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Der Wahlkampf steckt in einer heißen Phase: Am 1. September wird in Sachsen und Thüringen jeweils ein neuer Landtag gewählt. Nur wenige Tage vorher wollen am heutigen Mittwoch (28. August 2024) Apothekerinnen und Apotheker in Dresden und Erfurt auf die Straße gehen. Ihr Protest richtet sich im Kern allerdings nicht gegen die Landespolitik, sondern gegen ein Vorhaben der Ampel-Koalition in Berlin.

Worum geht es? Mit dem Apothekenreformgesetz plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Veränderungen in der Arzneimittelversorgung. Schon lange steckt der Apothekenmarkt in einer Krise, zuletzt war die Zahl der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland auf ein neues Rekordtief von 17.288 gefallen. Das bekommen vor allem die Menschen auf dem Land, aber auch in den sozialen Brennpunkten der Städte zu spüren.

Lauterbach möchte in Zukunft unter anderem die Auflagen für Filialapotheken lockern. So müssen den Plänen zufolge nicht zwingend immer ein Apotheker oder eine Apothekerin vor Ort sein. Stattdessen könnten pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten (PTA) beraten und bei Bedarf einen Pharmazeuten oder eine Pharmazeutin aus einer benachbarten Filiale per Video zuschalten.

Zudem sollen Apothekerinnen und Apotheker einfacher sogenannte Zweigapotheken gründen können. Sie bieten weniger Leistungen an als normale Apotheken und müssen zum Beispiel keine Medikamente selbst herstellen. All das soll die Ausgaben senken und den Betrieb einer Apotheke erleichtern.

Lange Wartezeiten für Patienten?

Apotheker Stefan Fink aus Weimar hält die Reformpläne des Ministers für eine Mogelpackung. „Kosten wird das Gesetz sicher nicht sparen, dafür aber zu Leistungskürzungen führen“, sagt er im Gespräch mit der Apotheken Umschau. Zwar seien PTA gut ausgebildete Fachkräfte, sie könnten aber nicht die Arbeit studierter Apothekerinnen und Apotheker übernehmen. „Komplexere Wechselwirkung zwischen mehreren Medikamenten werden PTA ohne Rücksprache mit dem Apotheker gar nicht bewerten können.“ Bei Rückfragen müsse es ihnen außerdem erstmal gelingen, einen Apotheker oder eine Apothekerin zu erreichen. „Nicht selten verbunden mit zum Teil langen Wartezeiten für die Patienten.“ Mit den Zweigapotheken drohe zudem eine Versorgung erster und zweiter Klasse. „Das kann die Politik nicht wollen.“

Fink ist Vorsitzender des Apothekerverbands Thüringen und Mitorganisator einer Kundgebung, die am heutigen Mittwoch zeitgleich in Erfurt und Dresden stattfinden wird. Dort wollen die Apothekenteams ihrem Ärger über die Politik der Bundesregierung Luft machen. Einige Apotheken bleiben heute geschlossen, in anderen wird nur über eine Klappe in der Tür bedient. Geöffnet sind aber in jedem Fall die Notdienstapotheken, die sie hier finden können.

„Wir brauchen ein Rettungspaket mit einer Vergütungsreform, um das Apothekensterben zu stoppen“, so Fink. Auch der Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, Thomas Dittrich, drängt auf Soforthilfen. In vielen Apotheken ließen die wirtschaftlichen Rahmenbedinungen eine angemessene Bezahlung der Angestellten nicht mehr zu. „Vielmehr zwingen sie immer mehr Apotheken zur Schließung“, so Dittrich.

Mehr Geld für kleine Apotheken, weniger für die großen

Derzeit bekommen Apotheken für jedes rezeptpflichtige Medikament 3 Prozent vom Verkaufspreis und eine Pauschale von 8,35 Euro minus 2 Euro Pflichtrabatt für die Krankenkassen. Angepasst wurde das Fixhonorar zuletzt 2013. „Seit zehn Jahren stagniert unsere Vergütung, während die Kosten deutlich gestiegen sind“, so Fink.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach möchte die Pauschale künftig auf 9 Euro anheben, den prozentualen Anteil dafür auf 2 Prozent senken. Sein Ziel: Die Mittel im Apothekenmarkt umverteilen. Umsatzstarke Betriebe sollen dann weniger, kleine Apotheken dafür mehr Geld bekommen, ohne dass den Krankenkassen zusätzliche Ausgaben entstehen.

Besser honoriert werden sollen künftig Nacht- und Notdienste. Für Apotheker Stefan Fink ist das nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. „Im Schnitt verdienen Apotheken damit 2500 Euro mehr pro Jahr. Zum Vergleich: Allein die aktuellen Tarifsteigerungen schlagen mit etwa 25.000 bis 30.000 Euro zu Buche.“ Aus Sicht der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände fehlen 2,7 Milliarden Euro, um den Apothekenmarkt nachhaltig zu stabilisieren.

Protestaktionen in vielen Bundesländern

In den zurückliegenden Monaten haben Apothekenteams in ganz Deutschland immer wieder mit Protestaktionen auf ihre Situation aufmerksam gemacht. In Thüringen haben Apothekerkammer und -verband parallel eine Petition gestartet, mit der sie die neu zu wählende Landesregierung bereits jetzt auffordern, sich gegen die von Lauterbach geplante Reform zu stellen. Kundinnen und Kunden können in ihrer Stammapotheke zudem Protestpostkarten unterschreiben, die gesammelt nach Berlin geschickt werden sollen.

Unklar ist derzeit noch, ob sich die Ampel überhaupt geschlossen hinter Lauterbachs Apothekenreform stellen wird. Die Pläne des Bundesgesundheitsministers sind innerhalb der Koalition durchaus umstritten. Bereits zwei Mal wurde eine Abstimmung der Reform im Kabinett kurzfristig verschoben. Kritik hatte zuletzt insbesondere die FDP geäußert, aber auch bei Grünen und SPD gibt es mitunter Bedenken.

Stefan Fink hofft, dass die Ampel ihre Pläne am Ende noch einmal überarbeiten wird – im Dialog mit der Apothekerschaft. „So wie Lauterbach das Gesetz derzeit plant, darf es nicht kommen. Aber wir werden unsere Strukturprobleme auch nicht lösen können, wenn es komplett scheitert. Wir brauchen eine Reform, die Apotheken eine Zukunft gibt.“


Quellen: