Vom Glück und den Herausforderungen der Liebe im Alter
Von Herzklopfen und schwitzigen Händen ist die Rede, wenn es ums Verliebtsein geht. Andere vergleichen das Gefühl mit Schmetterlingen im Bauch oder einem Beflügeltsein, das dem Laufen auf Wolken gleicht. Wenn man Verliebtheit beschreibt, denkt man oft auch an die erste Liebe – und an alle, die ihre Verliebtheit unverhohlen in der Öffentlichkeit zeigen, Jugendliche zum Beispiel. Dabei ist Verliebtsein nicht nur ihnen vorbehalten.
Liebe im Alter ist nur seltener Thema und vergleichsweise wenig erforscht. Dabei ist das Leben in einer Ehe die häufigste Lebensform im dritten Lebensalter. 52 Prozent der Frauen über 60 sind verheiratet. Bei den Männern sind es 57 Prozent.
Was macht Liebe mit uns?
Liebe bis ans Lebensende. Klingt erst mal wünschenswert, denn partnerschaftliche Beziehungen sind ein wichtiger Baustein des sozioemotionalen Netzwerks älterer Menschen. Tatsächlich können sie seelisches und körperliches Wohlbefinden schützen. Dass man von Liebe profitiert, weiß auch Paartherapeutin Andrea Bräu aus München. „Nirgendwo bekommt man so viel und ehrliche Rückmeldung wie in einer Beziehung“, sagt sie. „Die Aussicht, gemeinsam mit genau dieser Partnerin oder diesem Partner alt zu werden, ist auch im frühen Erwachsenenalter ein Motiv bei der Partnerwahl“, sagt Prof. Dr. Insa Fooken, interdisziplinäre Alternswissenschaftlerin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Was ist das Rezept für eine lange Liebe?
Ein klares Erfolgsrezept für diesen Plan gibt es aber nicht. Man weiß: Gemeinsamkeiten spielen eine wichtige Rolle – bei der Partnerwahl ebenso wie im Verlauf der Beziehung. Manchmal reichen Bildung, Alter oder Nationalität als verbindendes Element. Aber auch eine ähnliche Vergangenheit oder gemeinsame Hobbys schweißen zusammen. „Ist eine gewisse Ähnlichkeit gegeben, ist es auch okay, sich in anderen Punkten zu unterscheiden“, so Fooken. Paartherapeutin Bräu empfiehlt, gemeinsam Erlebnisse zu schaffen, um Beziehungen frisch zu halten.
Welche Qualität haben Partnerschaften heute?
Die besonders lange Partnerschaft, gar die diamantene Hochzeit sind aber nicht unbedingt das Nonplusultra. Hier und da verschwimmt die Sicht durch das beschmierte Glas der rosaroten Brille. „Dass es heute so viele Ehen wie nie zuvor gibt, sagt nichts über die Qualität dieser Beziehungen aus“, sagt Insa Fooken, die sich in ihrer Forschung auch auf Scheidungen im Alter fokussiert. Tatsächlich umfasst die hohe Zahl der Verheirateten auch Zweitehen und somit vorher zerbrochene Partnerschaften. In die Jahre gekommene Beziehungen seien nicht umsonst auch mit dem Bild später Lieblosigkeit, mit Streit und der unlösbaren Verstrickung in langjährige Konflikte verknüpft.
Welche Herausforderungen gibt es im Alter?
Zusätzlich werden Partnerschaften im Alter vor einige Herausforderungen gestellt. Späte Freiheit, etwa wenn die Kinder aus dem Haus sind oder man nicht mehr arbeiten muss, kann eine Beziehung positiv wie negativ beeinflussen. Paartherapeutin Bräu rät allen in langjährigen Partnerschaften, immer miteinander zu sprechen – „und zwar nicht nur oberflächliches Geplänkel. Es lohnt sich, sich stets neugierig zu zeigen.“ Stattdessen lebten aber viele Langzeitpaare nebeneinander her.
Als besonders herausfordernd für die Liebe betrachtet Wissenschaftlerin Fooken das Altern in unterschiedlichem Tempo: „Wenn der Partner körperlich oder mental beeinträchtigt ist, stellt das die Partnerschaft vor bislang unbekannte Beziehungs- und Entwicklungsaufgaben.“ Veränderung im Allgemeinen – sei es zu viel oder zu wenig – ist bei älteren Paaren sogar ein häufiger Trennungsgrund.
Was machen Trennungen mit uns?
Zwar ist die Ehe nicht aus der Mode, doch mittlerweile trennt man sich im Alter leichter. Es gibt weniger moralische Barrieren wie religiöse Gründe oder die Angst, sozial geächtet zu werden. Auch gemeinsamer Besitz oder Kinder spielen bei der Entscheidung für eine Trennung seltener eine Rolle. Früher hingegen war es – vor allem für Frauen – schon aus finanziellen Gründen schwierig bis unmöglich, sich zu trennen.
Aber wie steht es um die Frischgetrennten? Um Witwen und Witwer? Wie geht es langjährigen Singles im Alter? Dass Partnerschaften Körper und Seele guttun, heißt glücklicherweise nicht, dass Singles automatisch schlechter dran sind. „Grundsätzlich sind Alleinstehende etwas mehr gefährdet, einsam zu sein“, sagt Expertin Fooken. Ob man sich tatsächlich einsam fühlt, hänge aber von den Ansprüchen der oder des Einzelnen ab. Viele Singles schätzten ihre Unabhängigkeit. Andere befriedigen zwischenmenschliche Bedürfnisse mit Freundschaft oder familiärem Kontakt.
Welche Möglichkeiten gibt es bei der Partnersuche?
Selbstverständlich ist es aber auch in Ordnung, auf der Suche nach einer Partnerschaft zu sein. Wem die Liebe nicht im Alltag begegnet – im Sportverein, vielleicht beim Reisen oder Tanzen –, für die oder den gibt es andere Möglichkeiten, sich zu verlieben. Neben Speeddating und speziellen Kontaktbörsen für Ältere spielt auch Onlinedating eine Rolle. Laut einer Umfrage von 2023 beanspruchen 57 Prozent der über 50-jährigen Internetnutzerinnen und -nutzer entsprechende Dienste oder haben das schon einmal getan.
Andrea Bräu, die Patientinnen und Patienten auch zu Onlinedating berät, warnt in diesem Zusammenhang aber auch vor Betrugsmaschen. Sie rät Suchenden zur Vorsicht. „Liebe und Aufmerksamkeit können blind machen“, sagt sie. Mit welchen Absichten sich wer bei wem meldet, sollte man kritisch hinterfragen. Was Interessierte zu Kosten und Leistungen passender Portale wissen sollten, erfahren sie bei der Verbraucherzentrale.
Zwölf Tipps zum Onlinedating finden Sie außerdem hier. Eine Erfolgsgarantie gibt es zwar nicht, aber einen Versuch kann es wert sein. Vielleicht stellt sich dann auch spät ein Kribbeln im Bauch ein. „In langjährigen Partnerschaften kann man solche Schmetterlinge nicht mehr unbedingt erwarten“, sagt Insa Fooken. Die Leidenschaft nehme ab. Was dafür mit der Zeit wachse, sei das Vertrauen.
Liebe im Alter – drei Paare erzählen
„Es hat einfach gefunkt“
Monika Dörries, 73, aus München lernte Reinhard, 69, über eine Dating-App kennen
„Nach 32 Jahren Ehe mit meinem Ex-Mann und einer lockeren Beziehung zu einem alten Kollegen war ich ein halbes Jahr allein. Das war so befreiend, ich hatte sehr früh geheiratet. Aber ich bin kontaktfreudig und so begann schnell das nächste Abenteuer: Ich meldete mich bei einer Dating-App an. Glauben Sie mir, ich könnte ein Buch füllen mit den Geschichten, die ich erlebt habe.
Einen Tag vor meinem ersten Date mit Reinhard habe ich noch ordentlich den Geburtstag einer Freundin gefeiert und hätte ihm am liebsten abgesagt. Dann klingelte es, ich gab mir einen Ruck, öffnete die Tür und es hat einfach gefunkt. Vorurteile vor dem Onlinedating braucht es nicht. Wichtig ist nur, sich wieder auf jemanden einzulassen. Das heißt nicht, dass man alles füreinander aufgeben muss. Nur, dass wir beide nicht mehr heiraten wollten – daran haben wir uns nicht gehalten. Man ist eben genauso verliebt wie früher.“
„Wir bleiben zusammen“
Georg Härpfer, 75, (links) über seine Beziehung zu Dietmar Behrendt, 86
„Nur drei Tage nach meinem Umzug nach Berlin, 1971, lernte ich bei der Arbeit Dietmar kennen. Bei einem feuchtfröhlichen Eisbeinessen tauschten wir unsere Reiseerfahrungen aus – und auch Nummern. Ich war dankbar, dass Dietmar mir fortan Berlin zeigte – auch die Schwulenszene. Ihn hingegen beeindruckten mein Selbstbewusstsein und mein mediterraner Typ.
Wir waren sehr aktiv: Weltreisen, Polyamorie und Aktivismus für die Rechte Homosexueller. Aber es gab auch Herausforderungen: Wir haben viel Diskriminierung erfahren. Heiraten durften wir erst mit über 60. Dass Dietmar aufgrund seiner Demenz mittlerweile Unterstützung von mir braucht, verändert die Beziehung auch. Unsere Partnerschaft ist aber so gefestigt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es mal eine Stunde gibt, in der wir nicht zusammenhalten.“
„Aufgeben ist keine Option!“
Heidi Schuler, 64, und ihr Mann Frank, 75, sind seit 33 Jahren verheiratet – und frisch verliebt
„Es ging alles so schnell. Ich war Pharmareferentin, Frank ein erfolgreicher Arzt – nach einem Jahr war die Hochzeit, dann kamen unsere beiden Töchter auf die Welt. In der Praxis arbeiteten wir harmonisch zusammen, doch daheim flogen die Fetzen, oft wegen der Erziehung. Jeder warf dem anderen vor, zu wenig Verständnis zu haben. Als die Kinder aus dem Haus waren, suchte ich mir eine Wohnung und hatte eine Fernbeziehung mit einem anderen Mann.
Sieben Jahre lang waren Frank und ich getrennt, hatten uns wenig zu sagen. Er blieb allein im Haus zurück. Vor zwei Jahren lud er mich zu einer Spritztour an den Bodensee ein, stand mit 30 Rosen vor meiner Tür. Es war vertraut und neu zugleich. Heute sind wir verliebter als am ersten Tag. Wir schätzen, was wir aneinander haben, schweigen nichts mehr tot. Wir genießen auch die Sexualität. Dadurch gehen wir liebevoller miteinander um.“
Quellen:
- bitkom: Online-Dating, Die Hälfte sucht nach langfristiger Partnerschaft. Online: https://www.bitkom.org/... (Abgerufen am 03.07.2024)
- pro familia: Wenn Sexualität sich verändert..., Sexualität und Älterwerden. Online: https://www.profamilia.de/... (Abgerufen am 03.07.2024)
- Tim Hochgürtel: Partnerschaften im Alter, Eine Untersuchung auf Grundlage des Mikrozensus 1991 bis 2021. Online: https://www.econstor.eu/... (Abgerufen am 03.07.2024)
- Baas S, Schmitt M: Partnerschaft und Sexualität im Alter. Handbuch Soziale Arbeit und Alter: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 03.07.2024)