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Die Konfrontation mit der Realität ist manchmal hart. Zum Beispiel wenn man morgens in den Spiegel blickt. Wer sich danach am liebsten sofort wieder ins Bett verkriechen möchte, dem rät Eva Ullmann, einfach mal die Perspektive zu wechseln: Wieder eine Falte mehr? Mag sein. Aber dafür noch mehr Entfaltungsmöglichkeiten.

Sie lächeln? Geht doch! Mit einer Prise Heiterkeit startet man gut in den Tag, weiß Ullmann. Als Leiterin des Deutschen Instituts für Humor wirbt sie für die unterschätzte Kraft einer Fähigkeit, die nicht nur den Alltag leichter macht. Manchmal helfen Späße sogar, wenn die Kunst von Ärztinnen und Ärzten versagt.

Das Wissen um die Heilkraft des Humors begann mit grauenvollen Kreuzschmerzen. Es war Anfang der 1970er-Jahre, als der Amerikaner Norman Cousins eine niederschmetternde Diagnose erhielt: Spondylarthritis. Die chronische Entzündung der Wirbelsäule führte bei ihm zu unerträglichen Schmerzen.

Hilft Heiterkeit beim Heilungsprozess?

Doch Cousins gab nicht auf. Als Wissenschaftsjournalist hatte er davon gelesen, dass dunkle Stimmung Krankheiten verschlimmern kann. Könnte dann im Umkehrschluss Heiterkeit heilsam sein? Cousins verordnete sich Fernsehkomödien und witzige Bücher. Seine Beschwerden verschwanden und er verarbeitete seinen schier unglaublichen Fall in dem Buch „Der Arzt in uns selbst“.

Aber kann Humor wirklich heilen? Vor der Antwort auf diese Frage muss zunächst geklärt werden: Was ist Humor eigentlich? Einer, der es wissen muss, ist Felix Gaudo. Schon als Kind war es Gaudos größter Wunsch, Clown zu werden. Heute lebt er seinen Traum. Als Klinikclown schenkt er kranken Kindern Momente der Heiterkeit. Für die 2008 von dem Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen gegründete Stiftung „Humor hilft heilen“ gibt er als fachlicher Leiter außerdem Workshops.

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Dort lernt man nicht etwa, wie man erfolgreich Witze erzählt. „Humor ist nicht gleichzusetzen mit Komik. Es ist vielmehr eine Haltung dem Leben gegenüber“, sagt Gaudo. Ganz in der Art von Karl Valentin, der einmal meinte: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“ Gerade wenn es im Leben wenig sonnige Tage gibt, hilft Humor, innerlich einen Schritt beiseitezutreten. „Oft sieht man dann: So schlimm ist es ja gar nicht“, sagt Gaudo.

Humor schafft aber nicht nur Distanz. Er erzeugt auch Nähe. Natürlich nur, wenn man sich nicht auf Kosten anderer amüsiert. Das kann tief verletzen. Ein wertschätzender Humor wirkt dagegen wie ein soziales Schmiermittel unter Freunden, Kolleginnen, aber auch in der Beziehung zwischen Ärztin und Patient. Und ja, hier kann er sogar heilen helfen. Denn wenn die Kommunikation im Sprechzimmer klappt – das weiß man aus vielen Untersuchungen – hat das auch positive Effekte auf die Therapie.

Wie kann man Humor trainieren?

In den Humortrainings von Ullmann und Gaudo können medizinische Fachleute lernen, wie ein heiterer Umgang mit ihren Patientinnen und Patienten möglich ist. Denn: Humor hat man nicht einfach – oder eben nicht. „Wie jede kreative Fähigkeit muss man ihn trainieren – wie Klavierspielen“, sagt Gaudo. Ein Vorschlag von Ullmann: Beginnen Sie doch selbst mal im Wartezimmer einer Arztpraxis mit ein paar Humor-Fingerübungen. „Und warum sind Sie hier? Vielleicht, um jemanden kennenzulernen?“ Wer ein Gespräch so beginnt, endet eher nicht im Lamentieren über die Leiden, die einen wirklich hergeführt haben.

Auch beim Umgang mit Krankheiten ist Humor erlaubt. Die Grenze bestimmt die oder der Betroffene. Ullmann erinnert sich an eine Teilnehmerin, die an Brustkrebs erkrankt war und ihre Brüste Hanni und Nanni nannte. Im Workshop entwickelte sich ein Spiel daraus. Welche Namen könnte man noch finden? Ernie und Bert? Thelma und Louise? „Die Patientin fand das großartig“, erzählt Ullmann.

Wie wirkt sich Humor auf unseren Körper aus?

Doch warum wirkt Humor so positiv? Was passiert in unserem Körper, wenn wir lachen oder einfach das Leben von seiner heiteren Seite betrachten? Heute weiß man: eine Menge. Es ist bekannt, dass sich beim Lachen unsere Muskulatur entspannt. Schließlich heißt es nicht umsonst: „Ich lach‘ mich schlapp.“ Aber Heiterkeit löst auch etwas in unserer Seele. Professorin Barbara Wild ist Psychiaterin und Psychotherapeutin und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Wirkung von Humor.

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Sicher ist: „Wer lacht, kurbelt die Ausschüttung bestimmter Hormone an“, sagt sie. Zum Beispiel die des Kuschel- und Bindungshormons Oxytocin. Gemeinsam zu lachen schweißt also in der Tat zusammen. „Man konnte zudem nachweisen, dass Endorphine freigesetzt werden“, sagt Wild. Die Glückshormone fluten den Körper nicht nur, während man vor sich hin kichert. Auch eine Stunde später linderte Humor noch Schmerzen, wie Versuche zeigten.

Hilft lachen gegen Stress?

Bei manchen Krankheiten kann Humor sogar ein wirksamer Bestandteil der Therapie sein. Das bestätigte zum Beispiel eine Studie, an der Wild selbst mitgewirkt hat. Die Testpersonen litten an fortgeschrittener Angina Pectoris, der sogenannten Herzenge. Für die Untersuchung erhielten sie regelmäßige Humortrainings – mit einem positiven Effekt nicht nur auf ihre Lachmuskeln. „Stress ist bei dieser Krankheit Gift“, sagt Wild. Wie hoch der Stresspegel ist, lässt sich auch anhand des Hormons Cortisol abschätzen, das sich im Haar einlagert. Proben zeigten: Wer vor dem Training viele Stresshormone im Körper hatte, war danach deutlich entspannter.

Wie kann man Humor ausprobieren?

Humor macht das Leben also nicht nur leichter. Er ist rundum gesund. Doch was, wenn man sich mehr Heiterkeit wünscht, diese sich aber einfach nicht einstellt? Wild rät, sich zunächst die Frage zu stellen: Wie steht es denn eigentlich mit meinem eigenen Humor? Bin ich eher der Loriot- oder Mr. Bean-Typ? Mag ich feinen Sprachwitz oder Komödien, die eher derb daherkommen?

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„Je mehr man sich mit Humor beschäftigt, desto eher stellt er sich ein“, sagt Wild. Ein guter Weg ist es auch, sich bewusst in die Gesellschaft von Menschen zu begeben, die das Leben etwas leichter nehmen. Zudem rät die Psychotherapeutin: „Mutig sein, ausprobieren, zum Beispiel mit den Enkelkindern.“ Und wenn ein Spaß mal voll danebengeht, sich bloß nicht kleinkriegen lassen. „Das ist jedem Komiker und jeder Komikerin schon passiert“, beruhigt Klinikclown Gaudo.

Ullmann rät für die Humorpflege auch, Tagebuch zu schreiben und jeden Tag eine kleine Geschichte festzuhalten, die schön und lustig war. „Das ist wie ein Konto, auf das man einzahlt“, sagt sie. „Und wenn es einem nicht so gut geht, nimmt man das Buch in die Hand, liest eine Geschichte – und hebt so einfach etwas von seinem Konto ab.“

„Für Humor braucht es Mut“

Im Interview erklärt der Psychotherapeut Michael Titze, was Humor mit Selbstakzeptanz zu tun hat und wie jeder Humor erlernen kann.

Herr Titze, Humor ist gesund. Aber was mache ich denn, wenn ich ein humorloser Keks bin?

Michael Titze: Da müssen wir vorab klären, was Humor eigentlich ist. Die treffendste Definition kommt vom US-amerikanischen Komiker Groucho Marx: „Humor ist verrückt gewordene Vernunft.“

Das müssen Sie erklären.

Titze: Was uns als Erwachsenen im Wesentlichen den rechten Weg weist, ist die Vernunft. Dementsprechend orientieren wir uns in unserem Alltagsleben an dem, was von uns im gesellschaftlichen Leben erwartet wird. Das ist das Normale. Über diese durch die Vernunft fixierte Leitplanke setzt sich der Humor kurzerhand hinweg.

Wie das?

Titze: Indem unserem „inneren Kind“ uneingeschränkter Freiraum gewährt wird. In der Welt des Kindes herrscht das kreative Chaos. Wenn wir uns als Erwachsene darauf einlassen, dann wirken wir albern, schräg, komisch. Die Vernunft wird dabei vorübergehend außer Acht gelassen. Das wird seit jeher von närrischen Karnevalisten praktiziert.

Und kann denn jeder Mensch humorvoll sein?

Titze: Es gibt von Natur aus selbstgenügsame, zurückhaltende Menschen. Und es gibt Menschen, die leutselig und draufgängerisch sind. Manche sind ungeniert, andere schüchtern. Das ist deren Persönlichkeit seit Kindheitstagen. Der erste Schritt, um zum eigenen Humor zu finden, ist, sein eigenes Wesen uneingeschränkt anzunehmen. Der griechische Dichter Pindar brachte es auf den Punkt: „Werde, der du bist.“

Ich soll also zu dem stehen, was ich eh schon bin. Und dann entwickle ich Humor?

Titze: Stellen Sie sich einen ganz zurückgenommenen Menschen vor. Der wird gefragt, warum er so selten zu Partys kommt. Viele in seiner Situation wollen ihre Schüchternheit verheimlichen. Humorig wäre, seine scheinbare Charakterschwäche ohne Wenn und Aber einzugestehen, sie sogar hemmungslos zu überzeichnen. Dann könnte er antworten: „Partys liegen mir überhaupt nicht. Ich habe nämlich eine ultrakrasse Sozialphobie.“ Das nennt man eine paradoxe Intention.

Braucht es dafür nicht viel Selbstbewusstsein?

Titze: Es braucht Mut. Mut zur Unvollkommenheit und zur Lächerlichkeit. Viktor Frankl, Vater des therapeutischen Humors, sagte: Wenn ein Mensch in der Lage ist, diesen Mut zur Lächerlichkeit zu haben und sich nicht zu genieren, mögliche Peinlichkeiten zu offenbaren, dann hat er direkten Zugang zum Humor.

Und was ist heilsam daran?

Titze: Wenn wir uns unserer Schwächen schämen, wird es anstrengend. Mit dem Alter nehmen die Schwächen zwangsläufig zu. Wir sind körperlich nicht mehr so fit, werden vergesslicher, dafür haben wir mehr Altersflecken. Wer versucht, das zu verbergen oder zu überspielen, endet in einer Tragikomödie.

Was dem Selbstwert sicher nicht gut tut, oder?

Titze: Genau. Aber wenn jemand humorvoll zu Schwächen und Gebrechen steht, die ja alle von uns irgendwie haben – dann wird das vom Gegenüber in aller Regel nicht verachtet, sondern sogar bewundert. Das steigert den Selbstwert.

Ein Hoch auf Ehrlichkeit und Selbstakzeptanz.

Titze: Ich habe oft festgestellt: Menschen, die andere bewusst zum Lachen bringen, indem sie zur eigenen Unvollkommenheit stehen, kommen besser an. Sie wirken einfach spritziger und souveräner. Gleichzeitig werden sie mit mehr Glückshormonen versorgt, was wiederum das Selbstvertrauen stärkt.

Klingt sehr erstrebenswert. Wer lacht eigentlich mehr – Männer oder Frauen?

Titze: Meines Erachtens sind Männer nach wie vor stärker davon geprägt, ihre Gefühle zu kontrollieren. Folglich fällt es ihnen schwerer, so ausgelassen zu lachen, wie viele Frauen das vermögen.

Es gibt humorbezogene Therapien. Vielleicht sollten da mal einige hingehen?

Titze: Sie sind definitiv etwas für Menschen, die in ständiger Angst leben, etwas falsch zu machen und dadurch peinlich aufzufallen. Oder für Personen, die den Anspruch haben, immer perfekt sein zu müssen. Die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, gibt Kraft. Mit Humor können wir die Welt positiver wahrnehmen.


Quellen:

  • Cousins, Norman: Der Arzt in uns selbst. Wie Sie Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren können. Rororo. 1996.

  • Stiwi K, Rosendahl J: Efficacy of laughter-inducing interventions in patients with somatic or mental health problems: A systematic review and meta-analysis of randomized-controlled trials . Complement Ther Clin Pract.: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.06.2024)
  • Scheel T, Hoeppner D et al.: Clowns in Paediatric Surgery: Less Anxiety and More Oxytocin? A Pilot Study, Clowns in der Kinderchirurgie: weniger Angst und mehr Oxytocin? Eine Pilotstudie. Klin Padiatr: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.06.2024)
  • Dunbar R I M, Baron R et al.: Social laughter is correlated with an elevated pain threshold. Proc. R. Soc. B.: https://royalsocietypublishing.org/... (Abgerufen am 26.06.2024)
  • Voss M , Wild B , von Hirschhausen E et al.: Effect of humor training on stress, cheerfulness and depression in patients with coronary artery disease and refractory angina pectoris. Herz: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.06.2024)