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Für die Recherche zu diesem Artikel habe ich in die Mutterpässe meiner Schwangerschaften geschaut. Und siehe da: Bei Geburt Nummer zwei war auch ich wegen meines Alters und wegen einer Vorerkrankung in meiner Familie eine Risikoschwangere. Und: Ich hatte das gar nicht mitbekommen!

Allerdings kenne ich Frauen, die wegen Bluthochdrucks komplizierte Schwangerschaften hatten – und damit zum Beispiel eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt. Manche Einträge im Mutterpass benennen also konkretere Gefahren als andere. Ich will wissen: Was bedeutet sie eigentlich, die Einordnung „risikoschwanger“?

Welche Folge hat die Einstufung als Risikoschwangerschaft?

Für mich erstaunlich: Es gibt sehr viele von uns Risikoschwangeren. Bei vier von fünf Schwangeren gibt es Risiken für Komplikationen vor oder bei der Geburt, die Ärztin oder Arzt im Blick behalten wollen. Dazu gehören bestimmte Vorerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck oder auch Probleme in der bestehenden Schwangerschaft.

Tanja Groten, Geburtsmedizinerin und Professorin an der Universitätsklinik Jena, erklärt das so: „Unser Ziel ist es, ein mögliches Risiko zu erkennen, um eine tatsächliche Komplikation zu verhindern.“ Deshalb werden viele Frauen als Risikoschwangere eingestuft – auch wenn die Gefahr, dass tatsächlich ein Problem auftritt, manchmal eher gering ist. Vorteil der Einstufung: Die niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen können je nach Bedarf häufiger Ultraschalluntersuchungen und andere Tests wie Blutuntersuchungen durchführen, deren Kosten dann von den Krankenkassen übernommen werden.

Welche Faktoren spielen für die Risikoschwangerschaft eine Rolle?

Dafür gibt es eine lange Liste im Mutterpass, mehr als 50 Punkte stehen darauf. Hatte die Frau bei einer vorherigen Geburt einen Kaiserschnitt? Hatte sie schon einmal eine Fehlgeburt? Oft hängt es auch am Alter: Sowohl besonders junge Frauen unter 18 Jahren als auch werdende Mütter ab 35 haben ein erhöhtes Risiko. Da Frauen in Deutschland immer später Kinder bekommen, steigt die Zahl der Risikoschwangeren.

Auch ich war bei meiner zweiten Geburt über 35 Jahre alt. Damit und wegen einer Erkrankung, die in meiner Familie aufgetreten ist, erfüllte ich zwei der Kriterien auf der langen Liste im Mutterpass. Weitere Punkte sind vorzeitige Wehen, Blutungen in der Schwangerschaft oder eine besondere psychische Belastung. Ob eine Frau als Risikoschwangere gilt, entscheidet die Gynäkologin oder der Gynäkologe, der sie betreut.

Besteht ein Risiko? Die häufigsten Gründe

  • Familiäre Veranlagung für Diabetes, Bluthochdruck, Missbildungen, genetische oder psychische Krankheiten
  • Allergien
  • Alter über 35 Jahre
  • Frühere eigene schwere Erkrankungen, zum Beispiel an Herz, Lunge, Leber, Nieren, Nerven oder der Psyche
  • Zustand nach Kaiserschnitt
  • Starkes Übergewicht
  • Schwangerschaftsdiabetes

Wie handeln Arzt oder Ärztin bei einer Risikoschwangerschaft?

Es gibt Kriterien, die kein sofortiges Handeln erfordern, so wie bei mir damals. Und andere, die Ärztinnen und Ärzte sehr ernst nehmen. Wenn eine Frau Diabetes hat oder dieser in der Schwangerschaft neu auftritt, besteht die Gefahr, dass das Baby zu groß wird und das zu Komplikationen bei der Geburt führt. Für Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes gibt es spezielle Beratungsangebote. „Mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung können wir oft erreichen, dass sie sich kein Insulin spritzen müssen“, erklärt Prof. Dr. Michael Abou-Dakn, Chefarzt der Klinik für Geburtshilfe des St. Joseph Krankenhauses in Berlin-Tempelhof.

Neben zu hohem Blutzucker ist auch Bluthochdruck ein ernst zu nehmendes Problem. Er kann ebenfalls schon vor der Schwangerschaft bestehen oder sich in ihrem Verlauf entwickeln und zu einer Präeklampsie – einer schweren Komplikation in der Schwangerschaft – führen. Dabei kann sich die Plazenta ablösen und das Kind zu früh zur Welt kommen. „Die Frauen sind dann schwer krank“, erklärt Gynäkologin Tanja Groten. „Je früher man das erkennt, desto besser kann man gegensteuern.“ Konkret bedeutet das: Die Schwangere erhält Medikamente gegen den Bluthochdruck. Im Falle einer Präeklampsie kann das Kind bei einer drohenden Frühgeburt eine Lungenreifungsspritze bekommen, damit es als Frühgeborenes schneller selbstständig atmen kann.

Macht die Einteilung als Risikoschwangere nicht Angst?

Wenn werdende Mütter von möglichen Risiken für Komplikationen erfahren, kann sie das natürlich sehr verunsichern. Es gibt sogar Frauen, die lieber nichts davon wissen wollen und weitere Untersuchungen für sich ablehnen. Universitätsprofessorin Groten kann das einerseits verstehen. Andererseits könnten die Folgen dramatisch sein, wenn etwa Bluthochdruck oder Diabetes nicht beobachtet und behandelt wird. Ziel der Behandlung sei es, dass die Geburt ohne Komplikationen verläuft, das Baby bei der Mutter sein kann und nicht auf der Kinderintensivstation versorgt werden muss.

Arzt Michael Abou-Dakn möchte Schwangere beruhigen: „Die Frauen kommen mit dem großen Wunsch zu uns, dass die Geburt etwas Normales und Schönes ist. Darin wollen wir sie bestärken.“ Das könne man trotz der wichtigen Untersuchungen und der notwendigen Behandlung bestimmter Vorerkrankungen schaffen. Es lohnt sich also, von Anfang an genau hinzuschauen.


Quellen:

  • Gemeinsamer Bundesausschuss: Mutterpass. Online: https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 08.12.2023)
  • IQTIG – Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen: Perinatalmedizin: Geburtshilfe, Bundesauswertung. https://iqtig.org/... (Abgerufen am 08.12.2023)