Die Geburt: Eine Mutter erzählt
Jede Frau, die zum ersten Mal schwanger ist, versucht sich vorzustellen, was bei der Geburt ihres Babys auf sie zukommt. Obwohl täglich Tausende Kinder zur Welt bringen, ist vielen Schwangeren mulmig zumute, wenn sie an den Tag im Kreißsaal denken. Eines steht fest: Die Geburt des eigenen Kindes ist ein ganz besonderes Erlebnis, das man sein Leben lang nicht mehr vergisst. Und: Jede Geburt fühlt sich anders an. Dies ist ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht von Anna T. aus München. Sie erzählt in Tagebuchform von der Geburt ihres ersten Kindes.
4. September:
Ich bin jetzt in der 34. Woche. Meine Hebamme hat mit mir heute ein paar Geburtsstellungen gezeigt. Ich wusste gar nicht, dass ich mein Kind im Vierfüßlerstand gebären kann. Meinem Freund hat sie ein paar Massagetechniken für die Füße und den Rücken gezeigt, damit er mir während der Geburt beistehen kann. Woran kann ich eigentlich merken, dass es bald losgeht? Mein Bauch erscheint mir jetzt schon riesig. Manchmal frage ich mich, wie das alles gut gehen soll. Ich freue mich, dass mein Bauch wächst und mein Baby gedeiht. Hoffentlich geht auch bei der Geburt alles gut.
Dienstag, 17. September
15:30 Uhr: Ich sitze am Schreibtisch und lese. Laut errechnetem Termin sind es noch knapp vier Wochen bis zur Geburt. Plötzlich spüre ich, dass mein Sitzkissen nass ist. Sofort schießt mir durch den Kopf: Die Fruchtblase ist geplatzt! Mit gepackter Krankenhaustasche neben mir rufe ich meine Hebamme an, um ihr mitzuteilen, dass es jetzt soweit ist. Meine Hebamme stattet mir einen Besuch ab und untersucht mich genau. Mittels eines pH-Teststreifens stellt sie fest, dass die Flüssigkeit auf dem Sitzkissen kein Fruchtwasser war, sondern etwas Flüssigkeit aus meiner Blase. Mein Kind lag so in meinem Bauch, dass es auf meine Blase gedrückt hat. Fehlalarm.
Donnerstag, 10. Oktober
17:30 Uhr: Wir sind zu einem indischen Essen bei Freunden eingeladen. Schon während des Essens spüre ich krampfartige Schmerzen. Wehen können es ja eigentlich nicht sein, denn die Schmerzen, die ich habe, sind absolut aushaltbar. Außerdem zwickt es momentan ja auch überall: im Rücken, im Becken, warum also nicht auch im Bauch?
20:00 Uhr: Irgendwie fühle ich mich nicht mehr nach Gesellschaft. Mein Freund und ich gehen schon früher nach Hause. Als mein Freund um 23 Uhr schlafen geht, bleibe ich auf dem Sofa. Ich bin irgendwie unruhig, habe immer noch Bauchschmerzen und finde nicht in den Schlaf. Auf dem Sofa liegend sind die Schmerzen nicht mehr so stark und ich kann mich ganz auf das Einkleben der Fotos in mein Schwangerschaftsalbum konzentrieren. Um 5 Uhr morgens gehe ich schlafen. Müde bin ich zwar immer noch nicht, aber ich denke, dass mir etwas Schlaf schon gut tun wird. Nach ein paar Mal hin- und herwälzen schlafe ich ein.
Freitag, 11. Oktober
8:00 Uhr: Drei Stunden später wache ich schon wieder auf: Mein Bauch rumort und ich fühle mich nicht gut. Wahrscheinlich ist mir das indische Essen doch nicht so gut bekommen. Die Schmerzen werden immer schlimmer. Und zwischen den Schmerzen sind kurze Pausen.
9:30 Uhr: Ich rufe meine Hebamme an. Sie kommt sofort vorbei und untersucht mich. Langsam wird mir klar: Das sind Wehen. Es sind eigentlich noch fünf Tage bis zum errechneten Geburtstermin. Meine Hebamme sagt, der Muttermund sei drei Zentimeter geöffnet. Ich bekomme Panik. Ich will doch das Kind nicht zu Hause auf die Welt bringen, aber die Klinik ist 45 Minuten mit dem Auto entfernt.
10:15 Uhr: Obwohl ich inzwischen durchgehend Wehen habe, steige ich ins Auto. Die Hebamme gibt uns noch Ratschläge, welche Klinik auf unserem Weg liegt. Mein Freund sitzt am Steuer. Er versucht, mich zu beruhigen. Jede rote Ampel kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Ich winde mich auf dem Beifahrersitz hin und her, Strecke die Beine aus und ziehe sie wieder an mich und kann nur an eines denken: Bitte lass es mich nicht im Auto bekommen.
11:00 Uhr: Geschafft! Ich schleppe mich in den Eingangsbereich. Unter normalen Umständen wäre es mir wahrscheinlich unangenehm gewesen, alle paar Meter an die Wand gestützt stehen zu bleiben und laut zu stöhnen und zu atmen. Aber das ist mir gerade egal, die Schmerzen sind so stark.
13:35 Uhr: Ich habe so schlimme Schmerzen und würde am liebsten pressen. Aber die Hebamme sagt, ich muss es noch zurückhalten. Der Muttermund ist noch nicht so weit. Um die Krämpfe zu lindern, lässt die Hebamme mir Wasser in eine Badewanne ein. Mein Freund sitzt daneben und hält meine Hand. Die Schmerzen lassen ein wenig nach. Oder bilde ich mir das nur ein? Mir wird ganz schummrig von der heißen Luft und dem warmen Wasser. Nach 20 Minuten hilft mir die Hebamme aus dem Wasser. Der zuständige Arzt setzt mir einen Wehenhemmer und eine leichte PDA, damit ich Kräfte sammeln kann für die Geburt. Das Mittel wirkt schnell und ich komme ein bisschen zum Verschnaufen. Ich bin müde und erschöpft, habe ja seit gestern kaum geschlafen.
15:30 Uhr: Die Wehen setzen langsam wieder ein. Ich glaube es geht jetzt los. Aber ich habe keine Angst, sondern bin durch die Wehenpause wieder zu Kräften gekommen und will endlich mein Baby sehen. Der Muttermund ist inwzischen zehn Zentimeter geöffnet. Die Hebamme sagt, dass auch die Fruchtblase schon geplatzt sei. Ich habe das gar nicht mitbekommen. Vielleicht ist es in der Badewanne passiert. Egal. Ich darf endlich pressen. Jetzt geht es los.
18:00 Uhr: Ich stehe im Vierfüßlerstand auf dem Krankenhausbett, die Arme stütze ich auf dem hochgefahrenen Kopfteil der Matratze ab. Ich presse. Und es tut richtig weh. Ich versuche den Schmerz aus meinem Körper heraus zu atmen. Mit der nächsten Wehe wird der Druck beinahe unerträglich. "Das war das Köpfchen", sagt die Hebamme hinter mir. Nach der zweiten Wehe, wird der Druck etwas weniger. Ich höre meinen Freund sagen, dass unser Kind schon bis zum Hals draußen ist. Ich bin schweißgebadet und konzentriert.
Die dritte Wehe ist schmerzhaft. Ich presse, halte die Luft an und atme lange und tief aus. Dann spüre ich, dass die Geburt jetzt vorbei ist: Mein Sohn ist da. Weil ich im Vierfüßlerstand stehe, kann ich ihn erst nicht sehen. Ich höre kein Schreien. Und dann niest jemand zaghaft: "Hatschi". Das ist er! Als er auf meiner Brust liegt, sehe ich ihn ganz genau an. Ich traue mich kaum zu atmen. Er ist so klein und zart. Ich bin stolz auf meine Leistung und bin voller Endorphine. Und eines weiß ich jetzt schon ganz genau: Das könnte ich wieder machen!