Schulterschmerzen wieder loswerden: So geht's

Enkel hochheben: Belastungsprobe für die Schulter
© istock/ljubaphoto
Die Enkeltochter muss leider auf ihr geliebtes "Engelchen, flieg" verzichten. Und einfach hochheben? Fehlanzeige. Selbst wenn man in den Mantel schlüpfen will, streikt die Schulter: Reibungslos geht da gar nichts mehr.
"Impingement-Syndrom" nennen Fachärzte den schmerzhaften Platzmangel unterm Schulterdach, der die Bewegungsfreiheit des Arms massiv einschränkt. Doch der krankhaften Enge kann man entkommen: mit antientzündlichen Medikamenten, manchmal auch mit chirurgischer Hilfe. Immer aber mit einem gezielten Muskeltraining.
Verschleiß an der Schulter
"Die Sehnenhaube an der Schulter ist quasi der Autoreifen des Menschen", sagt Professor Peter Müller, Schulterspezialist des Münchener Uniklinikums Großhadern. "Er fährt sich im Laufe des Lebens einfach ab." Tatsächlich zeigt der weiche Halteapparat rund um den Oberarmkopf so manche Spuren des Verschleißes: Mit den Jahren wird er dünner und rissiger; schlecht durchblutete Sehnen lagern Kalk ein. Wer dann noch seine Schultern ständig mit einseitigen Gewichten wie dem schweren Einkaufskorb malträtiert, wer gekrümmte Sitzhaltungen zur Gewohnheit macht, verstärkt mit der Zeit das Problem.

Platzmangel in der Schulter: Für das schmerzhafte Impingment gibt es viele Gründe. Sehnenschäden und Entzündungen sind die Folge
© W&B/Martina Ibelherr
Denn die Malaise an der Schulter ist durch deren Bauplan vorprogrammiert. Kein anderes Gelenk ist derart beweglich, kein anderes deshalb so anfällig für Stabilitätsprobleme. "Im Gegensatz zur Hüfte oder zum Knie wird der Gelenkkopf ausschließlich durch Muskeln und Sehnen zentriert und geführt", erklärt Orthopäde Müller. Der große dreieckige Deltamuskel zieht ihn nach oben, eine Manschette aus vier Sehnen und Muskeln zieht ihn nach unten (siehe Grafik oben). Ein fein austariertes Zusammenspiel aller Beteiligten: Jedem Handgriff liegt dieser Rhythmus zugrunde.
Wird diese feine Balance gestört, beginnt ein Teufelskreis: Der Kopf des Oberarms bewegt sich allmählich aus seiner zu flachen Pfanne nach oben und stößt bei jedem Armheben am Schulterdach an. Sehnen geraten zunehmend in Bedrängnis. Schleimbeutel entzünden sich, nehmen dadurch an Volumen zu und behindern den schmalen Gleitraum zusätzlich.
Rechzeitig zum Arzt
Wer also über mehrere Tage nur unter Schmerzen das Glas aus dem Schrank holt, sollte schleunigst zum Arzt. "Die Chance, das Problem noch ohne Operation lösen zu können, ist zu Beginn eines Impingements recht groß", erklärt Professor Peter Müller. Zunächst wird der Arzt, um die Schmerzen und die mögliche Entzündung am Gelenk zu bekämpfen, Medikamente verschreiben. Ob als Tablette oder als Spritze, die er in den entzündeten Schleimbeutel verabreicht: Der Arzt schafft damit die Voraussetzung für die wichtigste und eigentliche Behandlung des Engpass-Syndroms: das gezielte Muskeltraining.
Falsche Bewegungsmuster durchbrechen
"Wir kräftigen jene Muskeln, die den Oberarmkopf nach unten ziehen", beschreibt Katrin Hilpert, leitende Physiotherapeutin am Klinikum Großhadern, das Ziel der Krankengymnastik. "Und wir nehmen Spannung aus jenen Anteilen der Schultermuskulatur, die der Öffnung entgegenwirken." Wenn es gut läuft, gewinnt der Patient ein, zwei Millimeter Platz nach oben, die entscheidend sein können, um ein reibungsloses Gleiten des Gelenkkopfs zu ermöglichen. Zunächst legt der Physiotherapeut selbst Hand an: Er verbessert die passive Beweglichkeit des Gelenks und macht dem Betroffenen falsche Bewegungsmuster bewusst.
Schließlich ist der Patient selbst gefragt: Mit Gewichten und Gymnastikbändern wirkt er der beengenden Tendenz entgegen. "Zweimal die Woche bei der Krankengymnastin reichen da aber nicht aus", warnt Katrin Hilpert. "Das müssen Sie schon täglich selbst zu Hause trainieren." Unten finden Sie einige Übungen, die die Physiotherapeutin für den Senioren Ratgeber zusammengestellt hat.
Operationen für mehr Platz in der Schulter
Manchmal allerdings ist es mit den Übungen allein nicht getan. Denn für den Engpass sind nicht nur geschädigte Sehnen und Muskeln verantwortlich. Auch dornartige Knochenanbauten am Schulterdach, die der Körper zur Abwehr gebildet hat, engen den Raum ein. "Ein Sporn allein macht zwar eine Operation nicht zwingend notwendig", versichert Dr. Aristotelis Kaisidis, Chefarzt der Klinik für Schulterchirurgie der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken. "Aber wenn er so viel Platz einnimmt, dass kaum noch Reserve für die Sehnen übrig ist, kommt der Patient an einem Eingriff nicht vorbei." Mit der Schlüssellochtechnik entfernt der Chirurg die knöchernen Hindernisse, glättet mögliche Eckgelenksarthrosen und näht kleine Risse der Sehnenmanschette gleich mit.
Arthrose droht auf Dauer
"Die Größe des Sehnenrisses entscheidet letztlich, ob die Beweglichkeit der Schulter nach der Reparatur komplett wiederhergestellt werden kann oder eingeschränkt ist", erklärt Kaisidis. "Selbst wenn die Hauptsehne der Manschette ganz abgerissen ist, sind die chirurgischen Möglichkeiten inzwischen gut." Je länger ein schwerer Riss aber unbehandelt bleibt, desto größer das Risiko, eine Arthrose im Schultergelenk zu entwickeln. Oft bleibt dann nur der Gelenkersatz.
Der Frankfurter Chirurg rät deshalb allen Schulterschmerzgeplagten, nicht zu lange mit einem Arztbesuch zu warten und möglichst einen Spezialisten aufzusuchen. "Denn er weiß, wann und welche Operation etwas bringt und wann nicht." Ein gezieltes Muskeltraining allerdings wird er immer verordnen. "Eine Arthrose oder einen Knochensporn kann die Krankengymnastik zwar nicht wegtrainieren", so Physiotherapeutin Hilpert, "aber sie schafft genau die Entlastung im Gelenk, die es so nötig braucht."
Übungen für die Schulter
Stärken und entlasten Sie täglich Ihre Muskeln und Sehnen rund um die Schulter. Ein Übungsprogramm von Physiotherapeutin Katrin Hilpert

© W&B/Martina Ibelherr
Gelenk entlasten
Nehmen Sie eine Ein-Liter-Flasche oder eine kleine Hantel in die Hand der betroffenen Seite und pendeln Sie 1 Minute lang das Gewicht nach vorne und nach hinten.
Effekt: Nimmt Druck aus dem Gelenk

© W&B/Martina Ibelherr
Brust dehnen
Heben Sie den Arm auf Schulterhöhe an, und legen Sie den abgewinkelten Unterarm auf einen Türrahmen. Nun drehen Sie sich sanft von der Schulter weg. Nicht federn, nur 20 Sekunden halten. Drei Durchläufe.
Effekt: Dehnt den Brustmuskel und richtet so den Schultergürtel auf

© W&B/Martina Ibelherr
Außendreher kräftigen
Gymnastikband (Rote Farbe = mittlere Stärke) an einer Türklinke auf Höhe der Ellenbogen befestigen. Ein eingeklemmtes Handtuch dient zur Kontrolle, dass Ihr Oberarm am Rumpf bleibt. Der Unterarm ist nach innen angewinkelt. Nun ziehen Sie das Band von innen nach außen.10 x wiederholen. 3 Sätze.
Effekt: Stärkt die Muskeln, die den Oberarmkopf nach unten ziehen

© W&B/Martina Ibelherr
Innendreher kräftigen
Der Unterarm ist wieder um 90 Grad gebeugt, aber nach außen abgewinkelt. Ziehen Sie nun das Band von außen nach innen: Der Oberarm bleibt wieder am Rumpf liegen. 10 x wiederholen. 3 Sätze.
Effekt: Stärkt die Muskeln, die den Oberarmkopf nach unten ziehen

© W&B/Martina Ibelherr
Ranzieher kräftigen
Befestigen Sie das Band am oberen Türrahmen. Sie stehen mit der betroffenen Schulter seitlich zur Tür. Nun ziehen Sie das Band von schräg oben nach unten zur Hüfte hin.10 x wiederholen. 3 Sätze.
Effekt: Stärkt die Muskeln, die den Oberarmkopf nach unten ziehen

© W&B/Martina Ibelherr
Schulterblätter zentrieren
Gehen Sie in die Ausfallschritt-Stellung. Beugen Sie sich leicht nach vorn mit geradem Rücken. Nehmen Sie zwei Hanteln oder Ein-Liter-Flaschen in die Hände. Ziehen Sie die Gewichte nach oben, indem Sie nur die Ellenbogen anwinkeln. Die Ruderbewegung 10 x wiederholen. 3 Sätze.
Effekt: Bringt die Schulterblätter in Position