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Ein bisschen Homeoffice, und schon lassen sich Kinder und Beruf super leicht vereinbaren: Dass das nicht zutrifft, hat uns die Corona-Pandemie schnell gelehrt. Doch was ­viele Familien unter Extrembedingungen an Erfahrung gesammelt haben, können wir auch künftig im Homeoffice nutzen. Denn Zeiten, in denen Arbeit und Familie sich reiben, gibt es immer. Wenn die Stunden der Kinderbetreuung nicht alle Arbeitsstunden abdecken, wenn die Kita in den Ferien oder wegen Fortbildungs- oder Streiktagen geschlossen hat oder eben das Kind wegen einer Krankheit zu Hause bleiben muss.

Routinen schaffen

„Die größte He­rausforderung am Homeoffice ist, den Kindern beizubringen: Mama und Papa sind zwar da, aber sie müssen arbeiten“, sagt Familientherapeutin und Diplom-Psychologin Sabine Kowatsch aus München.

Ein Kindergartenkind versteht zwar, dass man seine Ruhe braucht, und kann eine Weile allein spielen – manche zehn Minuten, andere über eine Stunde. „Bei Zweijährigen kann man es versuchen, sollte aber nicht erwarten, dass es klappt“, rät die Psychologin. Routinen können dabei eine große Hilfe sein: Eine Spielzeit nach dem gemeinsamen Frühstück oder eine Mittagsruhe können Kinder oft gut einhalten. Aber nicht nur auf Routinen kommt es an.

Wenn ­Eltern die Kinder den ganzen Tag vertrösten, haben sie meist keine ruhige Minute am Schreibtisch. Deshalb sollten sie sich erst mal Zeit für die Kinder freischaufeln. „Wenn ihr Bedürfnis nach Nähe befriedigt ist, stehen die Chancen gut“, sagt Sabine Kowatsch. Wer Ruhe zum Arbeiten braucht, sollte in der Zeit möglichst alle anderen Störenfriede stumm schalten: Handy, Mails und die Türklingel, um in ­Ruhe arbeiten zu können.

Für Ruhe sorgen

Klingeltöne ausschalten, das empfiehlt sich auch, wenn Eltern gerade Zeit mit den Kindern verbringen. Eine gemeinsame Stunde in Ruhe ist besser als ein ganzer Vormittag mit ständigen Unterbrechungen. Wenn Mama und Papa nicht zwischen Arbeit und Familie hin- und hergerissen sind, spüren die Kinder: Jetzt bin ich dran. An stressigen Tagen ist Eltern aber oft auch in freien Minuten nicht nach Spielen. „Ein schlechtes Gewissen müssen sie deswegen nicht haben, das erhöht nur den Stress“, beruhigt Kowatsch. „Kleine Kinder haben genauso viel Spaß beim Spülmaschineausräumen, wenn sie dabei die Aufmerksamkeit der Eltern genießen.“

Wenn Eltern nervös ein wichtiges Gespräch erwarten oder unter Hochdruck etwas fertig bekommen müssen, funkt garantiert die Familie dazwischen. Bei wichtigen Terminen helfen deshalb nur Deals unter Erwachsenen: abwechselnd arbeiten, Freunde um Hilfe bitten oder den Chef fragen, ob man das Meeting verlegen kann. Wer sich abwechselt, dem bleibt aber die Frage: Wer darf wann in Ruhe arbeiten? Bei Videocalls oder Deadlines sollte man sich zurückziehen können. Der andere Elternteil kann sich mit Laptop zu den Kindern setzen und ­sollte für sie ansprechbar sein.

Sich zurückziehen – gar nicht so einfach, wenn man kein Arbeitszimmer hat und einen ruhigen Platz sucht, um seinem Job nachzugehen. Also kommt der Schreibtisch ins Schlafzimmer – oder stört das die Work-Life-Balance? „Das ist Typsache“, sagt Professorin Carmen Binnewies, Arbeitspsychologin an der Westfä­lischen Wilhelms-Universität Münster. „Wer gut schläft und beim Anblick des Laptops nicht gestresst ist, kann es so lassen“, sagt die Wissenschaftlerin. Das Wichtigste ist, dass man die Tür zumachen kann, um sich abzugrenzen.

An sich denken

Wohl in jeder Familie gibt es Momente, in denen die Lage hin und wieder eskaliert: Dem Kita-­Kind ist langweilig. Das Grundschulkind braucht Hilfe. Alle haben immer Hunger. Die ­Eltern sind erschöpft, weil sie sich zwischen Job und ihren Familienrollen mit Kochen, Erziehen, und Spielen zerreißen. Sabine Kowatsch rät: „Retten Sie sich zuerst selbst!“ Heißt: Kurz rausgehen, wenn es zu viel wird, und durchatmen. Dann die Baustellen der Reihe nach angehen: Banane für den Kleinen, Mathenachhilfe für den Großen, Kaffee für die Eltern.

Carmen Binnewies hat noch einen Trick, wie es mit der Vereinbarkeit von Homeoffice und Familie etwas besser klappt: „Stellen Sie sich vor, Freunde würden das Problem schildern. Was würden Sie raten?“ Der Kollege ruft ständig außerhalb der abgesprochenen Zeiten an? Klartext reden, wann Sie erreichbar sind. Sie brauchen eine Stunde für sich? Eltern, Nachbarn oder Freunde um Hilfe bitten und die Auszeit im guten Gewissen nehmen, weil sonst alles zusammenfällt.

Vorbereitungen und Absprachen treffen

Bleibt das Problem mit dem ständigen Hunger. Kein Wunder: Zu Hause gibt es andere Essen­szeiten als in der Kita. Hier hilft etwas Vorarbeit: Trinkflaschen und Brotboxen morgens vorbereiten. Das ermöglicht den Kleinen die Selbstbedienung. Wer am Wochenende vorkocht oder sich zum Beispiel von den Groß­eltern beliefern lässt, muss in der kostbaren Mittagspause nicht lange in der Küche stehen.

Carmen Binnewies rät außerdem, den Perfektionismus ad acta zu legen. Man sollte sich von dem Gedanken verabschieden, acht Stunden am Stück produktiv zu arbeiten. Im Job müssen – nach vorheriger Rücksprache mit dem Arbeitgeber – weniger wichtige und dringliche Auf­gaben einfach warten. Liegengebliebenes und die fehlenden Arbeitsstunden können nach Absprache oft nachgeholt werden, wenn wieder ­alles in geregelteren Bahnen läuft: im Home­office oder eben im Büro.

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