Wenn Diabetes die Beziehung belastet
Kranksein ist keine Privatangelegenheit. Zumindest nicht, wenn man in einer Beziehung lebt. Paare, von denen einer zuckerkrank ist, können ein Lied davon singen. Egal, ob der Diabetes von Anfang an mit im Boot war oder ob die Diagnose erst später in die Beziehung platzte: Es ist nicht nur der Kranke, der mit dem Zucker leben muss.
Auch seinem Partner bleibt nichts anderes übrig als sich mit der Krankheit zu arrangieren – zum Beispiel mit der Angst und der Sorge um den geliebten Menschen, mit dessen Stimmungstiefs bei absinkendem Blutzucker, mit der durch die Anforderungen der Krankheit verminderten Spontaneität bei der gemeinsamen Freizeitgestaltung.
"Paarprobleme sind Kommunikationsprobleme"
Vielen Paaren gelingt es recht gut, die Zuckerkrankheit mit all ihren Herausforderungen in ihre Gemeinsamkeit zu integrieren, doch mindestens genauso vielen bereitet das Leben mit dem Leiden Probleme. Bei ihnen entwickelt sich der Diabetes zum Konfliktfeld, auf dem sich die Partner gegenseitig beharken.
Dabei hapert es nach Erfahrung der Frankfurter Psychodiabetologin Dr. Ulrike Löw meist an der Verständigung zwischen den Partnern: "Paarprobleme sind fast immer Kommunikationsprobleme. Entweder wird zu wenig oder unzulänglich kommuniziert. Das belastet jede Partnerschaft und fällt besonders stark ins Gewicht, wenn eine chronische Krankheit mit im Spiel ist."
Streitpunkt Unterzuckerungen
Eines der Hauptkonfliktfelder ist die Angst vor Unterzuckerungen, die den Partner oft mehr plagt als den Diabetiker selbst. Der kann sich oft gar nicht richtig daran erinnern, wie es ihm bei massiven Hypoglykämien ging. Dafür sitzt seinem Partner der Schreck meist noch lange in den Gliedern. Hinzu kommt, dass – vor allem bei schon länger bestehendem Diabetes – die Partner es oft früher als die Betroffenen selbst merken, wenn sich eine Unterzuckerung anbahnt. Das führt dann leicht zum Streit nach dem Motto "Nun miss doch endlich! Noch so eine Hypo wie neulich Nacht will ich nicht erleben!"
Ein zweites typisches Konfliktfeld sind die sogenannten Akzeptanzprobleme. So heißt das unter Fachleuten, wenn chronisch Kranke ihr Leiden nicht als Teil ihres Lebens annehmen. Dr. Ulrike Löw: "Wer eine negative Einstellung gegenüber dem Diabetes hat, neigt dazu, ihn zu vernachlässigen. Das wiederum frustriert den Partner, der dann entweder mit noch größerer Angst und Sorge reagiert oder sich in sich zurückzieht."
Diabetes kann Liebesleben beeinträchtigen
Das dritte große Partnerschafts-Thema bei Diabetes ist schließlich die Sexualität. Haben erhöhte Zuckerkonzentrationen die Blutgefäße und Nerven im Unterleib geschädigt, kann das den Sex beeinträchtigen. Häufig sind vor allem Erektionsprobleme. Wie sehr das die Partnerschaft belastet, hängt vom Stellenwert ab, den das Bett für die Beziehung hat. "Zu schaffen macht dies vor allem jüngeren Paaren", weiß der Psychosomatiker Professor Dr. Stephan Herpertz von der Ruhr-Universität Bochum. "Der zuckerkranke Partner fühlt sich oft unzulänglich, minderwertig, irgendwie schuldig und zieht sich vom anderen zurück."
Helfen würden bei all diesen Konflikten vertrauensvolle Gespräche. Doch die fallen vielen Paaren schwer, weiß Psychodiabetologin Löw. Statt eines offenen, entlastenden Austauschs über die eigenen Sorgen und Ängste und die des anderen, schleifen sich häufig ungünstige Kommunikationsmuster ein, bei denen entweder zu wenig geredet wird oder vorwiegend gereizt und genervt.
Hilfe von außen zulassen
Teufelskreise, aus denen es durchaus einen Ausweg gibt – wenn man bereit ist, sich helfen zu lassen. Als erste Anlaufstelle empfiehlt Herpertz den Arzt, der einen am besten kennt und zu dem man ein gewisses Vertrauen besitzt. In der Regel ist das der Hausarzt oder der behandelnde Diabetologe. Kann dieser selbst nicht helfen, weiß er zumindest, wohin sich das Paar stattdessen wenden kann. Sowohl in den Ambulanzen der psychosomatischen Kliniken als auch bei niedergelassenen Psychodiabetologen bekommen Menschen mit Diabetes und ihre Partner Hilfe bei Paarproblemen und lernen, was ihnen bei ihrem speziellen Konfliktthema guttut.
Typische Diabetes-Konflikte in einer Beziehung – und wie sie sich lösen lassen:
1. Unterzucker-Sorgen des Partners
Das hilft: Feste Absprachen (am besten aufschreiben). Zum Beispiel: Jedes Mal, bevor der Diabetiker Haus oder Wohnung verlässt, mit den Kindern allein bleibt, sich hinters Steuer setzt, misst er noch mal. Bei ersten Anzeichen von Unterzuckerung stillschweigend Traubenzucker oder Saft anbieten. Alle vier Wochen zusammensetzen und die Absprachen überprüfen: Passen sie für uns oder brauchen wir andere?
Besser nicht: Nach schweren Hypos einfach mit dem Alltag weitermachen, statt den Vorfall noch mal gemeinsam zu beleuchten.
2. Der Betroffene vernachlässigt seinen Diabetes
Das hilft: Konkrete Beispiele ansprechen; fragen, wie man den Partner unterstützen kann (z. B. durch gemeinsames Joggen, kalorienärmeres Essen); von sich, den eigenen Wünschen und Wahrnehmungen sprechen.
Besser nicht: Ständig Vorwürfe machen; dem Partner das Gefühl geben, dass man ihn kontrolliert.
3. Probleme im Bett
Das hilft: Einerseits die Möglichkeiten der Medizin in Anspruch nehmen (siehe unseren ausführlichen Ratgeber zu "Diabetes und Sex"), andererseits gemeinsam versuchen, die Erwartungen herunterzuschrauben und Alternativen zu finden. Sex bedeutet nicht zwangsläufig Geschlechtsverkehr.
Besser nicht: Das Thema totschweigen.