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Nach dem Genuss eines Apfels grummelt der Magen verdächtig. Ist das etwa eine Unverträglichkeit? Und: Kann man diese an den Haaren ablesen, wie Anbieter im Internet versprechen? Wichtig zunächst: Intoleranz, Allergie und Unverträglichkeit – diese Begriffe gehen oft durcheinander. „Unverträglichkeit ist eigentlich der Oberbegriff“, sagt Prof. Dr. Margitta Worm, Leiterin der Allergologie und Immunologie in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité in Berlin.

Wie häufig sind Nahrungsmittelallergien?

Echte Nahrungsmittelallergien sind seltener als oft vermutet. Etwa vier Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Häufige Allergene bei Kindern sind Hühnerei, Milch, Soja, Weizen und Erdnuss. Erwachsene vertragen oft Apfel, Sellerie, Schalen- oder Krustentiere und Weizen nicht gut. „Für Intoleranzen gibt es keine wirklich belastbaren Zahlen, da oft noch eine gute Diagnosemethode fehlt“, sagt Prof. Dr. Christian Sina, Leiter des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. „Geschätzt sind zehn Prozent der Bevölkerung betroffen.“

Bei Intoleranzen ist das Immunsystem unbeteiligt. Vielmehr kann der Körper bestimmte Stoffe – etwa Fruchtzucker oder Laktose – schlecht abbauen. Mit kleinen Mengen kommt er oft noch klar. Typische Symptome zeigen sich meist nach einigen Stunden: Magenschmerzen, Durchfall, Erbrechen oder Blähungen. Ob dahinter eine Unverträglichkeit oder gar eine Allergie steckt, soll unkompliziert eine Haarprobe zeigen, versprechen Tests im Internet: Ein paar Haare einsenden und wenige Tage später mehr wissen. Auch Metallbelastungen oder der Vitaminhaushalt sollen so analysierbar sein.

Welche Substanzen lassen sich in Haaren nachweisen?

Tatsächlich sind viele Substanzen in den Haaren nachweisbar. „Die Haarwurzeln sind durchblutet und lagern daher alle Stoffe ein, die durchs Blut zirkulieren“, so Rechtsmediziner Prof. Dr. Benjamin Ondruschka vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Wachsen Haare, treten die Stoffe dann empor, circa einen Zentimeter pro Monat.“ Eine fünf Zentimeter lange Haarsträhne verrate daher den Konsum der letzten fünf Monate. So lassen sich etwa Dopingmittel aufspüren.

Aber auch Drogen, Alkohol oder bestimmte Arzneimittel, selbst wenn diese im Blut nicht mehr auffindbar sind. Auch Schwermetalle wie Blei können bei entsprechender Belastung in den Haaren nachgewiesen werden. „Es gibt also durchaus Dinge, die man so analysieren kann“, sagt Margitta Worm. „Auch sehr extreme Mangelzustände eventuell.“ Um eine Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz nachzuweisen, sind die Tests ihr zufolge aber nicht zu empfehlen.

Wie zuverlässig ist der Nachweis von Nahrungsmittelallergien durch Haarproben?

„Es gibt keine gute Literatur, die belegt, dass es sich bezüglich Nahrungsmittelallergien um seriöse Nachweisverfahren handelt.“ Worm beobachtet, dass die Tests eher zu großer Verunsicherung führen, da viele Lebensmittel als mögliche Auslöser aufgelistet werden. „Schlimmstenfalls werden diese dann unnötigerweise gemieden.“ Ernährungsmediziner Sina warnt auch vor anderen Tests, die durch Fachgesellschaften nicht empfohlen werden – etwa Stuhl-Mikrobiomanalysen oder Bioresonanz.

„Häufig sind schon die Interpretationen und Empfehlungen hanebüchen und haben nichts mit dem klinischen Erscheinungsbild zu tun. Den Scherbenhaufen müssen wir in der Klinik dann auffegen.“ Eine weitere Gefahr: Nötige Untersuchungen werden verschleppt. „Blähbauch, Bauchschmerzen, veränderter Stuhlgang – das kann auch mal eine chronisch entzündliche Darmerkrankung oder gar Darmkrebs sein.“

Welche Alternativen gibt es zu den Haartests?

Wie lassen sich Allergien und Intoleranzen gut belegt nachweisen? Für Allergien gibt es etablierte Testverfahren. Bei Intoleranzen kann es helfen, ein Ernährungstagebuch zu führen, um dann gemeinsam mit Expertinnen und Experten zu prüfen, wann Beschwerden auftreten. „Oft hilft dann schon eine kleine Ernährungsumstellung“, sagt Margitta Worm.


Quellen: