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Der Augenarzt führt eine Elektroretinografie durch, um die Funktion der Netzhaut zu prüfen, die Mediziner Retina nennen. Dabei untersucht er die Fähigkeit des Auges, Lichtreize in Nervenreize umzuwandeln.

Was wird bei einer Elektroretinografie gemessen?

Mithilfe des aufgezeichneten Elektroretinogramms lassen sich krankhafte Veränderungen der Netzhaut aufdecken. In die Netzhaut sind spezialisierte Sinneszellen, sogenannte Stäbchen und Zapfen eingebettet. Während die Stäbchen für das Sehen bei sehr schlechtem Licht (Nachtsehen) zuständig sind, ermöglichen die Zapfen das Sehen von feinen Details und Farben.

Trifft ein Lichtstrahl auf die Netzhaut auf, wandeln die Zellen den Lichtreiz zu einem elektrischen Impuls um und leiten ihn an den Sehnerv weiter. Dies geschieht jedoch nicht einfach auf direktem Weg, sondern es sind Zellen zwischengeschaltet, die wie die Elektronik einer modernen Digitalkamera das Bild verbessern, indem Sie zum Beispiel Kontraste steigern oder abschwächen. Über den Sehnerv erreichen die Impulse das Gehirn, das die Information zu einem Bild verarbeitet. Beim ERG werden die elektrischen Impulse, die durch die Lichtreize in der Netzhaut entstehen, gemessen.

Wie läuft die Untersuchung ab?

Man unterscheidet folgende Formen der Elektroretinografie:

•    Helligkeits-ERG

•    Muster-ERG

•    Multifokales ERG

Die älteste und am häufigsten durchgeführte Untersuchung ist das Helligkeits-Elektroretinogramm. Erfolgt es bei hellem Licht, spricht man von einem photopischen ERG; passt sich das Auge zunächst an Dunkelheit an, von einem skotopischen ERG. In der Regel beginnt der Augenarzt mit der skotopischen Elektroretinografie. Dazu sitzt der Patient mindestens 30 Minuten vor der Untersuchung in einem völlig dunklen Raum, damit sich das Auge an die Dunkelheit adaptieren kann, sich also anpasst. Dies bedeutet, dass die Stäbchen "eingeschaltet" werden und das Sehen übernehmen, während die Zapfen in den Hintergrund treten. Um die elektrischen Reize in der Netzhaut zu messen, bringt der Arzt zuvor Elektroden an den Augen an. Früher waren diese in eine Kontaktlinse eingearbeitet, heute nimmt man meistens ein kleines Metallfädchen, das unter das Unterlid gelegt wird und das man kaum am Auge spürt.

Die eigentliche Untersuchung erfolgt, indem zunächst schwache, dann stärker werdende Lichtblitze die Netzhaut reizen. Anschließend erfolgt das photopische ERG. Dazu wird ein helles Licht eingeschaltet, und der Patient wartet nochmals, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt haben. Dabei werden nun die Stäbchen ab- und die Zapfen angeschaltet. Zur Messung werden beim Helligkeits-ERG erneut Lichtblitze und Flimmerlicht erzeugt.

Beim Muster-ERG, mit dem der Sehnerv überprüft wird, sitzt der Untersuchte vor einem Bildschirm, auf dem in schnellem Wechsel schwarze und weiße Felder erscheinen. Das multifokaler ERG ähnelt dem Muster-ERG, nur dass die schwarz-weißen Felder nun nach einem ausgeklügelten Rhythmus wechseln, aus dem der Computer berechnen kann, welchen Anteil jedes einzelne Fleckchen der Netzhaut an der elektrischen Antwort hat. Während das Helligkeits-ERG nur feststellt, ob das Auge insgesamt in Ordnung oder krank ist, kann der Arzt mit dem multifokalen ERG herausfinden, welcher Teil der Netzhaut krank ist.

Was lässt sich mithilfe des ERG erkennen?

Mithilfe eines ERGs lassen sich verschiedene Augenerkrankungen feststellen. Am gesunden Auge beantwortet die Netzhaut den Lichtreiz mit einer elektrischen Erregung. Im ERG ist dies in Form einer Welle sichtbar. Bei bestimmten Augenkrankheiten reagiert die Netzhaut nicht oder nicht ausreichend auf die Lichtblitze, die Welle ist vermindert, verformt oder fehlt ganz. Dies sagt aber noch nichts darüber aus, ob der Patient gut oder schlecht sieht, dazu gibt das ERG nur einen groben Anhalt. Die Sehfähigkeit muss daher in einer eigenen Untersuchung überprüft werden.

Folgende Augenkrankheiten lassen sich mithilfe eines ERG feststellen:

•    Retinopathia pigmentosa und verwandte Erkrankungen: Die Retinopathia pigmentosa ist eine Erbkrankheit, bei der eine zunehmende Zerstörung der Netzhautzellen allmählich zur Erblindung führt.
•    Siderose der Netzhaut: Diese Krankheit entsteht infolge einer Augenverletzung mit Eisenspilttern; die Eisen-Teilchen (Eisen-Ionen) schädigen die Netzhaut.
•    Eine angeborene oder infolge einer Schädigung erworbene Erkrankung des gelben Flecks (Makula). Dies ist die Domäne des multifokalen ERG.
•    Schädigung des Sehnervs, zum Beispiel durch einen zu hohen Augeninnendruck beim Grünen Star (Glaukom). Diese lässt sich mit einem Muster-ERG feststellen.
•    Jegliche andere Schäden der Netzhaut, zum Beispiel nach Entzündungen oder Durchblutungsstörungen können sich auf das ERG-Ergebnis auswirken. Bei bestimmten Medikamenten können drohende Nebenwirkungen früh im ERG erkannt werden.

Welche Vorteile hat die Elektroretinografie?

Im Rahmen eines ERG können Erkrankungen der Netzhaut schon frühzeitig erkannt werden. Zwar ist nur bei wenigen Netzhautkrankheiten eine Heilung möglich; durch eine rechtzeitige Behandlung lässt sich jedoch in einigen Fällen der Krankheitsverlauf verlangsamen. Außerdem lassen sich – wenn die Krankheit früh erkannt wird – durch Frühförderung und eine entsprechende Berufsberatung wichtige Weichen für das weitere Leben stellen. Ein ERG ist auch dann wichtig, wenn es gilt, vor einer Operation festzustellen, wie gut die Netzhaut noch arbeitet.

Die Elektroretinografie hat zudem den Vorteil, dass es sich um ein objektives Messverfahren handelt, dass heißt, die Funktion der Netzhaut kann unabhängig von subjektiven Beschwerden des Patienten beurteilt werden. So verursachen manche Augenkrankheiten anfangs kaum Beschwerden, die Schädigung der Netzhaut ist aber bereits messbar.

Welche Risiken bestehen?

Ein ERG ist normalerweise vollkommen schmerzfrei und birgt für den Patienten keine Risiken. In seltenen Fällen kommt es zu fehlerhaften Messergebnissen, zum Beispiel, wenn die Hornhaut-Elektroden verrutschen oder die Augen und Lider sehr stark bewegt werden. Selten kommt es bei der Elektroretinografie zu leichteren Reizungen, wie Rötungen oder einem Brennen der Augen. In der Regel klingen solche Beschwerden nach kurzer Zeit von alleine ab. Die heute üblichen Fadenelektroden sind in dieser Hinsicht ziemlich unproblematisch.

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Beratender Experte: Professor Dr. med. Helmut Wilhelm, Augenarzt

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.