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Die Krone will einfach nicht im Haar stecken bleiben. Nach dem fünften Versuch flippt das kleine Mädchen aus. Schreit, tobt und schlägt mit dem Kopf gegen die Wand. "Für Außenstehende und Eltern sind starke Wutausbrüche bei Kleinkindern oft sehr befremdlich, aber sie sind ab und zu ganz normal und Teil der kindlichen Entwicklung", sagt Holger Simonszent, Kinderpsychologe aus Gauting bei München.

Wenn Kinder sich in die eigene Hand beißen oder ihren Kopf gegen ein Regal schlagen, spricht Simonszent von Autoaggression. "Die Kinder ärgern sich in diesem Moment über sich selbst oder über ihre Eltern und können ihre Gefühle nicht anders zum Ausdruck bringen, als sich selbst wehzutun." In aller Regel hat das aber nichts damit zu tun, dass sich Kinder bewusst selbst verletzen wollen.

Gabriele König-Lindinger ist Pädagogin und Erzieherin in München

Gabriele König-Lindinger ist Pädagogin und Erzieherin in München

Jedes vierte Kleinkind hat schwere Trotzphase

Aber was können Eltern tun, wenn ihr Kind sich selbst schlägt? "Eine schnelle Lösung, die bei allen Kindern gleich gut funktioniert, gibt es nicht", erkärt Gabriele König-Lindinger, Pädagogin aus München. "Bei einem akuten Wutanfall sollten Eltern das Kind nicht allein lassen und nach Möglichkeit ruhig bleiben. Nach dem Wutanfall können die Eltern das Kind beruhigen, indem sie ihm Beachtung und Zuwendung geben", so König-Lindinger.

Dass Kinder in diesem Alter so weit gehen, sich bewusst schwer zu verletzen, kommt Holger Simonszent zufolge sehr selten vor – auch wenn "etwa 20 bis 30 Prozent der Kleinkinder eine exzessive Trotzphase durchleben, in der die Eltern nur schwer mit ihnen zurechtkommen". Falls aber das Kind sich nicht beruhigen lässt und die Wutausbrüche immer öfter und heftiger auftreten, ist es wichtig, sich Hilfe bei einem Kinderarzt, Psychologen oder einer Erziehungsberatungsstelle zu holen. "Wenn ein Vater oder eine Mutter das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt mit dem Verhalten des Kindes, empfehle ich, lieber einmal zu oft einen Arzt um Rat zu fragen als einmal zu wenig", sagt Simonszent.

Holger Simonszent ist Kinderpsychologe in Gauting

Holger Simonszent ist Kinderpsychologe in Gauting

Vielfältige Auslöser für Autoaggression

Die Auslöser für ein leicht autoaggressives Verhalten können bei den Kleinen vielfältig sein: sobald beim Spielen oder Anziehen etwas nicht klappt oder auch, wenn die Eltern nicht machen, was die Kleinen wollen. "Manchmal sind die Kinder auch wütend, weil sie nicht verstehen können, warum sie etwas nicht bekommen, wie etwa einen Schokoriegel aus dem Supermarkt", erkärt Simonszent. Sagen Eltern dann "Nein", mutiert das Kind zum brüllenden Wutzwerg.

Der Psychologe rät, Ruhe zu bewahren und nicht zu schimpfen. Süßigkeiten oder Handy als Ablenkungsmanöver einzusetzen, sieht er kritisch: "Das Kind nimmt dies wie eine Belohnung wahr, merkt sich das und wird es immer wieder auf diese Weise probieren."

Kinder können Probleme noch nicht in Worte fassen

Ein wenig können Eltern versuchen, den schwierigen Situationen vorzubeugen: Sind Kinder übermüdet, haben Hunger oder sind sie von Stress in der Familie betroffen, reagieren sie auf Kleinigkeiten extremer. Wichtig ist, dass die Eltern eine gute Bindung zu ihrem Kind haben, das heißt, dass sie sich fürsorglich kümmern und seine Bedürfnisse wahrnehmen. Denn die Kleinen können ihr Problem meist noch nicht in Worte fassen und benötigen die Unterstützung der Eltern. Oft lässt sich durch gezieltes Fragen herausfinden, wo die Schwierigkeiten liegen und wie sie sich lösen lassen. Dem Kind zum Beispiel ein Stück Obst zu reichen, wenn es hungrig ist.

So lernen Kinder Umgang mit Stress

Hat sich das Kleine wieder etwas beruhigt, können Eltern ihm helfen, die Situation einzuordnen. Zum Beispiel indem sie ihm erklären, dass es in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen, wenn etwas nicht gleich klappt. Mit der Zeit lernt das Kind so, mit Schwierigkeiten umzugehen. Auch im Alltag sind Eltern ein Vorbild beim Bewältigen von Konflikten. "Das bedeutet nicht, dass Eltern sich nicht auch mal ärgern dürfen, aber sie sollten den Kindern einen angemessenen Umgang in Stress-Situationen vorleben", rät der Psychologe. Und wenn das Kind beim nächsten Mal ruhig reagiert, obwohl das Krönchen nicht auf dem Kopf bleiben will: Loben nicht vergessen und es bestärken, so weiterzumachen!