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Was ist das Geheimnis, um den passenden Menschen fürs Leben zu finden? Für Heidi Möller, Psychologie-Professorin an der Universität Kassel, liegt der Schlüssel für Liebe und Freude bereits in der frühen Kindheit. Im Interview erklärt sie, warum unsere Partnerwahl nicht zufällig ist, wie wichtig erfüllte Wünsche und Bedürfnisse sind und wie sich positive Gefühle voll auskosten lassen.

Frau Professorin Möller, sind wir in Liebesdingen hormongesteuerte Marionetten?

Möller: Ich bin keine Anhängerin solcher Theorien. Das würde bedeuten, dass wir all das, was unser komplexer Verstand sonst noch kann, komplett ignorieren. Kulturelle und soziale Faktoren spielen auch ­eine große Rolle, wenn wir uns verlieben. Menschen verstehen sehr unterschiedliche Dinge unter Liebe. Manche Paare sind nahezu verschmolzen, andere brauchen viel Freiheit. Ich bin überzeugt, dass unsere früheren Erfahrungen uns Richtung geben: Jedes Finden ist ein Wiederfinden.

Wie meinen Sie das mit Finden?

Möller: Wenn wir auf Partnersuche sind, und da sind zum Beispiel 40 großartige Männer oder Frauen, dann reagieren wir auf manche stark und auf andere wiederum gar nicht. Die Psychoanalyse sagt: Das ist kein Zufall. Es braucht gewisse Anklänge an unsere frühe Kindheit. An das, was wir kennen. Die Geborgenheit von einst aus dem Elternhaus und zugleich die richtige Mischung aus Neuem und Aufregendem.

Kann das nicht hormonell bedingt sein?

Möller: Der Unterschied zur hormonwissenschaft­lichen Orientierung ist der, dass wir sagen: Unsere Partnerwahl ist nicht zufällig. Es geht nicht vorrangig darum, mit wem wir die meisten Nachfahren zeugen oder wer der Stärkste ist. So primitiv reagieren wir aus meiner Sicht nicht. Aber wir haben innere Konstellationen, die uns zu einer ­Person hinziehen. In Fragen des Temperaments sind das eher Gegensätze. Bei Werten oder dem sozialen Milieu, aus dem wir kommen, bevorzugen wir Gleichheit.

Sind unsere Gefühle demnach erlernt?

Möller: Wir haben sieben Basisaffekte. Dazu zählen Freude, Trauer, Angst, Wut, Ekel, Verachtung, Überraschung. Diese Affekte haben wir mit der Geburt mitbekommen und sie sind auf der ganzen Welt gleich. Aber wie sie jeweils ausgedrückt werden, ist dann schon auch Frage der Kultur. Menschen in Lateinamerika drücken ihre Freude anders aus als Japanerinnen und Japaner. Gefühle sind also etwas Grundsätzliches, was dann gesellschaftlich überformt wird.

Wie funktioniert diese Überformung?

Möller: Die angeborenen Affekte sind zunächst recht einfach. Aber im Lauf der ersten Jahre entsteht eine sogenannte Affektdifferenzierung. Durch die richtige Benennung durch die „caring persons“ – also die Bezugspersonen wie Mama und Papa – entwickeln wir die Fähigkeit, zwischen verschiedenen emotionalen Zuständen zu unterscheiden. Diese Kompetenz ist wichtig, um angemessen auf Situationen reagieren zu können und um Gefühle zu regulieren. Wie gehe ich mit Wut um? Wie mit Freude oder auch Verliebtsein?

Eltern können ihre Kinder dabei unterstützen, Affektdifferenzierung zu lernen, indem sie ihnen helfen, ­ihre Emotionen zu erkennen und zu benennen. Eltern können auch ein gutes Vorbild sein, indem sie ihre eigenen Emotionen ausdrücken und regulieren. Je besser sich die „caring person“ in die Bedürfnisse des Kindes von Geburt an einfühlt, umso stimmiger sind Gefühlswahrnehmung und Gefühlsausdruck. Das macht die Bandbreite an Emotionen aus. Und: Je breiter das Spektrum, desto besser.

Es geht nicht vorrangig darum, mit wem wir die meisten Nachfahren zeugen oder wer der Stärkste ist. So primitiv reagieren wir aus meiner Sicht nicht.

Warum fällt es manchen Menschen so schwer, Freude und Liebe zu empfinden?

Möller: Weil die Gefühle blockiert wurden. Das kann etwa durch Angst oder Schuldgefühle passieren. Stellen Sie sich vor, Sie werden in einer Familie groß, in der ein Elternteil psychisch oder physisch krank ist. Dann entstehen Schuldgefühle im Kind und es fragt sich, ob es fröhlich sein darf, wenn die Mama leidet. Dann kann es passieren, dass diese kindliche Freude und Begeisterungsfähigkeit gehemmt wird. Freude kann aber auch durch gesellschaftliche Normen überschrieben werden. „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ als Motto unterstützt das Gefühl der Freude sicher nicht.

Wie werde ich solche Blockaden los?

Möller: Indem ich mir als erwachsener Mensch bewusst mache, dass mich heute niemand mehr daran hindert, meine Gefühle voll auszukosten. Wir können uns von einschränkenden Erfahrungen befreien. Kinder sind mit ihrem Leben auf ihre Eltern angewiesen. Aber als 30-Jähriger kann ich sagen: Ich befreie mich aus diesem Käfig. Eventuell mithilfe einer Psychotherapie. Ich kann Gefühle heute anders ausleben. Ich muss nicht immer brav sein.

Wie wichtig sind positive Gefühle wie Liebe und Freude für unser Leben?

Möller: Sie sind das Brot und die Butter. Sie sind die wichtigsten Antriebe des menschlichen Verhaltens. Sind unsere Wünsche und Bedürfnisse erfüllt, stellt sich Zufriedenheit oder sogar Glück ein. Wir wollen Genuss, wir wollen Liebe, wir wollen gute Laune.

Wie lässt sich das Leben mit seinen positiven Gefühlen voll auskosten?

Möller: Indem wir im Hier und Jetzt leben. Konzentrieren Sie sich auf das, was gerade in Ihrem Leben passiert, und lassen Sie sich von den positiven Erfahrungen tragen. Regis­trie­ren Sie die kleinen Freuden des Lebens. Verbringen Sie viel Zeit mit Menschen, die Ihnen guttun. Tun Sie Dinge, die Ihre Leidenschaft entfachen. Meditation und Achtsamkeitsübungen können Ihnen dabei helfen, das Leben intensiver wahrzunehmen. Bleiben Sie offen für neue Erfahrungen und vermeiden Sie negative Gedankenmuster.

Welche Macht geben Sie den Gefühlen?

Möller: Sie sind immer stärker als der Verstand. Und trotzdem werden wir nicht glücklich, wenn wir einfach unseren Affekten folgen. Wir müssen beides zusammenbringen – Verstand und Gefühl.

Wie bei Jane Austens Roman „Verstand und Gefühl“.

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Quellen:

  • Heidi Möller: Prof. Dr. Heidi Möller, Professorin für Theorie und Methodik der Beratung. Universität Kassel: https://www.uni-kassel.de/... (Abgerufen am 27.04.2023)