Vergorenes Gemüse im Glas: Warum Fermentieren so gesund sein soll
Wer einen eigenen Garten hat oder Gemüse auf dem Balkon züchtet, weiß im Spätsommer oft nicht wohin mit der Ernte. Zucchini, Gurken und Kürbisse gibt es jetzt im Überfluss. Eine nachhaltige Methode, Gemüse haltbar zu machen, ist das Fermentieren. Und das geht im Prinzip ganz einfach: Das Gemüse wird gewaschen, kleingeschnippelt und in Gläsern mit Salzlake bedeckt. Die gemüseeigenen Milchsäurebakterien wirken und setzen Gärprozesse in Gang.
Für die Würzmittel Miso oder Natto – fermentierte Sojabohnen, die viele Speisen in der asiatischen Küche aufpeppen – braucht man zum Fermentieren spezielle Bakterien- oder Pilzkulturen.
Warum gilt fermentiertes Gemüse als besonders gesund?
- Während des Gärvorgangs ändern sich der Geschmack und die Struktur von Gemüse. Gurken zum Beispiel werden saurer und viel weicher. Für manch einen sind die neuen Aromen und Konsistenzen ein Anreiz, öfter Gemüse zu essen.
- Die Milchsäuregärung ändert den gemüsetypischen Mix an Inhaltstoffen. So sinkt der Zuckeranteil, während der Gehalt an Mikronährstoffen wie zum Beispiel Vitamin K und die Gruppe der B-Vitamine steigt.
- Fermentiertes Gemüse ist bekömmlicher. Es kann bei bestimmten Verdauungsbeschwerden helfen. So konnte Sauerkraut in einer kleinen norwegischen Studie die Symptome bei einem Reizdarmsyndrom lindern. Um die Wirkung sicher zu beweisen, sind aber weitere Studien erforderlich.
- Fermentiertes enthält lebende Milchsäurebakterien, denen eine probiotische Wirkung zugeschrieben wird. Sie können das Darmmikrobiom in Balance bringen und sollen so das Immunsystem unterstützen.
- Wie Fermentiertes über den Darm Einfluss auf die mentale Gesundheit nimmt, wird derzeit erforscht.
Können fermentierte Lebensmittel Nachteile haben?
Fermentierte Lebensmittel können manchen Leuten auch Probleme bereiten. Sie enthalten oft hohe Mengen an Histamin, was bei Menschen mit Histaminintoleranz zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Hautausschlägen und Magen-Darm-Beschwerden führen kann.
Einige Menschen vertragen fermentierte Lebensmittel nicht gut und können Verdauungsstörungen wie Blähungen, Bauchschmerzen oder Durchfall erleben. Dies kann auf individuelle Unterschiede in der Darmflora oder bestehende gesundheitliche Probleme zurückzuführen sein.
Was benötigt man, um Gemüse zu fermentieren?
- Junges, erntefrisches Bio-Gemüse wie Zucchini, Kohlrabi, Gurken, Kürbis, Radieschen, auf keinen Fall gammelige Reste. Am besten eignet sich biologisch angebautes Gemüse, es enthält mehr natürliche Milchsäurebakterien und weist weniger Pestizidrückstände auf.
- Kräuter und Gewürze nach Gusto, zum Beispiel Thymian, Rosmarin, Rauchpaprika, Senfkörner. Einfach nach Lust und Laune experimentieren, was die eigenen Geschmacksknospen mögen.
- Frisches Leitungswasser.
- Naturbelassenes Salz ohne Zusätze (Meer-, Stein- oder Ursalz).
- Einmachgläser in verschiedenen Größen und Formen mit Glasdeckel, Gummiring und Klammern. Auch Drahtbügelgläser mit Gummiring sind ebenso wie Gläser mit zweiteiligen Deckeln geeignet. Außerdem Glasgewichte oder kleine Glasdeckel zum Abdecken der Oberfläche.
- Digitalwaage.
- Messer, sauberes Schneidebrett und Gemüsehobel.
- Stampfer oder großen Löffel sowie eine Bürste und saubere Tücher oder Papierhandtücher zum Abtrocknen des Gemüses.
Wie bereitet man Gemüse richtig aufs Fermentieren vor?
- Das Gemüse mit der Bürste säubern. Dann unter fließendem Wasser abbrausen und putzen.
- Hygiene ist wichtig, damit keine schädlichen Bakterien in die Gläser kommen. Die Fermentista Sibylle Hunger aus Kolbermoor in Bayern rät, die Gläser mit heißem Wasser auszuspülen. Ältere oder verstaubte Gläser aus dem Keller vorab mit kochendem Wasser sterilisieren.
- Gemüse mit einem sauberen Messer je nach persönlicher Vorliebe und Glasgröße in Stücke schneiden oder mit einem Hobel fein raspeln.
Wie werden die Gläser fürs Fermentieren befüllt?
- Zum Ausprobieren lieber erst einmal kleinere Gläser verwenden. Falls etwas schiefgeht – und sich zum Beispiel Schimmel bildet – muss man nicht so viel wegwerfen. Und man kriegt sie, einmal geöffnet, besser im Kühlschrank unter.
- Die Gläser etwa zu 80 Prozent mit der angegebenen Füllmenge befüllen. In der Regel bleibt also eine Daumenbreite unter dem Glasrand frei. Das gilt auch, wenn das Gemüse mit Lake aufgefüllt wird. Das Wasser für die Lake zählt zum Gemüsegewicht dazu.
- Das Gemüse abwiegen. Das Gewicht mit dem Faktor 0,02 multiplizieren und diese Menge an Salz ebenfalls abwiegen. Entweder das Salz direkt zum Gemüse geben und kräftig durchkneten. Oder mit dem Salz eine Lake ansetzen.
- Das Gemüse ins Glas einfüllen und zum Beispiel mit einem Stampfer nach unten drücken, sodass keine Luft zwischen den Gemüsestückchen bleibt. Das Gemüse muss komplett mit Flüssigkeit bedeckt sein. „Nichts sollte aus dem Saft oder der Lake herausragen“, so Sibylle Hunger.
- Nach dem Befüllen ein Glasgewicht oder kleineren Einmachglas-Deckel zum Beschweren einlegen, leicht andrücken. Glasränder mit sauberem Tuch abwischen und trocknen. Gummiring in den Deckel einlegen. Deckel aufsetzen und prüfen, ob der Ring richtig sitzt. Klammern drauf, fertig.
Wie lange dauert das Fermentieren?
Jetzt ist Geduld gefragt: Die Gläser etwa eine Woche lang bei Zimmertemperatur (ca. 20 bis 22 Grad) aufbewahren. Dann ist ein guter Zeitpunkt für eine erste Sichtkontrolle. Weißliche Hefebeläge einfach abschöpfen, sie sind harmlos. Hat sich Schimmel auf dem Gemüse gebildet, muss der Inhalt des Glases entsorgt werden. In diesem Fall sind nicht erwünschte Mikroorganismen in das Gärgut gekommen, zum Beispiel durch den Kontakt mit Sauerstoff. Deshalb sollte man während der Gärung auch nicht am Gummi ziehen oder das Glas öffnen.
Alles sieht fein aus? Ab der zweiten Woche sollten die Fermente im kühleren Keller (etwa 17 Grad) lagern. Gläser immer auf ein Tuch stellen, da beim Gärprozess Blasen aufsteigen und Flüssigkeit durch die Gummiringe entweichen kann. „Mit der Zeit wird das Gemüse blasser, die Lake trüb“, sagt Hunger. „Das ist normal.“ Nach drei bis vier Wochen ist die Gärung abgeschlossen, und die Fermente sind fertig zum Verzehr. Geöffnete Gläser im Kühlschrank aufbewahren.
Wozu schmeckt das fermentierte Gemüse?
Pur auf dem Brot. Im Salat. Oder in einer Bowl zusammen mit rohem oder gebratenem Gemüse der Saison, dazu Reis, Couscous oder Quinoa. Sibylle Hunger peppt auch gern mal eine Pizza damit auf. Die passionierte Fermentista verwendet die Lake ihrer Fermente, zum Beispiel von Roter Bete, auch für Salatdressings.
Genauso lassen sich klassische Beilagen wie Bratkartoffeln mit fermentiertem Gemüse geschmacklich intensivieren. Oder man nimmt es als Topping für Suppen.
Quellen:
-
Sibylle Hunger, Esther Meinel-Zottl: Gemüse und Obst einfach fermentieren, AT Verlag 2023
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- Groenveld M: Mikrobiota und Gesundheit. https://www.ernaehrungsberatunginbonn.de/... (Abgerufen am 08.08.2023)
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- Fujita M, Nomura K, Hong K et al.: Purification and Characterization of a Strong Fibrinolytic Enzyme (Nattokinase) in the Vegetable Cheese Natto, a Popular Soybean Fermented Food in Japan. https://www.sciencedirect.com/... (Abgerufen am 13.09.2024)