Die gute Nachricht zuerst: Die meisten Patienten, die Covid-19 überstanden haben, werden wieder ganz gesund und erholen sich. Doch ein Teil von ihnen kämpft auch Monate danach noch mit den Folgen. Immer mehr Mediziner – sowohl in Kliniken als auch Hausärzte – beobachten solche Spätfolgen. Und die Behandlung stellt Ärzte vor Herausforderungen.

Mehrere Kliniken haben spezielle Ambulanzen eingerichtet

So entstand die Idee für spezielle Post-Corona-Ambulanzen. In mehreren Städten, etwa Kiel, Hamburg und Hannover, gibt es sie schon. Auch am Universitätsklinikum Jena (UKJ) wurde eine solche Ambulanz eingerichtet. "Innerhalb von drei Wochen haben sich schon über einhundert Patienten bei uns angemeldet", berichtet Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am UKJ. Und er rechnet damit, dass bald alle Universitätskliniken in Deutschland entsprechende Ambulanzen haben werden. Denn es braucht geballte interdisziplinäre Expertise, um den Betroffenen zu helfen.

"Die Betreuung dieser Patienten erfordert sowohl Erfahrungen in der Behandlung der Covid-19-Erkrankung, um zu verstehen, ob es sich um Restsymptome, eine neue Komplikation oder vielleicht um eine andere Erkrankung handelt. Außerdem internistisch-neurologisch-psychiatrische Kompetenzen", sagt Stallmach. "Deshalb haben wir einen fächerübergreifenden Ansatz gewählt. Das heißt, die behandelnden Ärzte in unserer Ambulanz dienen quasi als Lotsen und vermitteln, wo nötig, die Betreuung bei einem oder auch mehreren Spezialisten." Das neue Angebot steht allen offen, die Covid-19 überstanden haben und dann über längere Zeit hinweg unter belastenden Spätfolgen leiden.

Große Nachfrage für eine Nachbehandlung

Die Nachfrage wächst und es sind durchaus nicht nur die schweren Fälle, die in einer Klinik oder vielleicht sogar auf einer Intensivstation behandelt werden mussten. Auch solche, die ihre Infektion zunächst undramatisch zuhause auskurieren konnten – sprich einen mittelschweren oder sogar nur milden Verlauf hatten – haben manchmal Wochen später noch an Beschwerden. "Bei Patienten ohne vorangegangene stationäre Behandlung ist der Anteil zwar niedriger, wahrscheinlich bei zehn bis 20 Prozent. Bei stationär Behandelten aber liegt der Anteil derjenigen mit ernsthaften Folgeproblemen bei etwa 50 Prozent", so der Internist.

Die Beschwerden sind sehr unterschiedlich. Manche Patienten berichten über starken Schwindel, Konzentrationsstörungen oder Depressionen. Aber auch Luftnot – schon bei leichter körperlicher Belastung – kann eine Folge sein. Andere Symptome sind Magen-Darmbeschwerden wie Durchfälle und Bauchschmerzen oder anhaltender Riech- und Geschmacksverlust. Und manche fühlen sich einfach allgemein krank und erschöpft und erleben deutliche Einschränkungen in ihrem täglichen Leben. Experten nennen das postvirale Fatigue.

Auch andere Krankheiten können im Nachgang ausbrechen

Das gilt freilich nicht nur für COVID-19. Auch von anderen Virusinfektionen ist bekannt, dass sie länger an-haltende Probleme verursachen können, etwa eine Herzmuskelentzündung bei verschleppten Virusinfekten. Zudem können Infektionen dazu führen, dass andere Krankheiten, für die man veranlagt ist, beispielsweise Asthma, plötzlich zum Ausbruch kommen.

Weil die Symptome bei Post-Covid-Patienten so vielfältig und individuell sind, sind an die Ambulanzen nicht nur Internisten und Lungenfachärzte (Pneumologen) angeschlossen, sondern auch Neurologen, Kardiologen, Psychiater und Arbeitsmediziner. "Die Betreuung dieser Patienten ist sehr zeitintensiv. Allein das Erstgespräch einschließlich der körperlichen Untersuchung und Funktionstests dauert bis zu anderthalb Stunden", erzählt Stallmach. Genaue Anamnese und Diagnostik sind besonders wichtig: Ein Lungenfunktionstest, die Analyse von Blut, Urin und Speichel, eine körperliche Untersuchung und ein Belastungstest sowie gegebenenfalls bildgebende Diagnostik seien nötig, um sich ein genaues Bild zu machen, so Stallmach.

Ärzte mehrere Fachrichtungen beteiligen sich

Wer neurologische Symptome hat, etwa Konzentrations- oder anhaltende Riech- und Schmeckstörungen, wird zum Neurologen oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt weitergeleitet; Patienten mit Herzproblemen zum Kardiologen; wer Atemprobleme hat, findet Hilfe beim Pneumologen. Falls nötig, werden Patienten über mehrere Monate hinweg betreut.

Ein wichtiger Aspekt, der bei der Behandlung im Blick behalten werden muss, ist die Psyche. Wer seelisch leidet, etwa unter Ängsten oder Depressionen, wird in Jena an die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vermittelt. "Schon bei der Erstvorstellung in der Ambulanz füllen die Patienten einen von uns speziell entwickelten Fragebogen aus. Er spürt sehr zuverlässig psychische und neuropsychiatrische Auffälligkeiten auf", erzählt Klinikleiter Martin Walter. Symptome wie gesteigerte Ängstlichkeit, Konzentrationsstörungen oder Depressionen können eine direkte Folge der Infektion sein, wie neue Studien zeigen. "Auch wenn wir den genauen krankmachenden Mechanismus noch nicht verstanden haben", räumt Walter ein.

Mehr psychische Probleme durch die Pandemie

Zum anderen kann die allgemeine Verunsicherung in der Pandemie Patienten seelisch destabilisieren. Viele psychische Symptome werden durch zusätzliche Stressfaktoren, ausgelöst durch die Pandemie, verstärkt, beobachtet der Psychiater: "Wir sehen schon seit Monaten einen Anstieg von Suchterkrankungen, aber auch von Ängsten und Depressionen." Und er rechnet in nächster Zeit mit einem weiteren Anstieg: "Wir gehen stark davon aus, dass viele Patienten mit neurologischen und psychiatrischen Symptomen kommen werden."

Mit der Zahl der Covid-19 Patienten in Deutschland, wird auch die Zahl der Genesenen weiter wachsen. So dürften Spezialambulanzen für Patienten mit dem Post-Covid-Syndrom wie die am Universitätsklinikum Jena wohl noch lange gebraucht werden.