Ist Cholesterin immer schlecht?
„Cholesterin ist für unseren Körper lebensnotwendig“, sagt Dr. Regine Brinkmann, Oberärztin der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie und Angiologie im Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen. Wir brauchen das sogenannte Blutfett unter anderem, um unsere Zellmembran zu stabilisieren, die Nervenfunktion zu erhalten und Hormone zu bilden. Ein zu hoher Wert von LDL-Cholesterin gilt allerdings als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Der Grund: Zu viel LDL-Cholesterin sorgt dafür, dass sich immer mehr Cholesterin in den Blutgefäßen ablagert. Diese Gefäßablagerungen erhöhen zum Beispiel das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Deshalb wird das LDL-Cholesterin oft als „böses“ Cholesterin bezeichnet. Das HDL-Cholesterin gilt im Gegenzug häufig als „gutes“ Cholesterin, weil es überschüssiges Cholesterin aus dem Blut zurück in die Leber transportiert und so Ablagerungen vorbeugt. Anschließend wird es über die Galle ausgeschieden.
Neben Cholesterin zählen auch die Triglyzeride zu den Blutfetten. Sie dienen dem Körper als Energiespeicher. Erhöhte Werte können aber, insbesondere in Kombination mit anderen Blutfetten, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Ist eine fettreiche Ernährung schuld an zu hohen Cholesterinwerten?
Vor allem Eier stehen oft in der Kritik, das Cholesterin zu erhöhen. Dabei stellt der Körper rund 80 Prozent des benötigten Cholesterins selbst her. Nur rund 20 Prozent nehmen wir mit der Nahrung auf. Einzelne Lebensmittel beeinflussen den Cholesterinspiegel also relativ wenig. Zu der Frage, wie viele Eier man essen sollte, gibt es unterschiedliche Meinungen. So nennt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bis zu drei Eier pro Woche als Orientierungswert.
Auf gesättigte Fettsäuren, etwa in verarbeiteten Lebensmitteln, sollte man hingegen verzichten, da sie das Risiko für Gefäßerkrankungen stark erhöhen. Stattdessen auf gesunde, pflanzliche Fette wie Raps-, Lein- oder Olivenöl setzen. Vorteil: Sie sättigen lange und erhöhen den Blutzuckerspiegel nicht. Verarbeitete Lebensmittel bestehen zu einem Großteil aus Kohlenhydraten und Zucker, was sich ungünstig auf die Blutfette auswirkt.
Vor allem die Triglyzeride lasssen sich mit einem gesunden Lebensstil positiv beeinflussen. „Manche Patientinnen und Patienten können ihren Triglyzerid-Wert dadurch um 70 Prozent senken“, sagt Professor Alexander Mann, Beiratsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Wichtig sind zudem der Verzicht auf Nikotin und genug Bewegung. Für den Anfang empfiehlt Regine Brinkmann vom Herz- und Diabeteszentrum kleine Schritte. Abends noch einen Spaziergang machen oder die Fertigpizza durch eine gesündere Alternative ersetzen: „Diese kleinen Veränderungen spiegeln sich häufig in besseren Cholesterinwerten wider.“
Werden erhöhte LDL-Werte durch einen hohen HDL-Cholesterin-Spiegel ausgeglichen?
„Wir motivieren unsere Patientinnen und Patienten, sich gesund zu ernähren und Sport zu machen, um das Gesamtcholesterin zu senken und das HDL-Cholesterin zu steigern und so Ablagerungen vorzubeugen“, sagt Regine Brinkmann. Allerdings deute die aktuelle Studienlage nicht darauf hin, dass ein hoher HDL-Wert allein die schädlichen Auswirkungen eines zu hohen LDL-Wertes auf Dauer ausgleichen kann.
Brauche ich immer Medikamente, wenn mein Cholesterin zu hoch ist?
Einen zu hohen Triglyzerid-Wert kann man meist durch eine gesunde Lebensweise senken. Dazu gehört der Verzicht auf zu viel Zucker, insbesondere auf Fruchtzucker. Vor allem gesüßte Getränke, darunter auch Säfte, verschlechtern die Blutfette. Um stark erhöhtes LDL-Cholesterin in den Griff zu bekommen, reichen diese Maßnahmen oft nicht aus. In diesen Fällen verschreibt die Ärztin oder der Arzt cholesterinsenkende Medikamente, meist Statine.
Gleiches gilt, wenn die erhöhten Blutfette eine genetische Ursache haben oder weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Probleme bestehen. Dazu zählen Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen. Das gilt ebenso für bereits bestehende Herz-Kreislauf-Leiden. Auch Männer und ältere Menschen haben ein höheres Risiko. „Das Behandlungsziel hängt vor allem davon ab, wie hoch das persönliche Herz-Kreislauf-Risiko ist“, sagt Alexander Mann. Wer ansonsten völlig gesund sei, müsse nicht unbedingt ein Medikament nehmen.
Patientinnen und Patienten mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird hingegen empfohlen, möglichst schnell mit einer cholesterinsenkenden Behandlung zu beginnen. Zumal inzwischen belegt ist, dass Statine das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall senken können.
Was kann ich tun, wenn ich das Statin nicht vertrage?
„Die Datenlage zu Cholesterinsenkern ist sehr gut“, sagt Alexander Mann. Statine sind die am häufigsten verschriebenen Cholesterinsenker in Deutschland. Es sei wichtig, dass Patientinnen und Patienten das Medikament nicht eigenmächtig absetzen, wenn sie Nebenwirkungen bemerken, so Mann. Dazu zählen bei Statinen häufig Muskelbeschwerden. Allerdings sind diese nicht immer eindeutig auf das Medikament zurückzuführen. Wer Muskelbeschwerden oder andere Symptome bemerkt, sollte Ärztin oder Arzt ansprechen.
„Bei der Behandlung von Cholesterin ist es generell wichtig, dass Arzt und Patient gemeinsam versuchen, die individuellen Zielwerte zu erreichen“, sagt Regine Brinkmann vom Herz- und Diabeteszentrum. So ist es bei auftretenden Nebenwirkungen in vielen Fällen möglich, entweder das Präparat zu wechseln oder die Dosis entsprechend anzupassen.
Mittlerweile stehen auch andere Therapieoptionen zur Verfügung. Sie kommen häufig in Kombination mit Statinen zum Einsatz. Liegt tatsächlich eine Statinunverträglichkeit vor, können Betroffene
mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen, welche Alternativen
infrage kommen.
Schützt ein niedriges LDL-Cholesterin automatisch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Im Hinblick auf das Herz-Kreislauf-Risiko ist ein niedriges LDL-Cholesterin grundsätzlich gut. Aber: Man kann auch einen Herzinfarkt bekommen, obwohl das LDL-Cholesterin normal ist, sagt Alexander Mann. Gleichzeitig erleiden nicht alle Menschen mit erhöhtem LDL-Cholesterin einen Herzinfarkt.
Es wird vermutet, dass das sogenannte Lipoprotein(a), eine Unterform des LDL-Cholesterins, eine wichtige Rolle spielt. Es kann auch bei normalem Cholesterin leicht erhöht sein. Ebenso kann es aber auch bei
hohen LDL-Werten niedrig sein. Expertinnen und Experten empfehlen, in der Arztpraxis zu besprechen, ob eine zumindest einmalige Messung des Lipoproteins(a) sinnvoll ist. Das reicht meist aus, weil der Wert im Lauf des Lebens relativ stabil bleibt.
Eine medikamentöse Therapie gibt es derzeit nicht. Bei einem stark erhöhten Wert wird deshalb versucht, das Gefäßrisiko insgesamt zu senken. Dazu zählen der Verzicht auf Zigaretten, ausreichend Bewegung und die regelmäßige Kontrolle von Blutdruck und Blutzucker.