Frau Prof. Walper, wann ist der richtige Zeitpunkt, dem Kind zu sagen, dass Mutter und Vater sich trennen?
Wenn sich die Eltern sicher sind und die Entscheidung gefallen ist. Vielen fällt das aber schwer, sie zögern es hinaus. Befragungen haben gezeigt, dass Eltern ihrem Kind auch häufig andere Gründe dafür nennen, dass einer auszieht – zum Beispiel berufliche Verpflichtungen. Erfährt das Kind später, dass es belogen wurde, ist es in der Regel sehr enttäuscht und kann seinen Eltern vielleicht nicht mehr vertrauen.
Außerdem überschätzen Eltern oft ihre Möglichkeiten, etwas zu vertuschen. Verbergen Mutter oder Vater die Wahrheit, weil er oder sie die Trennung selbst nicht anerkennen will, signalisiert das dem Kind, dass die Eltern nicht mit der Situation zurecht kommen. Es macht sich dann meist große Sorgen um den Elternteil.
Wie sagen es die Eltern ihrem Kind am besten?
Eltern sollten sich überlegen: Was will ich dem Kind als guten Trennungsgrund mitgeben? Sagt man einfach, "Wir lieben uns nicht mehr", kann es sein, dass das Kind einen negativen Eindruck von Liebe bekommt: Wenn sie weg ist, geht alles den Bach runter. Lieber sollte man zum Beispiel sagen, "Wir haben es lange miteinander versucht, wir haben uns einmal sehr geliebt, aber es gab immer mehr Probleme und Streit. Wir denken, wir können dir bessere Eltern sein, wenn jeder seine Rolle getrennt übernimmt." Bei jüngeren Kindern kann man das etwas einfacher formulieren.
Sollen sie es dem Kind gemeinsam sagen?
Wenn es die Eltern schaffen, es dem Kind gemeinsam zu sagen, ist das die beste Variante. Vorher sollten sie aber geklärt haben, dass sie sich dabei auf keinen Fall Vorwürfe machen. Klappt es mit dem gemeinsamen Gespräch nicht, sagt es ihm am besten erst einer der beiden Elternteile und später spricht der andere getrennt mit dem Kind. Wichtig ist, auch dann nicht schlecht über den anderen zu sprechen – das wäre für das Kind sehr belastend.
Sollen sich die Eltern vorher absprechen, was sie sagen?
Die Eltern sollten vor dem Gespräch mit dem Kind unbedingt die wichtigsten praktischen Dinge klären, die das Kind betreffen. Sie sollten in der Lage sein, ihm zu sagen, wo es wohnen wird, wann es den anderen Elternteil sieht, wer es in den Kindergarten bringt und so weiter. Denn diese Dinge interessieren Kinder am meisten.
Leider passiert es häufig, dass Eltern so mit sich selbst beschäftigt sind, dass die Botschaft lautet: "Der Papa ist ausgezogen, ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht und ob das Geld reicht." Das ist keine angemessene Reaktion aus der Elternrolle heraus, das Kind bekommt so das Gefühl, dass es die Eltern retten muss. Sie selbst können ihm kein Beistand sein und es vor Ungewissheit schützen, wie sie es eigentlich sollten.
Inwieweit sollen Eltern dem Kind die Trennungsgründe erklären?
Viele haben das Gefühl, sie müssten ihren Kindern alles genau erzählen – zum Beispiel auch über die Verfehlungen des Ex-Partners. Aber das wollen Kinder meist gar nicht hören. Eine Studie hat gezeigt, dass Kinder sehr darunter leiden, wenn über den anderen Elternteil negativ gesprochen wird.
Eltern haben auch keine Verpflichtung, alles offenzulegen, was ihre Beziehung untereinander betrifft. Einen Seitensprung sollten sie zum Beispiel eher nicht erwähnen. Besser ist es, einfach zu sagen, "Wir kommen nicht mehr klar". Wenn Kinder aber direkt fragen, zum Beispiel "Hat der Papa eine Freundin?", sollten Eltern natürlich die Wahrheit sagen.
Auf die Nachricht, dass sich ihre Eltern trennen, reagieren Kinder sehr unterschiedlich. Wir haben betroffene Eltern nach ihren Erfahrungen gefragt.
Wie haben Ihre Kinder auf die Trennung reagiert?
"Ich hasse ihn." – Das war die Reaktion des fünfjährigen Tom*, als er erfuhr, dass sein US-amerikanischer Vater nicht mehr von seinem Besuch in der Heimat zurückkommen wird. "Die Nachricht war für uns alle ein Schock, weil es in unserer Beziehung eigentlich keine größeren Probleme gab", sagt Mutter Claudia Müller*. "Begründet hat das mein damaliger Mann damit, dass er sich hier nicht wohlgefühlt hat und beruflich nicht zurechtgekommen ist." Bis heute können wir das nicht nachvollziehen. Mein Sohn ist oft wütend. Er versteht nicht, warum sein Vater nicht hier ist, obwohl andere ausländische Väter im Bekanntenkreis auch hier leben und arbeiten. Manchmal schreit er seinen Vater am Telefon an – aber der reagiert darauf höchstens ausweichend. Außerdem leidet Tom unter Verlustängsten. Für mich ist es schwierig, ihm damit zu helfen."
*Namen von der Redaktion geändert
"Maya* hat furchtbar geweint", beschreibt Claudia Müller die Reaktion ihrer Tochter auf die Nachricht, dass ihr US-amerikanischer Vater nicht mehr zurück zu seiner Familie kommen wird. Die damals Sechsjährige ist heute – fast sieben Jahre später – immer noch manchmal sehr traurig und weint. "Aber sie kann dann darüber sprechen, deshalb kommt sie besser klar, als ihr Bruder." Tom und Maya haben inzwischen nur noch sporadisch Kontakt zu ihrem Vater. "Weil er sich nicht an Absprachen hält", erklärt Mutter Claudia. "Meine Tochter hat versucht, mit ihm einen Termin zum Telefonieren zu vereinbaren, aber das hat auf Dauer nicht geklappt. Er ist oft unzuverlässig – die Kinder sind dann enttäuscht. Wenn sie ihn sehen, freuen sie sich aber sehr."
*Name von der Redaktion geändert
"Daniel* hat gar nichts gesagt", erzählt Isabella Reiser* aus München. Ihr Stiefsohn zeigte keine Reaktion, als sie ihm nach fünf Jahren im gemeinsamen Haus erklären musste, dass sich sein Vater und sie trennen werden. Als sie mit den beiden zusammengezogen war, war der Junge drei Jahre alt. "Seine Mutter konnte sich krankheitsbedingt nicht um ihn kümmern und verzichtete sogar auf ihr Umgangsrecht. Daniel begann sehr bald, mich "Mama" zu nennen. Lange Zeit blieb ich nur mit seinem Vater zusammen, weil ich ihm nicht auch noch seine zweite "Mutter" nehmen wollte. Aber irgendwann ging es nicht mehr. Ich habe nach der Trennung noch einige Zeit versucht, zu Daniel Kontakt zu halten, aber sein Vater hat es ihm dann verboten. Das war schrecklich für mich. Aber ich verzichtete darauf, ihn heimlich zu treffen, um ihn nicht in weitere Konflikte zu stürzen."
*Namen von der Redaktion geändert
"Ich verstehe es nicht, und ich will es auch nicht verstehen!" – Das war die Reaktion der zwölfjährigen Nina*, als ihre Mutter ihr erzählte, dass ihr Vater aus dem gemeinsamen Haus ausziehen wird. Einige Monate zuvor war er schon in ein eigenes Zimmer gewechselt. "Nina war eine zeitlang sehr ernst und schweigsam, sonst ist sie eigentlich ein lebhafter Typ", sagt ihre Mutter Iris Kühne* rückblickend. "Erklärungen wollte sie nicht hören, ihr war nur wichtig, dass sie im Haus bleiben kann und ihr Vater herkommt, wenn er sie sehen will. Nach einem Gespräch mit einer Mediatorin haben wir das auch so beschlossen, obwohl es für mich nicht einfach war. Aber Nina hat es geholfen, dass sich an ihrem Alltag nichts geändert hat. Mit der Zeit hat sie die Situation akzeptiert."
*Namen von der Redaktion geändert
"Mich hat es eh schon genervt, dass ihr immer so schlecht gelaunt wart." – So hat Ninas Schwester, die vierzehnjährige Julia* reagiert, als sie erfuhr, dass ihre Eltern sich trennen. "Sie schien es zu verstehen und hat keinen weiteren Kommentar dazu abgegeben", sagt Mutter Iris Kühne. "Mit der Zeit wirkte sie richtig erleichtert, war freier und offener." Julia war es wichtig, ihren Vater sehen zu können, wann sie wollte. Wie ihre Schwester Nina wollte sie keine "zwei Zuhause" haben. "Sie kannte das von einer Freundin, deren Eltern auch getrennt waren, und fand es schrecklich", sagt Iris Kühne. Beide haben nie versucht, die Eltern wieder zusammenzubringen. "Dass es mir selbst nach der Trennung deutlich besser ging, war sicher auch eine hilfreiche Erfahrung für beide Mädchen", sagt Iris Kühne.
*Name von der Redaktion geändert