Blaupause für Deutschland: So läuft die Krankenhausreform in NRW
Die Krankenhausreform in Nordrhein-Westfalen ist in vollem Gange. Das Bundesland gestaltet seine Kliniken neu. Kern der Umgestaltung: Künftig sollen nur diejenigen Kliniken bestimmte spezialisierte Behandlungen vorhalten, die in dem jeweiligen Feld über ausreichend Erfahrung, Ressourcen und Fachkompetenz verfügen. In Zukunft soll also nicht mehr jede Klinik alles anbieten.
Wo man in Zukunft welche Behandlung bekommt, zeigt eine interaktive Karte, die das Science Media Center (SMC) erstellt hat. Rote Punkte stehen für Kliniken, die gerne bestimmte Leistungen weiterhin angeboten hätten, aber diese nicht genehmigt bekommen haben. Grüne Punkte erhielten Kliniken, die genau das zugeteilt bekommen haben, was sie sich wünschten. An häufigsten sind gelbe Punkte: „teilweise genehmigt“. Blau steht für mehr genehmigte Behandlungen, als bisher dort bereits angeboten wurden.
Die Reform ist nicht nur für viele Kliniken einschneidend, sie verändert auch für Patientinnen und Patienten und deren Versorgung einiges. Und sie gibt einen Ausblick auf das, was eine Klinikreform in ganz Deutschland bedeuten könnte.
Was sind die Grundzüge der Krankenhausreform in NRW?
Grundsätzlich sollen weiterhin 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Autominuten ein Krankenhaus der „Grund- und Regelversorgung“ erreichen können. Leistungen wie „Allgemeine Innere Medizin“ haben 96 Prozent der Kliniken genehmigt bekommen.
Insgesamt wurden die verschiedenen Leistungen und Angebote, die Kliniken vorhalten können, in 64 sogenannte Leistungsgruppen eingeteilt. Ob Implantation von Hüftprothesen oder Schlaganfallbehandlung: Jede Klinik konnte einen Antrag für beliebig viele Leistungsgruppen mit jeweils einer geschätzten Zahl von jährlichen Behandlungen stellen. Diese Antragsphase ist abgeschlossen.
Vor Kurzem hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) in NRW nun darüber entschieden, welche Klinik welche Leistungsgruppen mit jeweils wie vielen Behandlungen bewilligt bekommt. Bestimmte Mindestkriterien wurden zur Beurteilung herangezogen: Dazu zählen unter anderem die technische und personelle Ausstattung in dem Feld und bestimmte Mindestfallzahlen. Außerdem soll eine gleichmäßige Verteilung der verschiedenen klinischen Spezialbereiche über ganz Nordrhein-Westfalen gewährleistet sein.
Was bringt die Klinikreform?
Eine höhere Behandlungsqualität ist der größte Vorteil, den man sich von der Reform verspricht. „Die Krankenhäuser, die die entsprechenden Leistungen künftig erbringen dürfen, bieten die Gewissheit, dass sie erstens über die notwendige Erfahrung verfügen und zweitens den definierten Mindeststandard an Qualitätsanforderungen erfüllen“, sagt Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin.
Viele Krankenhäuser schreiben heute rote Zahlen. Die Reform soll finanzielle Einsparungen bringen, weil sie einem Überangebot an bestimmten Behandlungen entgegenwirken soll. Befürchtet wird aber derzeit auch, dass einzelne Kliniken zu wenige Zuschläge erhalten haben und deshalb künftig Schwierigkeiten bekommen, wirtschaftlich zu arbeiten, und womöglich schließen müssen. Denn: immerhin jede zehnte Klinik der insgesamt 553 Klinikstandorte in NRW hat mehr als die Hälfte der beantragten Leistungsgruppen nicht genehmigt bekommen.
Für Patientinnen und Patienten könnte die Spezialisierung auch einen Nachteil mit sich bringen: Längere Wege zur nächsten Klinik, die eine Fachabteilung hat.
Bei welchen Behandlungsfeldern gibt es die größten Veränderungen durch die Klinikreform?
Bislang konnten Krankenhäuser über die sogenannte Fallpauschale abrechnen. Diese hat bestimmte Behandlungen finanziell besonders lukrativ gemacht, zum Beispiel das Einsetzen von künstlichen Hüften. Das führte dazu, dass viele Kliniken die „Endoprothetik Hüfte“ ins Angebot aufgenomen haben – obwohl sie nur wenige Fallzahlen vorweisen konnten. Von 235 Kliniken, die für die Leistungsgruppe „Endoprothetik Hüfte“ einen Antrag gestellt haben, erhielten jetzt nur 126 eine Genehmigung.
Auch bei speziellen Krebsbehandlungen gab es Ablehnungen. Die Politik setzt hier darauf, dass die Therapien an gut ausgestatteten, spezialisierten Zentren durchgeführt werden, wo die Patientinnen und Patienten die bestmögliche personelle Kompetenz und Ausstattung vorfinden. „Da künftig Krankenhäuser nur diejenigen Leistungen erbringen dürfen, für die sie die entsprechende Leistungsgruppe zugewiesen bekommen haben, sollte ich als Patientin oder Patient eigentlich nicht in der ‚falschen‘ Klinik landen“, sagt Busse. „Wenn ich allerdings Zeit habe, etwa als Patientin mit Brustkrebs, dann schadet es sicher nichts, sich die Auswahl an geeigneten Häusern vor der Einweisung in Ruhe anzuschauen.“
Wie geht es mit der Klinikreform in NRW weiter?
Die Kliniken hatten bis zum 11. August 2024 Zeit, Einspruch einzulegen. Ende des Jahres will das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales dann die endgültigen Bescheide an die Krankenhäuser verschicken. Ab 1. Januar 2025 soll der neue Krankenhausplan gelten.
Kommt die Klinikreform deutschlandweit?
Über eine bundesweite Krankenhausreform wird derzeit hitzig debattiert. Grundsätzlich ist die Krankenhausplanung Sache der Bundesländer. Gleichzeitig hat der Bund die Hoheit über die gesetzlichen Krankenkassen und damit über die finanziellen Mittel für Krankenhäuser.
Nordrhein-Westfalen gilt als Vorreiter, was die Umgestaltung der Kliniklandschaft angeht. Ob sich die dortige Reform eins zu eins bundesweit umsetzen lässt, ist aber fraglich. Viele Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass Nordrhein-Westfalen als eine Art Blaupause dienen könnte. So sagt Busse beispielsweise: „Der Prozess in NRW dient auch deshalb als Blaupause für andere Bundesländer, weil die in NRW genutzten Leistungsgruppen wahrscheinlich auch bundesweit eingeführt werden.“
Quellen:
- Science Media Center Germany, SMC: Interaktives Tool zeigt: So verändert sich die Kliniklandschaft in NRW. online: https://www.sciencemediacenter.de/... (Abgerufen am 18.09.2024)