Warum Babys spucken
Neulich kam eine Mutter zu Sandra Deissmann und erzählte der Stillberaterin, dass ihr Baby nach jedem Stillen spuckt, manchmal zwölfmal am Tag. "Das macht natürlich Angst, ich kann das gut nachfühlen", sagt Deissmann, selbst zweifache Mutter und im Vorstand des Berufsverbands Deutscher Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC. In ihrer Praxis in Allensdorf bei Gießen betreut sie auch Familien mit Speikindern. Sie weiß, was diese umtreibt: Kann bei dieser riesengroßen Milchpfütze auf dem Boden noch genug Nahrung im Babybauch sein? Ist das Kleine vielleicht krank?
So widersprüchlich es klingt: Die Antwort auf beide Fragen kann Ja lauten. Ja, ein Speibaby kann kerngesund sein und gut gedeihen. Aber auch: Ja, Speien kann auf eine Krankheit deuten. Dr. Axel Enninger von der Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung ist Kindergastroenterologe am Stuttgarter Olgahospital. In seiner Spezialsprechstunde berät er Familien mit Speibabys. "Manche zeigen mir dann Milchpfützen-Fotos auf dem Smartphone", erzählt Enninger. Meist kann er beruhigen.
Ursache meist unreife Muskeln
Tatsächlich spuckt die Mehrheit der Säuglinge. Zwischen vier und sechs Monaten tun es knapp zwei Drittel der Babys ein- bis dreimal am Tag, rund 20 Prozent mehr als viermal. Die gute Nachricht: "Die Zeit arbeitet für die Familien", sagt Enninger. Nach dem ersten Geburtstag hört das Speien fast immer komplett auf.
Dass Säuglinge aufstoßen, hat seinen Grund in der menschlichen Entwicklung. In der Speiseröhre, rund um den Mageneingang und im Magen liegen Muskeln, die ähnlich wie ein Ventil arbeiten. Bei Säuglingen sind diese Muskeln noch unreif, sie sichern den Mageninhalt nicht optimal. "Da aber die Kleinsten kaum Magensäure produzieren, reizt das Trinkspucken weder die Speiseröhre noch tut es wohl weh", nimmt Enninger zwei weitere Elternsorgen.
Wie wissen Eltern, ob das Speien harmlos ist oder nicht? Ein Blick auf Menge und Häufigkeit hilft nur bedingt weiter. Wer einmal ein zwei Finger breit mit Wasser gefülltes Glas umgestoßen hat, weiß, nach wie viel mehr die Flüssigkeit auf dem Boden aussieht. "Entscheidend ist, dass das Baby verlässlich zunimmt und gut gedeiht", so Enninger.

Ursache des Spuckens: Ein noch nicht richtig ausgebildeter Schließmuskel
© W&B/Ulrike Möhle
Was passiert beim Spucken?
Bei Babys ist der Schließmechanismus zwischen Speiseröhre und Magen noch nicht fest ausgebildet. Daher geht das Ventil manchmal nicht zuverlässig zu.
Der Muskel erschlafft etwa, wenn er gespannt sein sollte. Das passiert auch bei einem Wechsel von der Bauch- in die Rückenlage oder andersherum. Die Schwerkraft tut dann ihr Übriges. Das Baby spuckt.
Was hilft gegen das Spucken?
Zeigt ein Baby keine Krankheitssymptome, müssen Eltern das Trink-Spucken nicht einfach aushalten: Es gibt Kniffe, die die Spei-Attacken minimieren können. So spucken Babys seltener, wenn sie häufig trinken, pro Mahlzeit aber eher kleine Mengen. Ein Tipp von Deissmann: "Das Kind nach Bedarf stillen oder Fläschchen geben, aber wenn es viel spuckt und scheinbar nur alle vier Stunden trinken mag, es öfter anlegen, damit es nicht übermäßig viel auf einmal trinkt."
Ein weiterer Punkt: "Stress schlägt auch den Kleinsten auf den Magen", sagt Deissmann. In ihren Beratungen beobachtet sie deshalb immer Mama und Kind: Wie trinkt das Baby? Hat die Mutter Schmerzen? Die Expertin rät: "Versuchen Sie, für Ruhe beim Stillen zu sorgen, lassen Sie auch den Fernseher aus, sodass Sie und Ihr Baby sich aufs Trinken konzentrieren können. Und wenn das Stillen schmerzt, holen Sie sich Hilfe bei einer Hebamme oder Stillberaterin, damit Sie Ihr Kind stressfrei und ohne Angst anlegen können."
Manchmal kommt es tatsächlich vor, dass ein Spuckbaby schlicht zu viel trinkt. Zwar können Säuglinge mit Mutter- oder Pre-Milch nicht überfüttert werden. "Doch Babys saugen nicht nur, um satt zu werden", klärt Deissmann auf. "Sie saugen auch, um sich zu regulieren." Einige Mütter haben so viel Milch, dass ihr Baby bereits nach wenigen Minuten satt – sein Saugbedürfnis aber noch ungestillt ist. "Manche Kinder lassen dann die Milch aus dem Mund fließen, andere trinken über den Durst", sagt Deissmann. Dann können Stillende versuchen, die leerere Brustseite oder einen Schnuller anzubieten. Fläschchen-Eltern probieren es mit einem Schnuller.
Und das Bäuerchen? "Das wird häufig überbewertet, es hat keinen Einfluss auf das Spucken", sagt die Stillberaterin. Manche Babys stoßen auf, andere nicht, und Letzteres sei absolut in Ordnung. Dass Babys durch Auf-den-Rücken-Klopfen aufstoßen, ist ein Ammenmärchen. Besser: ein Baby, das ein Bäuerchen braucht, sanft anheben.