Gut betreut: Mit Diabetes auf Klassenfahrt
Als Luke 2022 Typ-1-Diabetes bekam, stand seine Klassenfahrt nach Spiekeroog nur wenige Wochen bevor. Plötzlich war unsicher, ob der damals Elfjährige überhaupt mitfahren kann. Alles hing davon ab, ob sich rasch jemand findet, der Luke bei der Diabetestherapie unterstützt. „Er hat sich von Anfang an ziemlich selbstständig um seinen Diabetes gekümmert. Doch in manchen Situationen brauchte er noch Hilfe. Etwa wenn er nächtliche Unterzuckerwarnungen auf seinem Handy verschlief“, sagt seine Mutter Maren Köpp.
Im Internet stieß sie auf das Projekt „KLAFA“ der Deutschen Diabetes-Hilfe — Menschen mit Diabetes (DDH-M), das diabeteserfahrene Klassenfahrtbegleiter stellt. Ein bislang einzigartiges Angebot in Deutschland. „Projektleiterin Kathleen Brockelmann erklärte sich spontan bereit, Luke zu begleiten“, sagt Maren Köpp. „KLAFA“ unterstützt seit 2018 deutschlandweit Familien mit einem Diabeteskind bei Fahrten von Kita, Hort oder Schule.
Helferinnen und Helfer unterstützen Kinder mit Diabetes unterwegs
Die derzeit rund 60 sogenannten Helferherzen des Projektes übernehmen alle Aufgaben, die im Alltag bei den Eltern liegen: Sie unterstützen etwa bei der Berechnung der Insulindosis zum Essen, beim Wechsel von Pumpenkatheter oder Glukosesensor, kontrollieren besonders nach ungewohnten Aktivitäten auch nachts die Zuckerwerte des Kindes und greifen ein, wenn der Blutzucker zu entgleisen droht.
Die mitreisenden Lehrer wollen und können dies oft nicht übernehmen. „Schon deshalb nicht, weil sie den ganzen Tag auf bis zu 30 Kinder aufpassen müssen — und auf Klassenfahrt geht es ja viel turbulenter zu als im Schulalltag“, sagt Brockelmann, selbst Mutter zweier Söhne mit Typ-1-Diabetes und seit 2020 Leiterin des „KLAFA“-Projektes. Brockelmann bringt Familien und Helferherzen zusammen.
Erstes Beschnuppern ist wichtig
„Idealerweise treffen sich diese ein paar Wochen vor der Fahrt zum Beschnuppern“, sagt sie. Zu Familie Köpp fuhr sie wegen der großen Entfernung erst einen Tag vor der Fahrt. „Wir hatten uns aber von Anfang an öfter per Videokonferenz getroffen“, sagt Maren Köpp. Bei Kathleen Brockelmann hatte sie gleich ein gutes Gefühl. Wenige Monate nach Lukes Klassenfahrt vertraute sie ihr auch seinen jüngeren Bruder Noah an, der ebenfalls Typ-1-Diabetes hat: bei seiner Schulreise nach Sandkrug.
115 Kinder begleiteten die Helferherzen 2022. Anfragen gab es 200. Manchmal klappt es nicht, weil viele Fahrten in derselben Woche sind und „KLAFA“ zu wenig Betreuer hat. Dann müssen Eltern anderweitig eine Begleitung suchen oder selbst mit. „Zur Not hätte einer von uns Urlaub genommen. Aber mit Mama oder Papa auf Klassenfahrt — das hätten die beiden nicht so toll gefunden“, sagt Köpp. Diesen Eindruck bestätigt Brockelmann: Es könne dazu führen, dass sich ein Kind weniger entfaltet und ein Stück weit ausgegrenzt wird. Bei fremden Betreuern komme das seltener vor.
Wie das Hilfsangebot finanziert wird
Kathleen Brockelmann unterstützt auch beim Antrag auf Kostenübernahme. Wie dieser abläuft, ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Eltern sollten darum frühzeitig mit dem Diabetesteam besprechen, was zu tun ist und worauf sie achten sollen. Bei Luke sprangen der Förderverein der Schule und die Krankenkasse ein. Bei Noah finanzierte Familie Köpp die Begleitung über den Entlastungsbetrag, den er für seinen Pflegegrad 1 bekommt.
Kinder sollen selbstständigen Umgang mit Diabetes erlernen
„Eine Klassenfahrt ist für das Kind eine Chance, selbstständiger im Umgang mit dem Diabetes zu werden“, sagt Brockelmann. Dafür sei es wichtig, dass die Begleitperson nur wenn nötig einspringt. Viele Kinder tragen einen Glukosesensor, der die Werte rund um die Uhr an ein Handy funkt. Die Begleitperson kann die Werte mit einer „Follower-App“ auf dem eigenen Handy sehen und wird alarmiert, wenn der Zuckerspiegel zu stark steigt oder fällt. Das ermöglicht eine diskrete Überwachung. Bei Luke fiel diese aber buchstäblich ins Wasser.
Kaum auf Spiekeroog angekommen, versenkte er sein Handy in der Nordsee. Die vom Sensor gemessenen Werte zeigte es daraufhin nicht mehr an. Er musste wieder per Fingerpiks messen — und Begleiterin Brockelmann für die nächtlichen Zuckerkontrollen über eine „Hühnerleiter“ zu Lukes Koje knapp unter der Zimmerdecke klettern. Geweckt haben ihn die Messaktionen nicht.
Quellen:
- Heinrich M et al.: Unzureichende Versorgung gefährdet Inklusion von Kindern mit Diabetes mellitus Typ 1. In: Diabetologie und Stoffwechsel : 01.01.2019, https://doi.org/...
- Deutsche Diabetes-Hilfe: Na klar, komme ich mit! Klassenfahrtbetreuung, Fahrtenbetreuung auf Kita-, Hort- und Klassenfahrten für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes. https://menschen-mit-diabetes.de/... (Abgerufen am 15.03.2023)
- Kinderdiabeteslotse Schleswig-Holstein, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein: Klassenfahrt, Information zur Klassenfahrtbegleitung bei Typ 1 Diabetes. https://www.uksh.de/... (Abgerufen am 15.03.2023)