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In Deutschland landen zu viele Lebensmittel nach dem Einkauf in der Mülltonne. Eine Studie des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre/Mikroökonomik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt analysierte die Ursachen für dieses Verhalten und fand eine psychologische Erklärung dafür: Demnach neigen besonders jene Menschen zum Wegwerfen von Lebensmitteln, die zwar Pläne für die Zukunft fassen, dann aber spontan davon abweichen.

Wer kennt das nicht? Nach einem anstrengenden Arbeitstag fehlt schlicht die Zeit oder einfach auch die Lust, ein Essen mit den Lebensmitteln aus dem letzten Einkauf zu kochen. Auf dem Nachhauseweg kauft man dann schnell und günstig eine Pizza auf die Hand. Oder rührt zuhause fix etwas aus Fertigprodukten zusammen. Der frische Salat, das junge Gemüse und das knackige Baguette muss dann eben etwas länger warten, bis es auf den Teller kommt.

Ein nicht unwesentlicher Teil der Lebensmittelverschwendung entsteht ausgerechnet durch die Entsorgung gesunder Lebensmittel, deren Konsum zu lange aufgeschoben wird, lautet ein Fazit der Studie.

Gekauft, gelagert, vergessen

Studienautorin Helen Zeidler nennt einige Details aus der Untersuchung zum Lebensmittelkonsumverhalten, die sie im Rahmen ihrer Doktorarbeit veröffentlichte: „Die überwiegende Mehrheit der Lebensmittel wird bei der Lagerung verschwendet: 57 Prozent der befragten Personen geben an, dass sie in den letzten sieben Tagen zu Hause Lebensmittel gefunden haben, die verdorben waren. 24 Prozent der Personen geben an, dass sie Lebensmittel weggeworfen haben, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten war. Und 20 Prozent der Befragten geben an, Reste weggeworfen zu haben, die im Kühlschrank oder Gefrierschrank zum weiteren Verzehr aufbewahrt wurden.“

Ältere Menschen werfen tendenziell weniger Lebensmittel weg

Das Phänomen, zu Hause von Plänen abzuweichen, die man beim Einkauf getroffen hat, sei in der Bevölkerung keine Seltenheit. Insgesamt neige knapp die Hälfte der Befragten dazu, von Präferenzen abzuweichen, die sie für die Zukunft getroffen haben. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Menschen auf dem Land oder in der Stadt wohnten. Auch das Geschlecht oder der Bildungsgrad mache keinen Unterschied.

Auffallend sei jedoch, dass ältere Menschen tendenziell weniger Lebensmittel entsorgen würden. Ebenso Befragte, die mehr Erfahrung in der Zubereitung von Speisen hätten.

Wie kann man sein Wegwerf-Verhalten ändern?

An diesen Ergebnissen sieht Lehrstuhlinhaber Professor Alexander Danzer, der die Doktorarbeit betreute, Anhaltspunkte für mögliche Verhaltensänderungen. Er regt eine Art Generationenvertrag zwischen der älteren und der mittleren Generation an, die oft in einem stressigen Familien- und Berufsalltag gefangenen ist. „Warum nicht die Großeltern für die Kinder kochen lassen, wenn einem selbst die Zeit dafür fehlt und die ältere Generation auch aufgrund ihrer Sozialisierung weniger Lebensmittel verschwendet?“ Eine Alternative könnte sein, sich mit anderen Müttern oder Vätern zusammen zu tun und sich beim Kochen abzuwechseln.

Außerdem sieht er die Politik in der Verantwortung, die Außer-Haus-Verpflegung neu zu gestalten. „Sinnvoll wäre es, das Essensangebot in Kantinen und Mensen zu verändern, und mehr gesunde Gerichte anzubieten.“ Der Veggie-Day sei ein erster Versuch in diese Richtung gewesen, doch weitere müssten folgen.

Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Ablaufdatum

Außerdem hält Danzer es für nötig, über die Definition des Datums nachzudenken, das auf jedem Produkt aufgedruckt ist. „Viele Menschen interpretieren das Mindesthaltbarkeitsdatum immer noch als Ablaufdatum, nach dem beim Verzehr mit gesundheitlichen Risiken zu rechnen ist.“

Mehr Aufklärung darüber, dass man nicht strikt nach dem Datum, sondern eher nach dem Gefühl gehen und seinen Sinnen vertrauen sollte, könnten gegen die massenweise Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen helfen. Nicht zuletzt könne eine höhere Besteuerung von Convenience-Produkten das Selberkochen mit frischen und gesunden Nahrungsmitteln attraktiver machen.

78 Kilogramm Lebensmittel-Müll pro Kopf und Jahr

Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden durchschnittlich 78 Kilogramm Lebensmittel pro Kopf und Jahr weggeworfen. Darin sind neben Speiseresten und Verdorbenem zwar auch Nuss- und Obstschalen, Kaffeesatz, Blätter und Strünke etc. mit eingerechnet. Doch ein großer Teil dessen, was an Lebensmitteln in der Tonne landet, wäre vermeidbar.

Nach einer Untersuchung aus dem Fachmagazin Nature Food geht immerhin die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft auf Verluste und Abfälle zurück. Weniger Lebensmittel wegzuwerfen würde das Klima und die Ressourcen deutlich schonen.


Quellen:

  • Helen Zeidler: Dynamic Inconsistencies and Food Waste: Assessing Food Waste from a Behavioral Economics Perspective.. https://www.ku.de/... (Abgerufen am 03.05.2023)
  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Lebensmittelabfälle in Deutschland: Aktuelle Zahlen zur Höhe der Lebensmittelabfälle nach Sektoren. https://www.bmel.de/... (Abgerufen am 03.05.2023)
  • Nature Food: Cradle-to-grave emission from food loss and waste represent half of total greenhouse gas emissions from food systems. https://www.nature.com/... (Abgerufen am 03.05.2023)
  • Informationsdienst Wissenschaft: Vom Regal in die Tonne: Repräsentative Studie zu Ursachen von Lebensmittelverschwendung. https://idw-online.de/... (Abgerufen am 03.05.2023)