachstumsstörungen bei Kindern, erhöhte Infektanfälligkeit oder einer Entgleisung des Zuckerhaushaltes (steigende Blutzuckerwerte bis hin zum Diabetes) kommen.
Bei längerfristiger Anwendung von Glucokortikoiden muss die Dosierung langsam reduziert werden damit die körpereigene Produktion wieder in Gang kommt. Daher sollten Glucokortikoide nicht auf einmal abgesetzt werden, sondern schrittweise die eingenommene Menge nach Vorgabe des behandelnden Arztes verringert werden.