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Es ist so eine Sache mit der gesunden Ernährung und dem Einkauf im Supermarkt. Denn, Hand aufs Herz, machen Sie sich immer die Mühe, die Nährwertangaben auf den Verpackungen zu vergleichen? Den Gehalt an Kalorien, Fett und Eiweißen etwa. Und wie war das noch gleich mit den Kohlenhydraten? Wie viel Zucker ist eigentlich für eine ausgewogene Ernährung vertretbar? Und wenn das eine Müsli mehr Zucker hat, das andere dafür mehr Fett, welches ist dann besser für mich?

Kein Wunder, dass viele lieber zur gewohnten Marke greifen oder zum Produkt mit dem ansprechendsten Verpackungs­design. Die gesunde Ernährung allerdings bleibt dabei leicht auf der Strecke.

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Nutri-Score für gesündere Entscheidungen beim Einkauf

Dabei täte ein bisschen mehr Achtsamkeit bei der Auswahl von Lebensmitteln gut: 47 Prozent der Frauen, 62 Prozent der Männer und 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind übergewichtig oder sogar fettleibig. Dabei fehlt es nicht an gutem Willen. Laut aktuellem „Ernährungsreport“ stufen 91 Prozent der Verbraucher gesundes Essen als wichtig ein. Da liegt die Vermutung nahe, dass ihnen schlicht der Durchblick im Ernährungsdschungel fehlt.

Eine neue Lebensmittel-Kennzeichnung soll jetzt mehr Orientierung bieten: der Nutri-Score. Seit November 2020 dürfen die Vorderseiten von Verpackungen in Deutschland damit bedruckt werden. Das soll Verbraucher bei der Kaufentscheidung unterstützen und unsere Ernährungsgewohnheiten insgesamt gesünder machen.

Vergleich auf einen Blick

Der Nutri-Score ist eine Ampel mit fünf Farben und zusätzlichen Buchstaben. Es gibt ein dunkelgrünes A, ein hellgrünes B, ein gelbes C, ein orangerotes D und ein rotes E. Wie ein Lebensmittel bewertet wird, richtet sich nach seinem gesamten Nährstoffprofil. Für günstige Bestandteile werden Minuspunkte vergeben. Sie werden mit den Pluspunkten für ungünstige Inhaltsstoffe zu einem Gesamtwert verrechnet. Daraus ergibt sich schließlich die Zuordnung zu einem farblich zugeordneten Buchstaben.

„Wir begrüßen sehr, dass in Deutschland Lebensmittelhersteller ihre Produkte jetzt mit dem Nutri-Score kennzeichnen dürfen. Dafür haben wir uns gemeinsam mit anderen Verbänden und Fachgesellschaften jahrelang eingesetzt“, sagt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und ergänzt: „Das System erlaubt es Verbrauchern, Produkte im Supermarkt auf einen Blick zu vergleichen. Und zwar sehr unkompliziert und intuitiv.“

Franzosen kaufen gesünder ein

Der Nutri-Score wurde in Frankreich entwickelt. Dort hat er bereits im Jahr 2017 Einzug in die Supermarktregale gehalten. Wissenschaftler untersuchten, wie sich diese Markierung von Lebensmitteln auf das Einkaufsverhalten auswirkt. Tatsächlich motivierte sie ausgewählte Versuchsteilnehmer dazu, Produkte mit günstigerer Nährstoffzusammensetzung auszuwählen. Die französischen Forscher berechneten daraus, dass sich die Kennzeichnung positiv auf die Gesundheit auswirken könnte.

Harte Daten zum Einkaufsverhalten in den französischen Supermärkten existieren bislang allerdings nicht. Einer aktuellen Befragung zufolge gaben immerhin 57 Prozent der Teilnehmer an, sie hätten auf Grundlage des Nutri-Scores in mindestens einer Produktgruppe ihre bevorzugte Auswahl angepasst.

Nur begrenzt aussagekräftig

Doch die Aussagekraft der Fünf-Farben-Ampel hat Grenzen. Zum Beispiel bildet der Nutri-Score nicht ab, ob Konservierungsmittel, künstliche Aromen oder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthalten sind.

„Ein einfaches Ampel-System kann die Ernährung und den Stoffwechsel natürlich nicht umfassend berücksichtigen“, erklärt Dr. Benedikt Merz, Ernährungsforscher am Max Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe. Das sei aber auch gar nicht das Ziel. Die Kennzeichnung unterscheidet auch nicht zwischen „gesund“ und „ungesund“ – zumal sich das System nur auf verpackte und industriell verarbeitete Lebensmittel bezieht, nicht jedoch auf frisches Obst und Gemüse oder Brot vom Handwerksbäcker.

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Pizzen kann man nicht mit Äpfeln vergleichen

„Der Nutri-Score dient dazu, verschiedene Produkte aus einer Gruppe zu vergleichen“, erklärt Verbraucherschützerin Holzäpfel. „Er hilft also, verschiedene Tiefkühlpizzen oder Fruchtjoghurts miteinander zu vergleichen oder eine Wahl zu treffen zwischen einem Getreidemüsli und zuckerlastigen Cerealien.“ Der Nutri-Score greift also erst, wenn die Kaufentscheidung für Pizza, Fruchtjoghurt oder Frühstücksflocken bereits gefallen ist. Im besten Fall, so die Idee hinter dem Ampelsystem, greift der Verbraucher dann zur Variante mit der günstigeren Nährstoffzusammensetzung. „Wenn das gelänge, wäre ich schon zufrieden“, sagt Merz.

Doch die Kennzeichnung hat manche Überraschung parat. So kann auf einer Packung mit Tiefkühl-Pommesfrites durchaus ein dunkelgrünes A prangen. Denn es bezieht sich allein auf die Kartoffelstäbchen, die in der Tüte stecken. Wie sie zubereitet werden – also etwa fettarm im Ofen oder in der Heißluftfritteuse oder frittiert im heißen Fett –, berücksichtigt die Ampelfarbe nicht. Und damit auch nicht die Anzahl an Kalorien, die tatsächlich aufgenommen werden.

Der Nutri-Score ist nicht verpflichtend

Noch ist die Fünf-Farben-Ampel in Deutschlands Supermarktregalen äußerst selten anzutreffen. „Im Süßwarenregal habe ich noch kein einziges Produkt mit Nutri-Score entdeckt“, sagt Holzäpfel. Ein Grund dafür: Die Kennzeichnung ist freiwillig. „Wir brauchen eine verbindliche Kennzeichnungspflicht“, fordert Sarah Häuser von der Verbraucherorganisation Foodwatch.

„Dann werden Werbelügen, die beispielsweise zucker- und fettlastige Produkte als ‚fit‘ oder ,vollkornhaltig‘ anpreisen, endlich entlarvt.“ Häuser hofft zudem, dass eine verpflichtende Markierung von Lebensmitteln mit dem Nutri-Score die Nahrungsmittelindustrie dazu motivieren könnte, gesündere Produkte herzustellen.

Der Ernährungswissenschaftler und Buchautor Uwe Knop hat diesbezüglich Bedenken: „Meine Befürchtung ist eher, dass Rezepturen mit Füllstoffen verändert werden, die das Produkt eher minderwertiger machen.“

Essen will gelernt sein

Noch bleiben also viele Fragen offen. „Vor allem wird es eine Menge Aufklärungsarbeit brauchen, um die Bevölkerung über die Bedeutung und sinnvolle Interpretation der Kennzeichnung in Kenntnis zu setzen“, sagt Ernährungswissenschaftler Merz. Es müsse klar sein: „Ausschließlich auf den Nutri-Score zu achten, kann keine gesundheitsförderliche Ernährung ausmachen.“ Vielmehr handle es sich um einen Baustein von vielen, die gemeinsam dazu beitragen, die Ernährung und die Gesundheit der Bevölkerung zu optimieren.

Jeder Einzelne muss sich weiterhin selbst um einen vernünftigen Speiseplan bemühen. Für Knop ist dabei vor allem eins zentral: „Versuchen Sie auch jenseits von Kennzeichnungen, darauf zu achten, welche Lebensmittel Ihnen guttun und in welchen Mengen.“ Das sei der wichtigste Schritt hin zu Gesundheit und Wohlbefinden.

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