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Früher oder später betrifft es fast jeden mal: Man verschwitzt einen Arzttermin oder entscheidet sich kurz vorher, doch nicht hin zu gehen, weil etwas dazwischen gekommen ist oder die Beschwerden abgeklungen sind. In Fachkreisen spricht man auch von No-Shows (deutsch: Nichterscheinen).

Aber halt, war da nicht was? Vielleicht haben Sie auch schon mal ein Hinweisschild in Ihrer Arztpraxis bemerkt oder als Neupatientin beziehungsweise Neupatient unterschrieben, dass Sie damit einverstanden sind, wenn Ihre Praxis für verfallene Termine sogenannte Ausfallhonorare berechnet. Dass das zur Regel wird – finanziert durch die gesetzlichen Krankenkassen – forderte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zu Beginn dieser Woche. Doch ist das angemessen und rechtens – vor allem, wenn das Einhalten des Termins vielleicht gar nicht möglich war? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Wann und wie sage ich einen Arzttermin ab?

Dass man einen Termin kurzfristig nicht wahrnehmen kann, ist nie ganz auszuschließen. Vor allem bei der Planung langfristiger Termine wie bei der Psychotherapeutin, dem Physiotherapeuten oder in der Kieferorthopädie ist nicht immer Monate im Voraus absehbar, ob ein Termin wirklich eingehalten werden kann.

Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen rät Patientinnen und Patienten aber, so früh wie möglich abzusagen. „Am besten sollte man das schriftlich per Email tun und sich die Absage bestätigen lassen“, sagt sie. Am Telefon kommt man in vielen Arztpraxen gar nicht durch und hat auch im Nachhinein keinen Beleg dafür, dass und wie früh man abgesagt hat.

Wenn Sie einen Termin mit einer Terminbuchungsapp vereinbart haben, können Sie auch mit wenigen Klicks in der App absagen. Hier liegt die Frist für die letztmögliche Absage oft 24 Stunden vor dem Termin.

„Wenn man für die kurzfristige Absage nichts kann, kann man in der Mail auch auf das eigene Unverschulden hinweisen“, so Hubloher. Unverschuldete Gründe sind etwa ein Bahnstreik oder ein Unfall, in den man verwickelt ist. Gleiches gelte auch für Patientinnen und Patienten, die zu spät kommen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband rät grundsätzlich vom „Schwänzen“ eines Arzttermins ab – auch wenn keine Strafe droht. Denn mit einer rechtzeitigen Absage bleibt das Vertrauensverhältnis zu Ihrer Arztpraxis unberührt und Sie geben anderen Patientinnen und Patienten die Chance auf einen kurzfristig frei gewordenen Termin.

Habe ich Anspruch auf einen zeitnahen Ersatztermin?

Leider nein. „Ein generelles Vorrecht auf einen zeitnahen Ersatztermin gibt es nicht“, sagt Medizinjurist Prof. Andreas Spickhoff von der LMU München. Eine Ausnahme könne es geben, wenn das Anliegen der Patientin oder des Patienten besonders dringend ist. Das gilt aber generell bei jedem Termin. Wenn Sie einen Termin nicht wahrnehmen, müssen Sie sich also erneut um einen Termin kümmern, der auch in ferner Zukunft liegen kann.

Warum erwarten manche Arztpraxen ein Ausfallhonorar?

Der Name sagt es schon: Vielmehr als um eine Strafe für die Patientinnen und Patienten, soll es sich um eine finanzielle Entschädigung für die Arztpraxis handeln. Die Argumentation dahinter: Für den verpassten Termin wurde eine bestimmte Zeit im Kalender geblockt, in der etwa keine anderen Patientinnen und Patienten in die Praxis bestellt wurden. Das kann tatsächlich der Fall sein bei einer längeren psychotherapeutischen Sitzung oder einer professionellen Zahnreinigung. In einer Hausarztpraxis, in der das Wartezimmer meistens voll besetzt ist, ist es unwahrscheinlich, dass kostbare Zeit verloren geht. Entsprechendes sage – so Hubloher – auch die Rechtsprechung. Auch wenn Verwaltungstätigkeiten in der Zeit erledigt werden können, bestehe kein Anspruch auf ein Ausfallhonorar.

Muss man bei einem verpassten Arzttermin Strafe zahlen?

Zu dieser Frage gibt es tatsächlich viele verschiedene Gerichtsurteile, die man für die eine oder für die andere Seite zitieren könnte. Ist das unentschuldigte Fernbleiben vom Termin unverschuldet, verlangen Praxen oft kein Ausfallhonorar.

Fordert eine Praxis ein Ausfallhonorar, „dann wäre sie vor Gericht in der Beweispflicht“, erklärt Andreas Spickhoff. Das heißt, die Arztpraxis müsste nachweisen, dass man in der verlorenen Zeit, die geblockt war, tatsächlich keiner anderen Tätigkeit nachgehen konnte. „Ist dem so, ist das für Praxen allerdings leicht, nachzuweisen“, so Spickhoff mit Verweis auf die Dokumentation im Terminbuchungssystem der Arztpraxen.

Da die Frage rechtlich nicht eindeutig geklärt ist, hält Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen Hinweisschilder, die in manchen Arztpraxen aushängen, nicht für ausreichend, um ein Ausfallhonorar zu verlangen. Denn hier haben die Patientinnen und Patienten ja nicht aktiv zugestimmt. Manche Praxen lassen sich anfangs schriftlich bestätigen, dass ein Ausfallhonorar bei versäumten Terminen fällig wird. „Wer das unterschreibt, willigt ein“, so Hubloher. Lesen Sie sich also gut durch und überlegen Sie genau, was Sie unterschreiben.

Aktuell müssen Versicherte – anders als in der aktuellen Forderung der KBV – selbst für ein etwaiges Ausfallhonorar aufkommen.

Wieviel muss man für einen verpassten Arzttermin bezahlen?

In welcher Höhe ein Ausfallhonorar verlangt wird, kann je nach Praxis unterschiedlich sein. Laut einem Bericht der Bild gibt es Arztpraxen, die 40 Euro Strafgebühr für einen nicht wahrgenommenen Termin aufrufen.

Laut einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. April 2005 ist eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Arztpraxis, nach der vereinbarte Termine 24 Stunden vorher abgesagt werden müssen und andernfalls ein Ausfallhonorar von 75 Euro berechnet wird, unwirksam.

Wie steht die Politik zu Ausfallhonoraren?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befürwortet die aktuelle Forderung der KBV nicht. Zwar sollten No-Shows die Ausnahme bleiben, „Geldstrafen sind aber der falsche Weg“, kommentierte der Minister.

Schon vor dem Vorstoß der KBV sprach sich der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), grundsätzlich gegen Strafgebühren für No-Shows aus. „Den Arztpraxen entsteht durch das Erheben der Gelder ein erheblicher Aufwand, der den wirtschaftlichen Nutzen bei Weitem übersteigt“, so Schwartze. „Durch eine Gebühr findet zudem keine steuernde oder erziehende Wirkung statt“. In wirtschaftlich schweren Zeiten sollten Privathaushalte nach Ansicht des Patientenbeauftragten nicht unnötig belastet werden.

Bundesweite Zahlen zur tatsächlichen Häufigkeit von No-Shows konnte die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf Anfrage der Apotheken Umschau nicht nennen.


Quellen: