Egal ob Walzer oder Capoeira: Warum wir alle tanzen sollten
Egal ob Bauchtanz, Capoeira oder Walzer – Tanzen macht Spaß und ist gesund. Für die Neurowissenschaftlerin und ehemalige Balletttänzerin Dr. Julia F. Christensen ist es sogar die beste Medizin der Welt. Warum wirklich alle und jeder dem Rhythmus folgen sollte: Wir haben mit ihr darüber gesprochen:
Frau Christensen, warum sollte sich sogar ein Tanzmuffel aufs Parkett begeben?
Ganz einfach: Weil unser Gehirn tanzen will und auch gar nicht anders kann. Wir sind genetisch dafür vorprogrammiert, einem Rhythmus zu folgen. Wenn solche Reize durch unser Ohr in das Gerhin gelangen, dann gibt es bei uns Menschen eine besondere Verschaltung über neuronale Bahnen, über das Rückenmark in die großen Muskeln unseres Körpers.
Man fängt dann unmittelbar an, mit dem Körper mitzugehen…
... oder mit dem Fuß ein bisschen zu wippen. Dass sich unser Gehirn einem Rhythmus anschmiegt und ihn sogar simuliert, das kann man schon bei neugeborenen Babys nachweisen. Und kleine Kinder hören ja auch gar nicht mehr auf zu tanzen, wenn sie einen Rhythmus vorgespielt bekommen.
Aber wenn wir schon als Babys auf Tanzen geeicht sind – müssten dann nicht die Tanzflächen immer voll sein, kaum dass die Musik los geht?
Unsere kulturelle Prägung ist dafür verantwortlich, dass wir uns das Tanzen abgewöhnen. Wofür wir uns schämen, hängt sehr davon ab, wo wir aufwachsen. Ich habe in Spanien studiert und da waren sehr viele Studenten aus Kolumbien und Kuba. Die haben immer gesagt: Wenn man bei uns zu Hause, in Kolumbien oder Kuba, nicht tanzen könnte, wäre das unglaublich peinlich. Dann würden wir auf keine Party eingeladen werden. In Deutschland ist es fast umgekehrt. Wenn ein Mann zum Tanzunterricht geht, dann ist das fast peinlich. Dann gucken die anderen Männer komisch.
Warum passiert das?
Das fängt ganz früh an. Stellen Sie sich eine Familie am Frühstückstisch vor. Plötzlich kommt Omas Lieblingslied und sie tanzt los. Wie reagiert der Rest der Familie? Tanzen alle mit und freuen sich mit Oma? Oder reagieren Papa oder Mama eher peinlich berührt? – Je nach Reaktion lernt das heranwachsendes Gehirn des kleinen Kindes am Tisch, was sozial erwünscht ist. In unseren Breitengraden ist es eher das Verharren. Auch wenn ein Rhythmus ertönt, folgen wir ihm nicht mehr.
Wirklich schade. Ich bin auch gehemmt beim Tanzen. Dabei soll es so gut sein.
Tanzen ist wie ein ganzheitliches Training für Gerhin, Geist und Körper. Es soll vor Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen und es hebt die Stimmung. Außerdem ermöglicht uns Tanzen wichtige soziale Kontakte.
Gibt es denn den einen, gesündesten und besten Tanz?
Wenn man sich Forschungsdaten anguckt, dann ist es der Hobbytanz. Man sollte das gar nicht so wettbewerbsverbissen machen, sondern wirklich auch einfach Mut zum Tanzen haben, erstmal egal, wie es aussieht. Denn das Wichtigste ist der Spaß bei der Sache.
Gibt es verschiedene Stile für verschiedene Fitness- oder Gesundheitslevel?
Während meiner eigenen professionellen Ausbildung habe ich mich schwer am Rücken verletzt. Danach konnte ich erst mal nicht mehr tanzen. Auch heute kommen Tänze mit viel Springen für mich nicht mehr in Frage. Was aber sehr gut geht, sind Argentinischer Tango oder Bauchtanz. Beim Bauchtanz werden durch die Armbewegungen auch Nacken und Schultermuskulatur gedehnt. Das können Menschen sogar im Sitzen machen. Oder nehmen Sie den klassisch indischen Tanz. Da kann man sich ein Leben lang nur mit den Handbewegungen beschäftigen. Das kann man sogar im Liegen machen.
Die Forschung ist noch nicht soweit festzustellen, welcher Tanz für was und wen besonders gut ist. Da müssen wir noch weiterforschen. In der Zwischenzeit kann aber jede und jeder schon mal losziehen, um den für sich perfekten Tanz zu finden
Ich drehe manchmal zu Hause Musik auf und tanze. Aber gut aussehen tut es leider nicht.
Christensen: Viele denken, tanzen müsse man von sich aus können. Aber wir lernen ja auch, wie man Kaffee kocht oder Auto fährt. Dass wir unseren natürlichen Tanzimpuls weiterentwickeln zu einem Tanzstil, kommt darauf an, ob wir das üben oder nicht.