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Was bedeutet Ayurveda?

Der Begriff Ayurveda leitet sich aus der altindischen Sprache Sanskrit ab und bedeutet übersetzt: Wissen vom Leben. Ayurveda hat seinen Ursprung in den vedischen Schriften, die vor rund 5000 Jahren in Indien niedergeschrieben wurden. Damit zählt Ayurveda zu den ältesten naturheilkundlichen Systemen der Menschheit. In Südostasien ist es seit mehr als 2000 Jahren eine Volksmedizin und hat auch die traditionelle chinesische und tibetische Medizin stark beeinflusst. In Ländern wie Indien, Sri Lanka oder Nepal ist Ayurveda der konventionellen Schulmedizin gesetzlich gleichgestellt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Ayurveda als traditionelles Medizinsystem anerkannt.

Was ist der Grundgedanke der ayurvedischen Medizin?

Das ayurvedische System baut auf Prävention und Regeneration. Es geht in erster Linie nicht darum, Krankheiten zu heilen, sondern sie erst gar nicht entstehen zu lassen. „Das erste Ziel ist, die Gesundheit und Lebenskraft zu erhalten und nach einer Erkrankung gesund zu bleiben“, erklärt Dr. Hedwig Gupta, Orthopädin und Ayurvedaärztin in Asperg.

Laut der ayurvedischen Lehre werden körperliche Abläufe von drei Kräften bestimmt: Vata, Pitta und Kapha. Diese Kräfte, auch Doshas genannt, sollen unter anderem die Bewegung, den Atem oder den Stoffwechsel regulieren. Deshalb zielen ayurvedische Behandlungen oft darauf ab, die Doshas wieder in Einklang zu bringen.

„Ayurveda ist letztlich nichts anderes als traditionelle indische Naturheilkunde“, sagt Dr. Christian Keßler. Er forscht dazu am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Charité Berlin und bietet am Berliner Immanuel Krankenhaus eine Ayurveda-Sprechstunde an.

Wie läuft eine ayurvedische Behandlung ab?

Bei einer ayurvedischen Behandlung geht es weniger um einzelne Symptome, sondern um einen ganzheitlichen Blick auf den Körper. „Wir nehmen uns viel Zeit und schauen uns auch den Lebensstil des Patienten genau an“, erklärt Medizinerin Gupta. Ein umfangreicher Fragenkatalog zur körperlichen Erscheinung, den Persönlichkeitsmerkmalen oder auch Vorlieben beim Essen soll erste Rückschlüsse geben. So soll eine Pulsdiagnose Hinweise auf Störungen im Körper geben, während ein Blick auf die Zunge Rückschlüsse auf die Verdauung zulassen soll.

Laut Hedwig Gupta spielen im Ayurveda Gewürze wie Ingwer und Kurkuma eine wichtige Rolle. Auch Ölanwendungen, Meditation, Yoga und Musiktherapie zählen zu den zentralen Elementen, ebenso wie eine typgerechte Ernährung. Glaubt man der ayurvedischen Lehre, sollen zum Beispiel warme Speisen und Getränke, wie Haferbrei oder Ingwertee, besonders bekömmlich sein.

Wie verbreitet ist Ayurveda in Deutschland?

Christian Keßler und sein Team haben kürzlich untersucht, in welchem Maße sich die Menschen in Deutschland für Ayurveda interessieren. Mehr als 4000 Befragte zwischen 18 und 75 Jahren hatten daran teilgenommen. 377 der Teilnehmerinnen und Teilnehmer – also weniger als jeder Zehnte – gaben an, Ayurveda bereits in irgendeiner Form genutzt zu haben. Rund 28 Prozent brachten Ayurveda in erster Linie mit indischer Medizin in Verbindung, 18 Prozent eher mit Wellness. Rund ein Drittel glaubten an ein therapeutisches Potenzial von Ayurveda. „Ich war überrascht, wie viele Menschen hierzulande tatsächlich Ayurveda nutzen“, sagt Keßler.

Gibt es wissenschaftliche Nachweise, dass Ayurveda wirkt?

Es gibt durchaus Studien zu Ayurveda. Allerdings sind die meisten der Arbeiten nicht sehr aussagekräftig, zum Beispiel aufgrund zu kleiner Stichproben. Deshalb gibt es keine wissenschaftlichen Belege, ob und in welchem Maße Ayurveda tatsächlich wirksam ist. Das gilt zum Beispiel für Weihrauch. Ihm werden im Ayurveda diverse positive Effekte nachgesagt. Entsprechend gibt es inzwischen zahlreiche Weihrauchpräparate zu kaufen. Doch die Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer kann die Verwendung von Weihrauch nicht empfehlen: Die klinische Datenlage sei nicht ausreichend.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie weist darauf hin, dass die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Ayurveda schwach ist. So lägen keine wissenschaftlichen Langzeitdaten vor, die einen vorbeugenden Effekt von Ayurveda belegen würden. Positive Wirkungen werden derzeit vor allem durch individuelle, dokumentierte Heilerfolge sowie die mehr als 2000 Jahre alte Medizintradition in Südasien begründet.

Wann wird Ayurveda gefährlich?

Gesichtsöle, Geschenksets, Räucherstäbchen, Kurse und Kuren – die Auswahl an Ayurveda-Angeboten ist grenzenlos. Wichtig zu wissen: Hier geht es nicht um einen therapeutischen Effekt, sondern um das Wohlgefühl. „Grundsätzlich finde ich es schön, wenn Menschen Softdrinks durch gesunde Kräutertee-Mischungen ersetzen, die es für kleines Geld in vielen Drogeriemärkten gibt“, sagt Keßler. Doch mit medizinisch-therapeutischem Ayurveda habe das eher wenig zu tun.

Das bestätigt auch Prof. Roman Huber vom Uni-Zentrum Naturheilkunde an der Uniklinik Freiburg: „Patienten, die zum Beispiel in Indien eine Ayurveda-Kur gemacht haben, erzählen immer wieder, wie strapaziös das sein kann.“ Es gebe zum Teil sehr strenge Regeln, vor allem in Bezug auf den Tagesablauf und die Ernährung. Hinzu kommt, dass im Ayurveda häufig Ausleitungsverfahren durchgeführt werden, die äußerst umstritten sind. Dazu zählt bewusst herbeigeführtes Erbrechen. Wird es zu häufig angewendet, kann es zu Dehydrierung und einem Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt führen. Besonders gefährlich kann es für Menschen mit Magengeschwüren, Bluthochdruck oder Herzproblemen sein.

Auch Einläufe, die im Ayurveda ebenfalls oft zum Einsatz kommen, können gefährlich sein: Unsachgemäß durchgeführt, können sie zu lebensbedrohlichen Verletzungen des Darms führen.

Wichtig: Richtig angewendet kann Ayurveda zwar ergänzend oder im Anschluss an eine Behandlung eingesetzt werden – eine schulmedizinische Behandlung ist aber bei vielen Erkrankungen unerlässlich. „Auch bei den Ayurveda-Experten sollte man unterscheiden“, sagt Roman Huber. Ärztinnen und Ärzte in China oder Indien hätten mitunter tolle Fähigkeiten in der Traditionellen Indischen Medizin, seien aber mit völlig anderen Diagnose- und Therapiefähigkeiten vertraut. „Sie wissen nicht, welches wissenschaftliche Verständnis wir hierzulande zum Beispiel von Asthma haben, welche Therapien normalerweise gemacht werden und worauf man achten sollte“, sagt Huber.

Worauf sollte man bei Nahrungsergänzungsmitteln achten?

„Ganz wichtig ist, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben – und auch über Grenzen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zu sprechen“, sagt Christian Keßler. Bei Nahrungsergänzungsmitteln sind oft weder die Inhaltsstoffe noch die Dosierung standardisiert, die Zusammensetzungen der unterschiedlichen Anbieter schwanken erheblich.

Das bestätigt auch Roman Huber: „Es gibt zahlreiche Weihrauch-Präparate auf dem Markt. Eine Studie wird aber immer nur mit einem bestimmten Präparat durchgeführt. Die Ergebnisse sind nicht automatisch auf die anderen Produkte übertragbar.“ Manche enthalten nicht annähernd die Wirkstoffmenge, die beworben wird, während andere überdosiert sind. Das kann zu gefährlichen Nebenwirkungen führen.

Generell gibt es kaum Informationen darüber, mit welchen Neben- oder Wechselwirkungen zu rechnen ist. Hinzu kommt, dass importierte ayurvedische Arzneimittel, zumindest in der Vergangenheit, zum Teil Blei, Quecksilber, Arsen oder Zinn enthalten haben.

Darauf sollten Sie beim Kauf achten:

  • Kaufen Sie keine Gewürze, Tees oder Nahrungsergänzungsmittel direkt in Südasien. Bestellen Sie auch nichts über das Internet. Achten Sie unbedingt darauf, dass die Produkte auf Schadstoffe geprüft oder in EU-Ländern hergestellt wurden. Dadurch gehen Sie sicher, dass sie den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen
  • Wenn Sie ayurvedische Heilmittel in der Apotheke kaufen, können Sie sicher sein, dass die Produkte geprüft und sicher sind. Außerdem werden Sie bezüglich der Dosierung und Anwendung beraten
  • Ayurvedische Heilkräuter oder Nahrungsergänzungsmittel können Wechselwirkungen mit Medikamenten haben. Sprechen Sie deshalb mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
  • Suchen Sie sofort einen Arzt oder eine Ärztin auf, falls Sie auf ayurvedische Präparate mit Übelkeit, Durchfall, Erbrechen oder Schwäche reagieren.
  • Falls Sie schwanger sind oder stillen, sollten Sie ayurvedische Produkte nur nach Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin verwenden. Geben Sie nicht ohne ärztliche Rücksprache Ihrem Kind ayurvedische Heilkräuter.
  • Wenn Sie ayurvedische Praktiken oder Produkte in Ihren Alltag integrieren möchten, sollten Sie zunächst mit ein oder zwei Maßnahmen beginnen, die sich leicht umsetzen lassen. Erst, wenn sich diese bewährt haben, können Sie weitere Aspekte hinzufügen.

Quellen:

  • Deutsche Ärztegesellschaft für Ayurveda-Medizin: Ayurveda - Das Wissen vom Leben. Online: https://www.daegam.de (Abgerufen am 01.08.2024)
  • Dr. Schrott E., Dr. Schachinger W.: Ayurveda. Grundlagen und Anwendungen. Trias Verlag. 2012. S.25-45.

  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Gemeinsame Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen. Online: https://www.bvl.bund.de/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • Verbraucherzentrale : Ayurvedische Nahrungsergänzungsmittel. Online: https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • Verbraucherzentrale : Mit Weihrauch wieder gehen können?. Online: https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • World Health Organization: WHO international standard terminologies on ayurveda . Online: https://www.who.int/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • Johns Hopkins Medicine: What is Ayurveda?. Online: https://www.hopkinsmedicine.org/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • arznei-telegramm: Nochmals – schwere Bleivergiftung durch Ayurveda-Produkte. Online: https://www.arznei-telegramm.de/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • Kessler C, Michalsen A, Ortiz M et al. : Wellness or medicine? Use and perception of Ayurveda in Germany: data from an online-representative cross-sectional study. Frontiers: https://www.frontiersin.org/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • Michalsen A, Sander O, Frohne I et al. : Empfehlungen zur Ayurvedischen Medizin bei rheumatischen Erkrankungen. Online: https://dgrh.de/... (Abgerufen am 06.08.2024)
  • Kessler C, Dhiman K, Kumar A et al. : Effectiveness of an Ayurveda treatment approach in knee osteoarthritis – a randomized controlled trial. Osteoarthritis and Cartilage: https://www.sciencedirect.com/... (Abgerufen am 08.08.2024)