Du fehlst! Wie man mit der Trauer um das geliebte Haustier umgehen kann
Trauert man um einen Menschen anders als um ein Tier?
Ob sich die Trauer beim Tod eines Menschen von der Trauer um ein Tier unterscheidet, lässt sich nicht pauschal beantworten. „Menschen sind in der Regel stärker an andere Menschen gebunden als an Tiere“, sagt Prof. Dr. Hansjörg Znoj, ehemaliger Co-Direktor des Instituts für Psychologie der Universität Bern. Der Psychologe hat viele Jahre zum Thema Trauer geforscht. Für ihn ist Trauer die Reaktion auf den Verlust einer nahestehenden Person, was zu seelischem Schmerz, Traurigkeit oder Einsamkeit führen kann. Dies könne „auch bei einer ‚Tierliebe‘ der Fall sein“, sagt Znoj.
Je nachdem, warum und wie das Tier gestorben ist, kann die Schwere der Trauer unterschiedlich ausfallen, sagt Prof. Dr. Sandra Wesenberg. Die Sozialpädagogin arbeitet in einer Forschungsgruppe an der Technischen Universität Dresden, die sich mit Mensch-Tier-Beziehungen beschäftigt. „In vielen Familien werden Haustiere, vor allem Hunde und Katzen, von Kindern und Eltern als vollwertige Familienmitglieder angesehen“, sagt Wesenberg. „Besonders die Entscheidung, ein Tier einschläfern zu lassen, ist für viele Tierhalterinnen und Tierhalter sehr belastend.“
Eine Überblicksstudie von 2022 fasste 19 qualitative Arbeiten aus 17 Studien zusammen, die sich mit den psychosozialen Auswirkungen von Trauer und dem Verlust eines Haustieres befassten. Sie kam zu dem Schluss: Tierhalterinnen und Tierhalter, deren Haustier stirbt, können Gefühle empfinden, die mit dem Tod eines Menschen gleichzusetzen sind. In einer US-Studie aus dem Jahr 2003 wurden 174 Erwachsene befragt, die ihren Hund oder ihre Katze verloren hatten. Fast drei Viertel der Befragten gaben an, unmittelbar nach dem Tod geweint zu haben, 57 Prozent fühlten sich depressiv und 52 Prozent einsam. Fast ein Viertel der Befragten zeigte noch ein Jahr nach dem Tod Anzeichen von Trauer.
Wie geht die Gesellschaft mit der Trauer um ein Haustier um?
Laut einigen Forscherinnen und Forschern gibt es in der Gesellschaft eine „Hierarchie“ der Trauer. Der US-amerikanische Trauerforscher Dr. Kenneth J. Doka prägte dazu den Begriff des „disenfranchised grief“ (deutsch: entrechtete Trauer). Demnach gibt es in der Gesellschaft „angemessene“ und „unangemessene“ Trauerreaktionen, je nachdem, ob ein entfernter Verwandter, ein Elternteil oder ein Haustier gestorben ist. Das bestätigt auch Sandra Wesenberg. „Viele Tierbesitzerinnen und Tierbesitzer glauben, dass die Trauer über den Verlust eines Haustieres nicht gleichwertig mit der Trauer um einen geliebten Menschen gesehen wird oder dass ihnen ihre Trauer sogar abgesprochen wird.“ In einer Studie befragten Bruce Sharkin und Donna Knox Tierhalterinnen und Tierhalter, von denen sich viele schämten, um ihr verstorbenes Tier zu trauern. Und das Gefühl, mit der Trauer allein zu sein, mache sie noch schwerer erträglich, sagt Znoj.
Wie kann das Umfeld bei der Trauer um ein Haustier helfen?
Die Reaktionen von Freunden, der Familie oder Kolleginnen können den Trauerprozess entscheidend beeinflussen – positiv wie negativ, sagt Wesenberg. Verschiedene Studien beschäftigen sich mit Aussagen aus dem sozialen Umfeld, die für Betroffene belastend sein können. Verharmlosungen oder das Äußern von Unverständnis seien ein No-Go, sagt die Pädagogin. Dazu zählen Aussagen wie: „Es war doch nur eine Katze“, „Sie war alt“ oder „Du solltest langsam darüber hinwegkommen“. Auch Vorwürfe, mit dem Tier zu spät beim Tierarzt gewesen zu sein oder es nicht ausreichend versorgt zu haben, könnten Trauernde verletzen.
Für Wesenberg ist es wichtig, dass sich Tierbesitzerinnen und Tierbesitzer mit ihrer Trauer gesehen fühlen. „Gemeinsame Erinnerungen auszutauschen, bei der Gestaltung des Grabes zu helfen und einfach für die Trauernden da zu sein, kann schon viel helfen.“
Wie nimmt man Abschied von einem verstorbenen Haustier?
Rituale können beim Abschied helfen. Dazu gehören Trauerfeiern, das Basteln einer Fotocollage und ein Pfotenabdruck oder eine Urne im Regal. „All das kann helfen, den Verlust zu verarbeiten“, sagt Wesenberg. Nach dem Tod des Tieres kann man entscheiden, ob man es in eine Tierkörperbeseitigungsanstalt bringen oder einäschern lässt und sich die Asche später nach Hause holt.
Für die Bestattung gibt es verschiedene Möglichkeiten: In Berlin zum Beispiel auf Tierfriedhöfen, auf denen man das Grab gestalten kann. Es ist auch möglich, das verstorbene Tier im eigenen Garten zu bestatten. Die Bundesländer regeln dies unterschiedlich, nur in Bremen ist die Gartenbestattung aus umweltrechtlichen Gründen nicht erlaubt.
Wann man sich dann ein neues Haustier holen soll, dafür gibt es keine feste Regel. Wesenberg betont: „Ein neues Haustier sollte nicht als Ersatz für das alte dienen, sondern ebenfalls als Individuum gesehen werden und eine neue Beziehung ins Leben bringen.“
Wie geht man mit Schuld- und Schamgefühlen um?
„Schuldgefühle können aus der Einsicht entstehen, nicht genug getan zu haben, um den Tod zu verhindern“, sagt Psychologe Znoj. Sie seien sogar Teil der Trauer, weil sie die Kehrseite des Verantwortungsgefühls gegenüber den Angehörigen oder dem Haustier seien.
Sozialpädagogin Wesenberg sieht in Schuld- und Schamgefühlen auch eine soziale Frage. „Wenn das Geld für eine lebensrettende Operation nicht gereicht hat, können diese Gefühle sehr stark sein.“ Ein Trauertagebuch oder der Austausch mit Freundinnen und Freunden können helfen. Außerdem gibt es professionelle Trauerbegleitungen und lokale Tiertrauergruppen. Das Krankheitsbild „anhaltende komplexe Trauerreaktion“ wird laut Znoj „frühestens nach zwölf Monaten diagnostiziert – und auch nur dann, wenn ein klinisch bedeutsames Leiden erkennbar ist, das die Funktion im Alltagsleben einschränkt.“ Dann kann man sich professionelle Hilfe beim Hausarzt holen und etwa eine Trauertherapie beginnen.
Was sollten Eltern tun, wenn Kinder um ein Haustier trauern?
In vielen Fällen ist der Verlust des eigenen Haustieres die erste Begegnung von Kindern mit dem Tod eines Familienmitglieds. Laut einer Studie von 2020 kann der Verlust eines Haustiers sogar die psychische Gesundheit junger Kinder beeinträchtigen.
Wichtig sei, sagt Wesenberg, dass die Eltern den Tod nicht verschweigen. „Kinder brauchen je nach Alter und Entwicklungsstand ehrliche Informationen und emotionale Unterstützung.“ Die Forschung geht davon aus, dass Kinder etwa ab dem sechsten. Lebensjahr eine konkretere Vorstellung vom Tod entwickeln. Ein Fehler wäre es, den Kindern heimlich ein neues Tier zu kaufen, damit sie den Tod nicht mitbekommen, sagt Wesenberg. „Für viele Kinder sind Haustiere die besten Freunde, und um die sollen sie auch trauern dürfen.“
Quellen:
- Kimura, Y, Kawabata H, Maezawa M: Psychiatric Investigation of 18 Bereaved Pet Owners. In: J. Vet. Med. Sci. 01.01.2011, 73-8: 1083-1087
- Wrobel T, Dye A: Grieving Pet Death: Normative, Gender, and Attachment Issues. In: OMEGA - Journal of Death and Dying 01.12.2003, 47-4: 385-393
- Crawford KM, Zhu Y, Davis KA et al.: The mental health effects of pet death during childhood: is it better to have loved and lost than never to have loved at all?. In: Eur Child Adolesc Psychiatry 01.10.2021, 30-10: 1547-1558
- Sharkin, B S, Knox D: Pet loss: Issues and implications for the psychologist.. In: Professional Psychology: Research and Practice 01.01.2003, 34-4: 414-421
- Cleary M, West S, Thapa DK et al.: Grieving the loss of a pet: A qualitative systematic review . In: Death Stud. 01.01.2022, 46-9: 2167-2178