Unterzuckerungen nachts vermeiden

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Zittrige Hände, feuchte Haut, Herzklopfen – mit diesen und anderen Anzeichen machen sich Unterzuckerungen, Fachausdruck Hypoglykämien, tagsüber bemerkbar. Treten sie nachts auf, kann es sein, dass der Betroffene im Schlaf nichts von ihnen bemerkt, dafür aber miserabel schläft. Denn die Stresshormone, die der Körper als Gegenreaktion auf den Blutzuckerabfall ausschüttet, mindern die Schlaftiefe.
Am Morgen deuten dann verschwitzte Nachtwäsche und Abgeschlagenheit darauf hin, dass im Schlaf eine Unterzuckerung stattgefunden hat. Auch ein erhöhter morgendlicher Nüchternblutzucker kann auf eine verschlafene nächtliche Hypoglykämie hinweisen. Verantwortlich dafür ist der Somogyi-Effekt.
Gefährliche Unterzuckerungen
Selbst wenn ein Betroffener von nächtlichen Zuckertiefs nichts bemerkt, können diese auf Dauer schaden. Zum einen leidet die Lebensqualität. Vor allem Diabetespatienten, die alleine leben, fürchten sich vor einem erneuten Vorfall, wenn sie einmal ein nächtliches Zuckertief erlebt haben.
Hinzu kommt oft eine insgesamt schlechtere Blutzuckereinstellung. Denn aus Angst vor einer nächtlichen Hypo neigen die Betroffenen dazu, höhere Werte in Kauf zu nehmen.
Zudem können häufige Unterzuckerungen wohl das Demenzrisiko erhöhen und vor allem bei Herzpatienten und älteren Menschen Herzrhythmusstörungen begünstigen.
Gründe für nächtliche Zuckertiefs
Verschiedene Faktoren begünstigen nächtliche Unterzuckerungen. Letztlich kommt es vor allem darauf an, wie gut die Insulin- bzw. Tablettenzufuhr an die wechselnden Bedürfnisse des Körpers angepasst ist. Häufig haben Patienten schlicht ihre Insulindosis falsch berechnet, wenn die Werte in den Keller sinken.
Wer gerne abends Sport treibt, sollte zudem vorher seine Insulindosis verringern oder nachher eine Extraportion Kohlenhydrate zu sich nehmen. Das richtige Vorgehen dabei mit dem Arzt absprechen. Tückisch: Noch Stunden nach dem Sport kann wegen des Muskelauffülleffekts der Blutzucker zu tief sinken.
Ebenso kann der Konsum von alkoholischen Getränken zu einer nächtlichen Unterzuckerung führen. Alkohol hemmt die Zuckerfreisetzung aus der Leber. Nach feucht-fröhlichen Abenden deswegen vor dem Schlafengehen den Blutzuckerspiegel messen und mit erhöhten Werten ins Bett gehen. Ein Glukosespiegel um die 200 mg/dl kann bei einem starken Rausch durchaus angebracht sein. Auch hier gilt: Das grundsätzliche Vorgehen einmal mit dem Arzt abstimmen.
Medikamente können Unterzuckerungen begünstigen
Auch Medikamente beeinflussen das Unterzuckerrisiko. So rutscht bei Menschen mit Diabetes, die Antidiabetika aus der Gruppe der Sulfonylharnstoffe einnehmen, der Blutzucker sehr viel leichter in den Keller als bei denjenigen, die beispielsweise mit Metformin behandelt werden. Und die alten NPH-Insuline bringen ein höheres Unterzuckerrisiko mit sich als die neuen Langzeitinsuline.
Wer nachts regelmäßig unter Unterzuckerungen leidet, sollte seinen Arzt darauf ansprechen. Ein Blutzuckertagebuch kann dabei helfen, den Ursachen für die Tiefs auf die Spur zu kommen. Außerdem sollten Betroffene probeweise nachts zwischen zwei und vier Uhr den Blutzucker messen, wenn sie einen entsprechenden Verdacht haben. Anschließend können Arzt und Patient geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel die Therapieeinstellung anpassen oder andere Medikamente verschreiben.
Test kann Risiko-Patienten erkennen
Mit Fragebögen kann der Arzt die verschiedenen Risikofaktoren von Patienten erfassen. Einen solchen Hypoglykämie-Score hat Dr. Stephan Kress, Diabetologe am Vinzentius-Krankenhaus in Landau in der Pfalz mit entwickelt: "Wer diesen Hypoglykämie-Score anwendet, hat die Chance, bereits die erste Unterzuckerung des jeweiligen Patienten zu verhindern – durch entsprechende Vorbeugung, zu der auch eine punktgenaue Auslese geeigneter Medikamente gehört." Nach Meinung von Professor Dr. Dirk Müller-Wieland, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft, kann ein solcher Score gegebenenfalls auch dabei helfen, gegenüber Kostenträgern eine relativ Hypoglykämie-sichere, aber möglicherweise teurere Therapie zu rechtfertigen.