Baby und Familie

Ende März kam unsere Tochter in einem Krankenhaus in Zürich zur Welt. Die Geburt und die erste Zeit danach wollten mein Lebensgefährte und ich eigentlich zusammen erleben und unser Baby gemeinsam kennenlernen. Schon früh hatten wir geplant, dass mein Partner mit in der Geburtsklinik übernachtet und dafür ein Familienzimmer angefragt.

Doch dann kam SARS-CoV-2 und alles verlief anders. Am 16. März wurden in der Schweiz verschärfte Maßnahmen verkündet, ähnlich denen in Deutschland. Meine Frauenärztin wies mich bei einem Untersuchungstermin darauf hin, dass mein Freund am besten die letzten Wochen der Schwangerschaft im Homeoffice arbeiten solle. Sie sagte, wenn wir uns anstecken würden, würden eventuell in der Klinik zusätzliche Schutzmaßnahmen nötig. Das wollten wir natürlich unbedingt vermeiden. Ich habe dann in der Geburtsklinik angerufen und erfahren, dass mein Partner zwar noch bei der Geburt dabei sein dürfe, danach aber direkt gehen müsse. Besuche in den Tagen darauf seien nicht möglich. Im Krankenhaus gilt seit Mitte März ein Besuchsverbot als Schutzmaßnahme gegen das Virus. Das ist natürlich nachvollziehbar. Trotzdem machte es uns sehr traurig, dass er nicht bei mir bleiben können würde.

Besuchsverbot auf der Wochenbettstation

Ich rief auch noch meine Hebamme an, weil ich mir unsicher war, ob sie nach der Geburt noch kommen durfte. Und tatsächlich änderten sich die Vorgaben, nach denen sie sich richten musste, in der folgenden Zeit noch einige Male. Sie sicherte uns aber zu, vorbeizukommen und uns zu unterstützen. Bloß eine Babywaage mussten wir kurzfristig besorgen, da sie ihre eigene – eine Hängewaage mit Stofftuch, das sich zwischen ihren Hausbesuchen bei verschiedenen Familien nicht einfach desinfizieren lässt – nicht mehr nutzen darf.

Unsere Tochter kam eine Woche zu früh zur Welt, im Nachhinein betrachtet war es ein guter Zeitpunkt. Mein Freund durfte bei der Geburt dabei sein. Alles lief unkompliziert: Freitagnacht haben die Wehen eingesetzt, morgens fuhren wir in die Klinik und am frühen Nachmittag war unsere Tochter da. Bei der Geburt waren wir nie alleine. Es war immer eine Hebamme anwesend, zeitweise auch zwei, dazu eine Gynäkologin und ein Anästhesist wegen der PDA. In der Schweiz ist die Versorgung super – sie gilt weltweit als eine der besten. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich durch die Corona-Pandemie daran etwas geändert hat. Allerdings trugen die Ärzte und Hebammen im Kreissaal alle Mundschutz und Handschuhe, aber keine Schutzanzüge.

Zeitlich begrenztes Zusammensein

Mein Lebensgefährte durfte noch eine Weile bei uns im Kreißsaal bleiben. Ich glaube, da sind uns die Hebammen und Ärzte entgegengekommen. Den Großteil der Zeit lag unsere Kleine auf der nackten Brust meines Freundes. Wir freuten uns wahnsinnig und konnten das alles noch gar nicht so richtig realisieren – wie wohl die meisten Eltern bei einer Geburt. Aber wir wussten, das Zusammensein war zeitlich begrenzt, er muss bald gehen. Das war eine sehr schwierige Situation. Als Paar möchte man die Geburt, dieses besondere Ereignis, natürlich zusammen durchleben. Aber danach ist es ja längst nicht vorbei. Auch die erste Zeit mit unserer Tochter wollten wir eigentlich gemeinsam verbringen. Für meinen Freund war es total surreal, nach Hause zu gehen und nach dem intensiven Erlebnis plötzlich alleine daheim zu sitzen. Als ich abends auf die Wochenbettstation kam, rief ich ihn gleich per Videotelefonie an. Auch in der Zeit darauf habe ich ihm viele Fotos geschickt und wir haben viel videotelefoniert. Aber es war schon sehr schade, dass er unsere Tochter nicht so nah mit kennenlernen konnte.

In der Klinik habe ich die Nervosität und Anspannung gespürt, wurde aber sehr gut betreut. Trotzdem fühlte ich mich ohne meinen Partner ziemlich allein. Ich hätte gerne jeden Moment mit ihm geteilt. So wollte ich meine Tochter keine Sekunde aus den Augen lassen. Weil das Badezimmer auf dem Gang war, verzichtete ich am ersten Abend darauf, mir die Zähne zu putzen und wollte am nächsten Morgen nicht duschen. Wäre mein Partner dagewesen, hätte ich gesagt: Nimm du doch mal kurz die Kleine, ich komme gleich wieder. Die Hebammen empfahlen mir irgendwann, die Kleine einfach im Babybettchen auf Rollen mitzunehmen. Das war dann überhaupt kein Problem.

Am Sonntagvormittag konnte ich glücklicherweise das Krankenhaus schon verlassen. Wegen der Pandemie würden viele Frauen auf Wunsch früher entlassen als sonst, sofern es ihnen gesundheitlich gut gehe, erzählte mir eine Hebamme. Bei der Entlassung bekam ich den Ratschlag, mit unserer Tochter am besten nur zu Hause zu bleiben. Und dass Stillen jetzt das Beste für das Baby sei, es dadurch alles für sein Immunsystem bekomme, was es braucht.

Im Krankenhaus hatte ich gelernt, wie man unsere Tochter wickelt, hält und richtig wäscht. Zu Hause musste ich meinem Freund erst alles zeigen. Eigentlich kein Problem, aber unsere Kleine hat sich zu Hause plötzlich ganz anders verhalten als die Tage in der Klinik. Sie hat mehr geweint und war unruhiger. Dadurch war ich total verunsichert und zeitweise ziemlich überfordert. Die erste Nacht war deshalb sehr kurz.

Hebammenhilfe mit Abstand

Zum Glück kam die Hebamme gleich am Tag nach meiner Entlassung. Für sie bin ich sehr dankbar. Natürlich muss sie besondere Schutzmaßnahmen ergreifen. Wenn sie kommt, zieht sie ihre Schuhe aus und andere, eigens desinfizierte Schuhe an, wäscht sich die Hände, trägt Mundschutz und Handschuhe und hält die meiste Zeit Abstand. Kaffee oder so etwas kann sie auch nicht annehmen. Wir haben aus der Apotheke eine Babywaage ausgeliehen. Die Hebamme erklärt uns das Meiste aus der Distanz, also zum Beispiel wie wir das Baby baden oder wiegen können. Nur selten, zum Beispiel, wenn sie die Gebärmutter abtastet oder das Neugeborene untersucht, fasst sie uns mit Handschuhen an. Natürlich bergen ihre Besuche ein gewisses Ansteckungsrisiko, weil sie ja von Haus zu Haus geht. Aber sie macht keine Hausbesuche bei Familien mit Symptomen und verhält sich sehr verantwortungsvoll. Wir sind auf jeden Fall auf sie angewiesen. Viele Fragen können wir aber telefonisch klären. Weil sich alles gut eingespielt hat, braucht sie inzwischen auch nicht mehr jeden Tag zu kommen.

Neulich waren wir sogar einmal kurz draußen – unsere Hebamme meinte, einen kurzen Spaziergang könnten wir wagen – und drehten mit dem Kinderwagen eine Runde um den Block. Dabei war uns aber ziemlich mulmig zumute.

Problematisch wird wahrscheinlich noch der Rückbildungskurs, aber bis dahin habe ich noch ein paar Wochen Zeit. Meine Hebammenpraxis bietet Online-Kurse an, und ich gehe davon aus, dass ich diese nutzen werde.

Jetzt sind wir zu dritt zu Hause, weil mein Freund wegen SARS-CoV-2 im Homeoffice arbeitet. Sehr schade ist, dass unsere Familien nicht zu Besuch kommen können. Unsere Eltern gehören zur Risikogruppe. Sie lernen unsere Kleine jetzt per Videotelefonat kennen – immer, wenn sie die Augen aufschlägt, rufe ich schnell an. So sehen sie sie auch mal wach, sie schläft ja noch sehr viel. Leider wird es wohl ziemlich lange dauern, bis unsere Familien unsere Tochter persönlich kennenlernen können.

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