Senioren Ratgeber

"Es hat mich wieder mal erwischt – eine Blasenentzündung." Das hört Rouven Steeb in seiner Apotheke fast täglich. Und keineswegs nur von jungen Frauen.

Man weiß heute: Die Jahre hinterlassen nicht nur auf der Haut ihre Spuren, viele Organsysteme altern, so auch die Blase und ihre Umgebung. Und das bringt spezielle Probleme mit sich: Sie wird nicht nur anfälliger für Infekte, diese zeigen sich auch weniger deutlich, und fast immer kommen spezielle Risiken dazu. "Die Diagnose ist aufwendiger und wird zur Herausforderung", erklärt Privatdozent Dr. Andreas Wiedemann aus Witten, der sich als Urogeriater mit Harnwegskrankheiten Älterer befasst.

Bei Frauen trifft es öfter die Blase

Frauen trifft es bevorzugt, das ist im Alter nicht anders und liegt in der Anatomie begründet. Darmbakterien greifen leichter auf die Blase über als bei Männern. Dazu kommt, dass mit den Wechseljahren der Östrogenspiegel sinkt. Die Schleimhaut in Scheide und Blase wird dünner, trockener und anfälliger für Infekte. Wenn zudem der Beckenboden durch Geburten geschwächt oder gar die Gebärmutter gesenkt ist, kann sich die Blase womöglich nicht komplett entleeren. Der Restharn wird zum Nährboden für die unerwünschten Keime.

Aus dem gleichen Grund sind im Alter auch Männer nicht gegen eine Blasenent­zündung gefeit: Die oft vergrößerte Prostata engt die Harnröhre ein oder drückt von unten gegen die Harnblase. Beides erschwert die Blasenentleerung.

Blasenentzündung: Typische Schmerzen fehlen

Dringend müssen, dann nicht richtig können und dabei dieses Brennen – man könnte meinen, eine Blasenentzündung sei nicht zu übersehen. Ist sie aber. Denn der typische Schmerz beim Wasserlassen tritt bei Senioren oft gar nicht auf. "Nicht selten erkennen wir Blasenentzündungen im Alter nur daran, dass die Betroffenen Wasser schlechter halten können, insgesamt häufiger zur Toilette müssen oder nachts öfter rausmüssen", sagt Professorin Daniela Schultz-Lampel vom Kontinenzzentrum Villingen-Schwenningen.

Unser Video gibt Tipps für den Umgang mit einer Blasenentzündung

Pflanzen mit Blasenwirkung

Inkontinenz als Folge

Eine Blasenentzündung ist nicht nur unangenehm, sie kann auch gefährlich werden. Und zwar dann, wenn die Keime aus der Blase die Harnleiter entlang aufsteigen und die Nieren angreifen. Bei einer Entzündung dort sterben funktionstüchtige Zellen ab.

Daher sollten Ältere schon für die ersten Anzeichen einer Blasenentzündung besonders sensibel sein. Eine gestörte Blasenentleerung, übel riechender oder trüber Urin, Anstrengung beim Wasserlassen, das Gefühl, die Blase wird nicht richtig leer, oder gar das Wasser nicht mehr halten zu können, seien immer ein Grund, den Urin beim Arzt untersuchen zu lassen. "Wird der Infekt behandelt, bessert sich sehr, sehr oft auch die Inkontinenz", so die Erfahrung der Ärztin.

Diagnose: Frage nach Diabetes und Medikamenten

Typisch aber auch: Der Infekt ist abgeklungen, doch der Drang – im Fachbegriff Reizblase – bleibt. "Das liegt an dem mit den Wechseljahren abnehmenden Hormonspiegel. Dadurch ist die Blasenschleimhaut weniger elastisch, und Harndrang wird früher empfunden", erklärt Wiedemann. "Dagegen helfen östrogenhaltige Cremes, die in der Scheide angewendet werden." Sein Credo: "Man darf den Harntrakt nicht isoliert betrachten."

Er fragt nach Krankheiten und Medikamenten. Liegt ein Diabetes vor, der die Infektanfälligkeit erhöht? Beeinträchtigt ein Schmerzmittel die Blasenentleerung? Wer immer wieder einen Infekt bekommt, sollte Maßnahmen zur Vorbeugung kennen. Für die Aufklärung darüber nimmt Schultz-Lampel sich viel Zeit. Die Blase regelmäßig und vollständig entleeren: "Wenn das Organ morgens noch etwas lahm ist, zwei-, dreimal kurz hintereinander auf die Toilette gehen!" Und genug trinken, "eineinhalb bis zwei Liter am Tag", um mögliche Keime auszuschwemmen.

Betroffene würden auch der Entzündung selbst am liebsten mit Tee beikommen. Apotheker Steeb ist aber realistisch: "Tee kann die Therapie eines schon bestehenden Infekts höchstens begleiten." Sitzen die Keime erst mal in der Blasenwand, muss man stärkere Geschütze auffahren.

Antibiotika bei Blasenentzündung gezielt einsetzen

Also doch Antibiotika? Die Urologin ist hier zurückhaltend und versucht es erst einmal mit einem pflanzlichen Medikament. Die Wirkung von Kapuzinerkresse und Meerrettich ist inzwischen wissenschaftlich gut belegt. Schultz-Lampel lehnt Antibiotika nicht per se ab. Manchmal ist eine Behandlung mit einem niedrig dosierten Mittel über drei, besser sechs Monate die Lösung – vorausgesetzt, der Arzt hat vorher in einer Harnkultur den Erreger bestimmt. Skeptikern hält die Urologin entgegen: "Gefährlicher als ein Antibiotikum sind immer wieder aufflammende Infekte."