Kommentar: Mein Körper, deine Meinung
Jede dritte Frau und jeder vierte Mann fühlt sich im eigenen Körper nicht mehr wohl genug, um in den Strandurlaub zu fahren, zeigt eine Umfrage der Pronova BBK. Und 43 Prozent der unter 30-Jährigen finden das sei richtig so – weil man sich bei Übergewicht vermeintlich nicht in Badekleidung zeigen sollte.
Obwohl sich immer mehr Menschen gegen Tabus und für mehr Selbstliebe einsetzen, zeigen die Zahlen, wie tief Vorurteile über Menschen mit mehr Gewicht in der Gesellschaft stecken – und wie sehr Betroffene die negative Wahrnehmung verinnerlicht haben. Es wird höchste Zeit für mehr Nachsicht, mit uns selbst und anderen. Damit Körper endlich wieder nur Körper sind.
Viele Selbstoptimierungs-Möglichkeiten machen Druck
Ob überzählige Kilos, faltige Haut, Zellulite oder Akne – es gibt kaum etwas, was man nicht am eigenen Körper ändern könnte. Der Markt für Schönheitschirurgie, Kosmetik, Fitness und Diäten wirft viel Geld ab. Gleichzeitig wird vermittelt, dass es mithilfe passender Produkte möglich sei, den Körper zu verbessern. Das heißt: Jede oder jeder ist selbst für das eigene Aussehen verantwortlich.
„Im Grunde selbst Schuld“ ist jedoch eine der größten Fehlannahmen, gerade über das Körpergewicht. Faktoren wie Werbung, Umfeld und Erziehung beeinflussen unseren Zugang zu einem gesunden Lebensstil. Ganz abgesehen vom individuellen Stoffwechsel, sozialer Lage, finanziellem Status oder mentaler und körperlicher Belastung einer Person.
Den allermeisten Betroffenen ist bewusst, dass ihr Lebensstil sie körperlich und mental mitunter belastet, dass sie sich mehr bewegen und gesünder ernähren sollten. Sie schaffen es nur aktuell nicht.
Nicht perfekt sein – eine wichtige Erkenntnis
Hier beginnt Nachsicht: nämlich bei der Tatsache, dass Menschen weder immer alles an sich verbessern müssen, noch können. Und, dass das auch nicht so wichtig ist.
Das Konzept „Selbstliebe“ spielt in diesem Kontext auch häufig eine Rolle, wird jedoch chronisch damit verwechselt, sich bedingungslos toll zu finden. Eigentlich steht es für das genaue Gegenteil: für die Erkenntnis, dass wir nicht perfekt sind und dass das in Ordnung ist. Bewegungen wie „Body Positivity“ werben mit dem Gedanken, den eigenen Körper zu lieben und schließen gleichzeitig kategorisch diejenigen aus, die es okay finden, den Körper nicht okay zu finden. Auch dem positiven Extrem fehlt es also an Nachsicht: Bei dem Druck von außen und gerade durch Social Media ist es verständlich, dass wir manchmal unzufrieden mit uns sind, etwas ändern wollen. Im Falle von starkem Übergewicht ist das medizinisch ja auch sinnvoll. Doch ein in unseren Augen nicht perfekter Körper hat immer noch das Recht, am Strand zu liegen. Im Gegenteil: Er profitiert vielleicht sogar von der Entspannung dort.
Nachsicht mit dem eigenen und anderen Körpern
Weder Kommentare, die auf die Schwachstellen des Körpers anderer aufmerksam machen, noch solche, die vorgeben, wie man den Körper zu lieben hat, stehen wirklich für ein gesundes Verhältnis zum Körper. Nachsicht meint, den Körper mit seinen Stärken und Schwächen wahrzunehmen und nicht so hart mit sich und anderen zu sein.
Das könnte idealerweise auch zeigen: Körperformen bekommen mehr Aufmerksamkeit als sie verdienen. Schöner wäre es doch, sich darauf zu konzentrieren, was sich für den Körper gut anfühlt. Für den Strandurlaub könnte das zum Beispiel bedeuten, die frische Luft, das Wasser, ein wenig Sonne auf der Haut und den weichen Sand unter den Füßen zu genießen. Und andere Körper andere Körper sein zu lassen.
Quellen:
- Pronova BKK: Schönheitsideale: 43 % der unter 30-Jährigen finden, Übergewichtige sollten sich nicht in Badekleidung zeigen, . https://www.pronovabkk.de/... (Abgerufen am 06.08.2024)