Was fördert die Feinmotorik?

Perlen auffädeln verbessert das feinmotorische Geschick
© Plainpicture GmbH
Bügelperlen vom Boden aufklauben, die Knöpfe an der Strickjacke selber schließen, Holzkugeln auf eine Schnur fädeln, einen Stift sicher in der Hand halten und damit einen Kreis malen, der auch wie einer aussieht: Für Erwachsene sind das normale Handgriffe, die Finger erledigen sie von allein. Für ein Kleinkind bedeuten sie viele Herausforderungen, die Zeit und Geduld brauchen und immer wieder geübt werden müssen. Herausforderungen, die vielen schwer fallen.
Kinderärzte und Ergotherapeuten beobachten: Schon Dreijährige wischen gekonnt auf Smartphones und Tablets hin und her, vergrößern Bilder oder starten Videos. Gleichzeitig haben sie aber Schwierigkeiten, eine Buchseite umzublättern oder ein Bild auszumalen. Zwei Gruppen könne man grob unterscheiden, sagt Dr. Edwin Ackermann, Kinder- und Jugendarzt aus Tönisvorst in Nordrhein-Westfalen: "Kinder, die gerne malen und basteln und deren Eltern dies auch fördern. Und Kinder, die wenig Lust oder Talent dazu haben, es aber auch nicht üben." Oft sei Eltern nicht klar, wie wichtig feinmotorische Fähigkeiten seien – sowohl in der Kleinkind-Entwicklung als auch für spätere Herausforderungen wie das Schreibenlernen.
Übungen in den Alltag einbauen ist am effizientesten
Um zu lernen, müssen Kinder selbst den Kuchenteig kneten, den Knopf ins Loch fummeln oder die Gurken fürs Abendbrot schnippeln. So üben sie, wie’s geht – und vertiefen und verbessern diese Fertigkeiten immer mehr, bis sie richtig sitzen.
Allein vom Zuschauen stellt sich dieser Effekt nicht ein. "Ein Dreijähriger, der zwar ein Smartphone bedienen, aber keine Buchseite greifen kann, hat keine Störung, aber ein Defizit. Ihm fehlt die Erfahrung", sagt Irini Tsangaveli, Ergotherapeutin in Königstein und Landesvorsitzende Hessen im Deutschen Verband der Ergotherapeuten.
Aber braucht es für diese Erfahrung gleich eine Therapie? Nein, sagen Kinderärzte und Ergotherapeuten einstimmig. "Der ganz normale Alltag ist das beste Training", sagt Gabriele König, Vorsitzende des Bundesverbandes für Ergotherapeuten aus Mosbach. "Mehrmals fünf Minuten am Tag haben mehr Effekt als einmal wöchentlich eine halbe Stunde", so Ackermann. König rät: "Die Eigenmotivation des Kindes nicht ausbremsen, sondern nutzen." Das kostet Geduld, fördert aber die Fingerfertigkeit des Kindes. Und: Es genießt die Aufmerksamkeit von Mama und Papa und die gemeinsame Zeit – zum Beispiel beim Kochen oder Basteln. Elektronische Geräte bleiben dann einfach mal ausgeschaltet.
Kindern Zeit und Gelegenheiten geben
Klar, geht es schneller, wenn Mama das Brot schmiert oder Papa die Knöpfe schließt. Aber so verliert man eine wertvolle Trainingseinheit. Deshalb, wann immer es möglich ist: mehr Zeit einplanen und die Kinder machen lassen. Erwachsenen ist oft nicht bewusst, was die Kleinen alles lernen, wenn sie nur ihre Jacke alleine anziehen: Wann braucht man beide Hände, wann nur eine? Welche Hand hält, welche führt aus? "Kinder wissen genau, was sie noch üben müssen, wo sie Zeit brauchen", sagt Gabriele König. "Das sollten Eltern wertschätzen und diese Leistung auch loben, nicht nur das Ergebnis."
Mehr Unterstützung benötigen Kinder, wenn es nicht nur mit der Feinmotorik hapert. "Zum Beispiel bei Problemen mit der visuellen Wahrnehmung, wenn das Kind wegen eines Sehfehlers keine gute Hand-Augen-Koordination hat", sagt Irini Tsangaveli. Dann kann eine gezielte Förderung helfen. "Wenn sich das Kind aber auch grobmotorisch und sprachlich schwertut, ist eine Ergotherapie wichtig", sagt Mediziner Ackermann. Standardisierte Tests wie das Zeichnen von Formen bei der U 8-Untersuchung mit vier Jahren geben erste Hinweise. Dann ist die Therapie mehr als eine Förderung, sie ist eine medizinische Heilbehandlung.