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Maskenpflicht, kostenlose Schnelltests, Kontaktbeschränkungen, Grenzkontrollen – die Methoden, um das Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen, waren vielfältig. Aber wie wirksam waren die einzelnen Corona-Maßnahmen tatsächlich?

Das hat ein Forschungsteam vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig in einer neuen Studie untersucht, die kürzlich im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist.[1]

Was hat die Studie untersucht und was bringt sie?

Die Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 wurde durch Testungen und Genanalysen sehr engmaschig verfolgt. Dadurch konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die genetischen Veränderungen des Virus und seine Ausbreitung in Deutschland im Beobachtungszeitraum von Oktober 2020 bis April 2021 verfolgen.

Das ermöglichte ihnen, die Wirksamkeit von insgesamt zwölf verschiedenen Corona-Maßnahmen zu beurteilen. Mit Ausnahme von Impfstoffen – diese standen zu dieser Zeit noch nicht zur Verfügung.

„Die Studie hat einen sehr interessanten, pfiffigen Ansatz, der wertvolle Einblicke in das Geschehen während der Pandemie damals erlaubt“, sagt Dr. Norbert Suttorp, Senior-Professor am Fächerverbund Infektiologie, Pneumologie und Intensivmedizin an der Charité – Universitätsmedizin in Berlin.

Welche Maßnahmen waren sehr wirksam – welche weniger?

Zwei Maßnahmen bescheinigte die Studie eine besonders hohe Wirksamkeit. Die wirksamste Maßnahme waren die ab dem 8. März 2021 eingeführten kostenfreien Schnelltests. Die zweithöchste Effektivität hatte ein verschärftes Maskentragen – am 24. Januar 2021 wurde das Tragen einer chirurgischen Maske oder FFP2-Maske in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften verpflichtend.

Die kostenlosen Schnelltests waren nicht nur eine besonders wirksame Maßnahme. Sie waren zugleich auch ein Garant für mehr Freiheit während der Pandemie

Eine gute Wirkung erzielten der Studie zufolge auch die Testpflicht für Reisende aus Risikogebieten, Beschränkungen von Bewegungen auf einen Umkreis von 15 Kilometern sowie die Beschränkung von Zusammenkünften auf höchstens eine Person aus einem anderen Haushalt. Die geringste Schutzwirkung hingegen erzielten Grenzkontrollen.

Inwiefern haben Tests und Masken eine besondere Rolle gespielt?

„Die kostenlosen Schnelltests waren nicht nur eine besonders wirksame Maßnahme. Sie waren zugleich auch ein Garant für mehr Freiheit während der Pandemie, was sie besonders wertvoll macht“, sagt die leitende Wissenschaftlerin der Studie, Prof. Dr. Alice McHardy vom HZI in Braunschweig.

„Mit den Schnelltests und auch den Masken war es möglich, geschützt zu bleiben und zugleich Freiheiten wiederzuerlangen. Die regelmäßigen Tests in den Schulen etwa sorgten dafür, dass infizierte Kinder früher erkannt wurden, sodass sie weniger andere Kinder anstecken konnten“, sagt McHardy.

Wie sollte man sich heute im Umgang mit SARS-CoV-2 verhalten?

„Die Studienergebnisse sind hochinteressant – aber streng genommen lässt sich daraus nicht direkt etwas für Einzelne und deren Verhalten ableiten. Denn die Maßnahmen wurden ja in der ganzen Bevölkerung untersucht, nicht beim Einzelnen“, sagt Prof. Malte Kohns Vasconcelos, Abteilungsleiter am Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Was für Maske tragen spricht

Betrachte man es etwas pragmatischer, dann bestätige die Studie schon, dass insbesondere der Mundschutz wirkungsvoll sei. „Ein Mundschutz schützt nicht nur Gesunde vor Erkrankungen. Er sorgt auch bei Erkrankten dafür, dass diese ihre Viren weniger verbreiten. Daher halte ich es persönlich für sinnvoll, wenn heute jeder, der stärkere Atemwegsbeschwerden wie Husten und Halskratzen hat, einfach aus Rücksicht auf das Umfeld einen Mundschutz trägt. Das ist eine sehr wirksame Maßnahme, um die Ausbreitung von Erregern einzudämmen“, ergänzt Kohns Vasconcelos.

Infektiologe Suttorp aus Berlin empfiehlt auch Gesunden eine Maske zu tragen – allerdings nur in Ausnahmefällen: „Ich selbst habe auch heute meist noch eine FFP2-Maske dabei, wenngleich ich sie selten aufziehe: Ich beurteile inzwischen automatisch jeden geschlossenen Raum danach, wie groß er ist und wie viele Köpfe darin stecken. Wenn für mein Empfinden zu viele Menschen in einem zu kleinen Raum sind, ziehe ich eine Maske an“, sagt Suttorp.

Was für Selbsttests spricht

Auch sich zu testen, empfiehlt Suttorp – vor allem Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf: „Wenn man typische Symptome hat, ist ein Selbsttest schnell und preiswert zu Hause gemacht. Ist man positiv, kann man sofort wirksame Medikamente nehmen.“

Wer hingegen keine Risikofaktoren hat, brauche sich heute eigentlich nicht mehr zu testen, sagt hingegen Kohns Vasconcellos. „Ob Influenza oder RSV – es gibt auch andere Viren, die die Atemwege infizieren und gefährlich sein können. Ob der Erreger SARS-CoV-2 ist oder ein RS-Virus – so oder so sollte man aus Rücksicht auf andere bei einer Infektion Abstand halten und idealerweise einen Mundschutz tragen.“

Was lässt sich für künftige Pandemien lernen?

Es gibt weltweit zahlreiche Pläne und Forschungsprojekte, wie man auf künftige Pandemien besser, schneller und wirkungsvoller reagieren könnte. „Unsere Studie unterstreicht sicher noch einmal, dass in der Frühphase einer Pandemie, in der keine Impfstoffe zur Verfügung stehen, manche Maßnahmen zur Beschränkung der Ausbreitung ebenso wichtig wie wirkungsvoll sind“, sagt McHardy.

Dabei hebt sie insbesondere die Bedeutung von Schnelltests und Mund-Nasen-Schutz hervor: „Mit einer umfassenden Testung und dem Tragen von FFP2-Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Geschäften ließ sich die Ausbreitung wirkungsvoll eindämmen, ohne die Freiheit der Menschen zu sehr einzuschränken.“ Deshalb sollte laut McHardy auf die schnelle Entwicklung entsprechender Tests bei künftigen Pandemien ein besonderes Augenmerk gelegt werden.


Quellen:

  • [1] Goliaei S, Foroughmand-Araabi MH, Roddy A et al.: Importations of SARS-CoV-2 lineages decline after nonpharmaceutical interventions in phylogeographic analyses. In: Nat Commun: 20.06.2024, https://doi.org/...