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Die genaue Ursache des Hörsturzes ist nicht bekannt. Deshalb ist es schwierig, eine gezielte Therapie zu entwickeln. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Behandlungsansätze, die in den letzten Jahren erprobt wurden. Doch alle bringen nicht nur potenzielle Vorteile, sondern auch mögliche Nachteile mit sich. Leider ist es bislang nicht gelungen, die Überlegenheit einer bestimmten Therapie eindeutig wissenschaftlich nachzuweisen. Und manche Therapiemethoden sind auch innerhalb der Ärzteschaft umstritten. Hilfestellung gibt die jeweils gültige Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie mit konkreten Therapieempfehlungen.

Therapiemöglichkeiten mit dem Arzt besprechen

Am besten überlegen Arzt und Patient gemeinsam, welches Vorgehen im individuellen Fall am aussichtsreichsten erscheint. Dabei sollte unbedingt zur Sprache kommen, welche Vorteile zu erwarten sind, und welche Nebenwirkungen die Therapie haben könnte. Außerdem gilt es zu bedenken, dass die gesetzlichen Krankenkassen für die meisten Therapien nicht bezahlen, weil ihre Wirksamkeit nicht ausreichend mit Studien belegt ist.

Bei einem leichten Hörsturz, der den Patienten wenig beeinträchtigt, wird der Arzt üblicherweise dazu raten, erst einmal ein paar Tage abzuwarten. Denn in etlichen Fällen heilt der Hörsturz von alleine wieder aus.

Besteht eine deutliche Schwerhörigkeit mit zusätzlichen Symptomen oder ist das andere Ohr des Patienten bereits vorgeschädigt, dann wird der Arzt eine rasche Behandlung in Erwägung ziehen. Sie findet meist ambulant oder – in speziell gelagerten Fällen – in der Klinik statt.

Kortisonpräparate

Der Arzt kann entzündungshemmende Mittel als Infusion verabreichen oder als Tablette verschreiben. Meistens werden dabei Wirkstoffe angewendet, die dem Hormon Kortison aus der Nebennierenrinde ähnlich sind (Glukokortikoide, etwa Prednisolon). Die Arzneien sollen – so die Theorie – Entzündungsvorgänge und hierdurch bedingte Schwellungen im Hörorgan bekämpfen. Nebenwirkungen wie ein erhöhter Blutzuckerspiegel kommen vor. Diese Art der Hörsturz-Therapie ist in Deutschland und vielen anderen Ländern verbreitet und wird auch in der aktuellen Leitlinie als ein Verfahren der ersten Wahl empfohlen.

Intratympanale Therapie

Dabei verabreicht der Arzt ein  Kortisonpräparat mit einer Spritze direkt ins Ohr. Dafür muss er nach  einer örtlichen Betäubung mit einer feinen Nadel durch das Trommelfell  pieksen. So gelangt der Wirkstoff in höherer Konzentration ins Mittelohr  – und kann per Diffusion in das Innenohr gelangen. Selten kann es  hierdurch zu einem bleibendem Loch im Trommelfell oder zu  Mittelohrentzündungen kommen. Diese Therapieform hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr durchgesetzt, vor allem dann, wenn Bedenken gegen die Verabreichung von Glukokortikoiden als Infusion bestehen oder eine solche Therapie nicht den gewünschten Effekt erbracht hat.

Rheologische Therapie

 Eine weitere Behandlungsmöglichkeit waren früher Infusionen, die den Blutfluss verbessern sollen. Hierzu wurden Mittel wie Hydroxyethylstärke (HES) über die Vene verabreicht. HES ist für diesen Behandlungszweck seit dem Jahr 2014 in Deutschland nicht mehr zugelassen.

Speziellere Therapien

Speziellere Therapien kommen vor allem dann infrage, wenn die erste Behandlung gar nicht anschlägt, oder der Hörsturz sehr ausgeprägt ist:

Ionotrope Therapie: In der Klinik geben die Ärzte manchmal bestimmte Betäubungsmittel (Lokalanästhetika) über die Vene. Sie sollen günstige Effekte auf die Funktion der Haarzellen (Hör-Sinneszellen) vor allem bei Tinnitus haben. Die Therapie muss aber genau dosiert sein. Sonst drohen Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen und ernste Kreislaufprobleme. Es handelt sich dabei allerdings um einen sogenannten "off label"-Gebrauch, da die Medikamente für die Therapie des Hörsturzes nicht zugelassen sind.

Blutreinigung: Manche Ärzte setzten eine Art "Blutreinigung" oder "Blutwäsche" ein, die Apherese. Dabei wird Blut des Patienten kontinuierlich über einen Schlauch in eine Maschine geleitet. Sie trennt unerwünschte Blutbestandteile ab. Im Falle des Hörsturzes sind das bestimmte Gerinnungsstoffe und Fette aus dem Blut. Das so "gereinigte" Blut erhält der Patient wieder zurück. Das Verfahren ist relativ aufwändig und teuer. Vorsicht: Es handelt sich um eine sehr spezielle Therapie, die normalerweise in einer Klinik oder einem Dialysezentrum stattfindet. Sie ist nicht gleichzusetzen mit allem, was auf dem Markt als "Blutreinigung" angepriesen wird.

Hyperbare Sauerstofftherapie (hyperbare Oxygenierung, HBO): Die Patienten sitzen bei dieser Therapie mehrfach in einer Druckkammer. Darin atmen sie reinen Sauerstoff. Das soll sich günstig auf das Hörorgan auswirken. Diese Therapie ist relativ teuer und kann nur an speziellen Druckkammerzentren erfolgen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten üblicherweise nicht, in der aktuellen Leitlinie wird diese Therapie nicht mehr empfohlen. Auch diese Behandlung wird daher nur in Ausnahmefällen angewandt, zum Beispiel wenn alle anderen Therapieversuche fehlschlagen. Eine Sauerstofftherapie ohne Aufenthalt in der Druckkammer (normobare Oxygenierung) gilt als wirkungslos.

Vorsicht vor unseriösen Angeboten. Leider nutzen viele zweifelhafte Geschäftemacher die bestehenden Unsicherheiten bei der Hörsturz-Therapie aus. Sie versuchen teure, aber wirkungslose Ideen an den Mann oder an die Frau zu bringen. Skepsis ist vor allem dann angebracht, wenn Erfolge versprochen werden oder wenn die Hörsturz-Ursache angeblich bekannt ist. Im Zweifel sollten sich Patienten bei ihrem Arzt rückversichern, was er von der angepriesenen Therapiemethode hält.

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