Hygiene in Kitas: Welche Regeln gelten?
Das Coronavirus hält uns weiter in Atem. Hygiene scheint es, war selten wichtiger als heute. Wir haben uns einmal mit Marc Schlachter vom Gesundheitsamt über die ohnehin schon strengen Hygieneregeln in Kitas unterhalten:
Herr Schlachter, Sie sind häufig Gast bei Kita-Elternabenden. Was ist Ihre Mission?
Ich möchte Eltern und Erzieher für das Thema Hygiene sensibilisieren. In Kindertagesstätten ist das ein heikler Bereich. In einer Einrichtung mit beispielsweise vier Gruppen werden zwischen 80 und 100 Kinder betreut. Kommt nur eines mit einer ansteckenden Krankheit in die Kita, kann sich ein Erreger ohne entsprechende Maßnahmen schnell ausbreiten.

Marc Schlachter arbeitet beim Gesundheitsamt Augsburg Land als Hygienekontrolleur
© W&B/Privat
Was haben Eltern damit zu tun?
Eltern müssen nachvollziehen können, warum sie ihr Kind mit Magen-Darm-Virus, Masern, Windpocken, einer Bindehautentzündung oder mit Läusen zu Hause lassen sollten. In erster Linie natürlich, weil ein krankes Kind Ruhe braucht. Aber eben auch zum Schutz der Gemeinschaft. Darüberhinaus gibt es einige Hygienevorschriften, die auf den ersten Blick schwer nachvollziehbar erscheinen. Etwa warum das Personal beim Wickeln eine Schürze und Handschuhe tragen muss.
Warum muss man denn da so streng sein?
Weil die Ausscheidungen von Kindern hoch infektiös sein können. Beim Wickeln ohne Handschuhe und Schürze könnten sich Viren oder Bakterien ruckzuck verbreiten.
Mal angenommen, eine Einrichtung nimmt es nicht so genau mit den Hygienemaßnahmen. Wie wollen Sie das überprüfen?
Entweder fällt das bei einer Routinekontrolle auf, oder die Krankenrate wird in der Kita auffällig hoch sein. In der Regel erreicht uns dann irgendwann ein Anruf im Gesundheitsamt, weil das Kita-Team die Lage nicht mehr kontrollieren kann – und dann gehe ich in die Einrichtung.
Und schließen die Kita?
Nein, das nicht. Eine Schließung ist immer das letzte Mittel, wenn alle anderen Maßnahmen keine Wirkung zeigen. Bittet eine Kita um Hilfe, komme ich grundsätzlich als unterstützender Partner. Wir wollen ja auch in Zukunft vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Wie gehen Sie also dann vor?
Nehmen wir mal an, in der Kita mehren sich die Krankmeldungen, und es tauchen immer wieder neue Fälle auf, obwohl doch augenscheinlich sofort gereinigt wird. Zunächst muss ermittelt werden, welcher Erreger dort kursiert und wann der erste Fall aufgetreten ist.
Sie können sagen, welches Kind als Erstes krank war?
Natürlich. Viele Erkrankungen sind meldepflichtig. Die Einrichtungen und auch Labore sind verpflichtet, das Gesundheitsamt zu informieren. Für uns genügt dann ein Blick in die Akten.
Wie geht es weiter, wenn Sie den Errreger herausgefunden haben?
Ich lasse mir zeigen, wie und womit die Erzieherinnen reinigen. Manchmal sind Anwendungsfehler die Ursache, dass eine Krankheit immer wieder ausbricht.
Können SIe das an einem Beispiel genauer erklären?
Zwölf Kleinkinder spielen im Gruppenraum, ein Kind erbricht sich. Der Hygieneplan sieht vor, dass sich eine Erzieherin um das Kind kümmert, es tröstet, sauber macht und so weiter. Eine weitere Kollegin muss dafür sorgen, dass von dem Erbrochenen keine Gefahr mehr ausgehen kann. Also bringt sie alle anderen Kinder erst einmal in einen anderen Raum, und dann wird der Bereich, wo sich das Kind erbrochen hat, virenwirksam und großräumig desinfiziert.
Wie kann man dabei einen Fehler machen?
Zum Beispiel, indem man keine Handschuhe und keine Schürze beim Reinigen trägt. Oder das falsche Reinigungsmittel benutzt. Oder das Mittel nicht lange genug einwirken lässt. Oder den Bereich nicht großräumig genug säubert. Da gibt es viele Möglichkeiten. Hat ein Kind zum Beispiel das Norovirus und erbricht sich, muss man wissen, dass die Partikel in der Luft schweben und langsam abregnen. Das Virus ist so hoch ansteckend, dass kleinste Partikel ausreichen, um weitere Kinder und Erwachsene zu infizieren. Blieben die Kinder zu lange im Raum oder er wird gereinigt, bevor alle Partikel abregnen konnten, könnte kurz darauf die halbe Gruppe außer Gefecht sein.
Aber die Erzieherinnen wissen beim ersten Mal doch nicht, aus welchem Grund das Kind spuckt …
Richtig, deshalb gibt es die Meldepflicht. Das Infektionsschutzgesetz (Anm. d. Red.: www.rki.de) schreibt vor, auf welche Krankheiten und Erreger das zutrifft. An dieser Stelle ist eine Einrichtung auf die Mitarbeit der Eltern angewiesen. Dass sie wirklich mit dem Kind zum Arzt gehen, anschließend der Kita die Diagnose mitteilen und ihr Kind lange genug zu Hause lassen.
Was bedeutet lange genug?
Bei Durchfall und Erbrechen muss das Kind – zumindest in Bayern – an zwei aufeinanderfolgenden Tagen symptomfrei sein, bevor es wieder in die Kita darf. In anderen Bundesländern können die Regeln auch abweichen. Ansonsten gilt, was der Arzt sagt.
Manche Eltern haben Kinder, die sehr anfällig sind und ständig krank werden. Können Sie verstehen, dass die eine Diagnose mal verschweigen oder ihr Kleines doch früher wieder in die Kita bringen?
Wenn Eltern so etwas machen, steckt häufig große Verzweiflung dahinter. Beispielsweise, wenn Mutter und Vater arbeiten müssen und auf die Schnelle niemanden finden, der sich um das kranke Kind kümmert. Nur: Wenn jeder so agiert, sind alle Kinder in der Regel viel öfter krank.
Was geschieht, wenn Sie herausfinden, dass Eltern wiederholt nicht ehrlich sind?
Wir setzen auf Kommunikation. Den meisten Eltern ist nicht klar, dass ein Verstoß gegen die Meldepflicht rechtlich gesehen eine Ordnungswidrigkeit darstellt und mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Effizienter als Strafen sind jedoch Gespräche. Häufig mangelt es den Eltern an Bewusstsein, dass das Verhalten jedes Einzelnen Auswirkungen auf die Gemeinschaft haben kann. Einige Eltern denken allerdings auch, dass wir nicht rekonstruieren können, ob sie ihr Kind trotz Erkrankung in die Kita gebracht haben. Tatsächlich ist genau das Gegenteil möglich.
Wie denn?
Im Verdachtsfall wird beispielsweise der Kinderarzt befragt.
Aber der hat Schweigepflicht …
Grundsätzlich ja. Laut Paragraf 25 des Infektionsschutzgesetzes muss er aber Auskunft erteilen, sobald das Gesundheitsamt eingeschaltet ist. Dann stellt sich heraus, ob Eltern wirklich beim Arzt waren oder wider besseres Wissen gehandelt haben.
Immer wieder hört man von Eltern, die ihrem kränkelnden Kind Medikamente geben, damit es den Kita-Tag übersteht. Haben Sie das auch schon mal erlebt?
Ja, leider. Fiebersaft ist häufig so ein Mittel. Fieber ist ein Symptom und keine Ursache. Das bedeutet, das Kind hat einen Infekt, und der Körper arbeitet dagegen an. Der Arzt entscheidet, ob es ein Fiebermittel braucht. Wenn Eltern aber das Medikament geben, damit das Kind "funktioniert", ist das Gefährdung des Kindeswohls.
Was machen Sie mit den Eltern?
Mit ihnen reden. Meine erste Frage lautet immer: Was glauben Sie, was Ihr Kind braucht, wenn es Fieber hat und sich nicht wohlfühlt?
Welche Antwort bekommen Sie?
Meistens Nähe und Ruhe.
Das klingt doch vernünftig …
Ja, paradox. Im Gespräch reagieren Eltern oft betroffen. Ich erkläre ihnen, dass sie die Krankheit mit solchen Methoden unnötig verlängern: weil man gar nicht merkt, wie krank das Kind wirklich ist und weil man riskiert, dass andere Kinder erkranken. An dieser Stelle erinnere ich gern an die goldene Regel: "Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu." Meistens erreiche ich die Eltern. Häufig glauben sie auch, sie hätten das Richtige getan. Immerhin gehe es dem Kind doch besser mit Fiebersaft.
Wie sieht Ihr Alltag aus, wenn Sie nicht notfallmäßig in einer Kita zu tun haben?
Im Landkreis Augsburg betreue ich 163 Kindertagesstätten, Kliniken und Arztpraxen. Alle zwei Jahre muss ich jede Kita einmal routinemäßig überprüfen. Je nach Größe der Einrichtung dauert das zwei bis fünf Stunden.
Kommen Sie unangemeldet?
Nein, ich und auch meine Kollegen aus anderen Landkreise sind auf die Mitarbeit der Kita-Leitung und des Teams angewiesen. Sie müssen verstehen, warum sie tun, was sie tun sollen, damit sie es tun.
Können Sie das bitte übersetzen?
Die Hygieneregeln für Gemeinschaftseinrichtungen sind sehr streng und werden durch das Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben. So sind die Einrichtungen zum Beispiel verpflichtet, einen Hygieneplan aufzustellen, an den sich dann alle zu halten haben.
Was steht da alles drin?
Zum Beispiel der Handlungsablauf, wenn sich ein Kind erbricht oder Durchfall hat. Genauso steht da aber auch, welche Impfungen für Mitarbeiter empfohlen und vom Arbeitgeber bezahlt werden. Oder welches Desinfektionsmittel für welchen Erreger anzuwenden ist, nach welchen Regeln sich Kinder und Erwachsene die Hände zu waschen haben, welche Krankheiten meldepflichtig sind und, und, und. Zusammen mit der Kita-Leitung gehe ich jede Maßnahme durch und überprüfe, ob alles richtig dokumentiert beziehungsweise vorhanden ist.