Kondome schützen!
Eine sichere Nummer: Wer sexuell übertragbare Krankheiten verhindern will, sollte Kondome nutzen
Die Rechnung ist einfach: Wer niemanden trifft, kann niemanden anstecken. Das gilt für COVID-19, aber auch für andere ansteckende Krankheiten insbesondere sexuell übertragbaren Infektionen (STI). So liegt die Vermutung nahe, dass während des Lockdowns und der anschließenden Einschränkungen die Neuinfektionen auch hier zurückgegangen sind. Schließlich gab es kaum Möglichkeiten für ein Date in einem Club oder einen One-Night-Stand nach einer Party. Für Chlamydien, Gonorrhoe (Tripper), Genitalherpes oder HPV gibt es hierzulande keine Meldepflicht – und somit auch kaum verlässliche Zahlen, ob sich die Infektionshäufigkeit verändert hat. Bei den Syphilis-Infektionen gab es laut Robert-Koch-Institut (RKI) aber von Januar bis Juli bundesweit einen Rückgang von rund 3400 auf rund 3200 Fälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Derzeit untersuchen Wissenschaftler des Instituts genauer, wie sich die Corona-Zeit auf verschiedene Infektionskrankheiten ausgewirkt hat.
Wirksame Therapien und einfacher Schutz vor Geschlechtskrankheiten
Auch bei HIV gab es weniger Neudiagnosen – allerdings muss hier nicht unbedingt eine sexuelle Abstinenz während des Lockdowns die Ursache sein, da zwischen einer Infektion und der Diagnose sehr viel Zeit vergehen kann. Ohnehin sinkt die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland seit Jahren stetig, laut RKI auf 2400 Fälle im Jahr 2018, 2017 waren es noch 2500 Neuinfektionen. Denn wenn Infizierte ihre Medikamente richtig einnehmen, können sie die Viren nicht mehr weitergeben. Was dagegen steigt, ist die Zahl der Menschen, die mit einer Infektion leben. In Deutschland ist bis Ende 2018 auf 87.900 gestiegen. Das liegt daran, dass HIV inzwischen gut behandelbar ist. "Man muss zwar sein Leben lang Medikamente nehmen, aber die Lebenserwartung ist fast normal", sagt Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe. "Und weil die Therapien so wirksam geworden sind, gibt es in Beruf, Freizeit, Sexualität oder Familienplanung so gut wie keine Einschränkungen mehr." Zusätzlich übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen seit September 2019 die Kosten für ein Medikament, mit dem sich Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko vor einer Ansteckung schützen können: die sogenannte Prä-Expositions-Prophylaxe, PrEP.
Kondome: Gut zu wissen


Wie werden Kondome hergestellt?
Kondome werden meist aus Naturkautschuk-Latex hergestellt. Bei der Produktion werden zunächst Formkörper in eine flüssige Latexmischung getaucht. Der Gummifilm trocknet, und die Kondome werden vulkanisiert. Anschließend werden sie gepudert, bevor sie elektronisch vorgeprüft, gerollt, befeuchtet und luftdicht verpackt werden. Bilder von links nach rechts: Durch Querschnitte in der Gummibaumrinde entrinnt milchiges Latex. Formkörper aus Glas werden in flüssiges Latex getaucht. Das Glas kühlt schnell ab, so dass superdünne, glatte Kondome entstehen können.

Wie werden sie getestet?
Kondome müssen hohe gesetzlich geregelte Anforderungen erfüllen, die im Labor überprüft werden. So muss ein Kondom mindestens 18 Liter Wasser oder 30 Liter Luft fassen, bevor es platzen darf. Reißen darf es erst, wenn es mindestens um das Siebenfache gedehnt wurde.

Wie sollte man sie lagern?
Kondome sollten kühl und trocken gelagert und vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden. Manche Experten raten sogar dazu, sie im Kühlschrank aufzubewahren. Außerdem sollte man Kondome nicht in der Hosentasche oder im Geldbeutel aufbewahren, weil sie dort beschädigt werden können.

Seit wann gibt es Kondome?
Schon die alten Griechen sollen Präservative aus Ziegenblasen zur Empfängnisverhütung verwendet haben. Als sich im 15. Jahrhundert die Syphilis verbreitete, rief der italienische Arzt Gabriele Falloppio dazu auf, zum Schutz mit Medikamenten getränkte Leinensäckchen zu verwenden. 1839 entwickelte Charles Goodyear ein Verfahren zur Vulkanisierung von Kautschuk. Die ersten "Gummis" waren damit zwar wasserfest und bruchstabil, allerdings auch sehr dick und mit störender Längsnaht. Erst als Julius Fromm eine Methode entwickelte, mit der man auf die Naht verzichten konnte, erlebte das Verhütungsmittel seinen Durchbruch. 1930 wurde schließlich das erste Latexkondom entwickelt. Im Bild: Kondome aufblasen – Party-Spaß im 18. Jahrhundert.
Auch vor anderen sexuell übertragbaren Virus-Infektionen kann man sich heute leicht schützen – mit einer Impfung gegen Hepatitis A und B oder gegen Humane Papillomviren zum Beispiel. Den guten Nachrichten steht aber auch eine schlechte gegenüber: Ungefähr eine Million Menschen weltweit stecken sich jeden Tag mit einer sexuell übertragbaren Infektion (STI) wie Chlamydien, Tripper oder Syphilis an, so die Weltgesundheitsorganisation. In Deutschland ist die häufigste STI die Chlamydien-Infektion, an der jeder Zehnte im Laufe seines Lebens erkrankt. Laut Barmer-Krankenkasse sind es rund 300 000 Menschen jedes Jahr. Unbehandelt kann die Infektion zu Unfruchtbarkeit führen. Tripper ist mit 30 000 Infektionen pro Jahr hierzulande zwar deutlich seltener, jedoch in seinen Folgen nicht weniger bedrohlich. Auch er kann unter anderem zu Unfruchtbarkeit führen.
Syphiliserkrankung anfangs oftmals keine Symptome
Bei der Syphilis ist der Anstieg der Neuinfektionen am stärksten. 7900 Menschen haben sich in Deutschland 2019 damit angesteckt – fast doppelt so viele wie noch 2010. Die Infektion beginnt mit einem kleinen Hautgeschwür, das schmerzlos ist und deshalb im Inneren der Scheide oder im Analkanal unbemerkt bleiben kann. Mit fatalen Folgen: Unbehandelt kann Syphilis schwere Schäden an Nerven und Organen verursachen. "Je früher man mit der Therapie beginnt, desto besser lässt sich die Gesundheit schützen", sagt Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe und bezieht sich damit auf alle drei bakteriellen Infektionen. Aber genau hier liegt das Problem. Denn 80 Prozent der Betroffenen spüren am Anfang keine Symptome, wissen nicht, dass sie eine STI haben, und geben sie beim ungeschützten Geschlechtsverkehr an den Sexpartner weiter.
Kondome können helfen: "Sie geben zwar keine hundertprozentige Sicherheit, aber sie sind das Beste, was wir haben", sagt der Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft, Professor Norbert Brockmeyer, Leiter des Zentrums für Sexuelle Gesundheit und Medizin an der Ruhr-Universität Bochum. Er erklärt: 80 bis 90 Prozent der bakteriellen STI werden bei einmaligem Sexualkontakt übertragen – es muss kein genitaler Sexualverkehr sein: Ein Austausch von Sperma und Scheidenflüssigkeit mit den Händen kann genügen.
Verändertes Sexualverhalten führt zu neuen Übertragungswegen
Die größere Zahl unterschiedlicher Sexpartner durch Dating-Apps ist – wenn wir nicht gerade im Lockdown leben – nur ein Faktor, weshalb das Risiko, sich mit einer STI zu infizieren, heute größer ist als noch vor ein paar Jahren. Auch das Sexualverhalten und damit die Übertragungswege für Krankheiten haben sich verändert. "Kinder kommen heute zum Teil schon in der Grundschule mit Pornografie in Berührung. Und daraus erwächst eine andere Form von sexuellem Verhalten", erklärt Brockmeyer.
In einer Studie des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Medizin am Katholischen Klinikum Bochum gaben 47 Prozent der Frauen bis 27 Jahre an, schon einmal Analverkehr gehabt zu haben. "Und auch der Oralverkehr hat eine unglaublich große Bedeutung im sexuellen Kontakt bekommen", sagt Mediziner Brockmeyer. 70 Prozent der Infektionen würden beim Oral- und Analsex übertragen. Deshalb sei es wichtig, Schutzmaßnahmen entsprechend anzupassen. Dental Dams beispielsweise, in der Umgangssprache Lecktücher genannt, verhindern den Kontakt mit möglicherweise infektiösen Körperflüssigkeiten. Und für den Analverkehr gibt es extradicke Kondome.
Jedem, der die leiseste Ahnung hat, er könne sich bereits infiziert haben, rät Brockmeyer aber zu einem Test. Diesen kann man beispielsweise beim Arzt, dem Gesundheitsamt oder der Aidshilfe machen: "Er ist die sicherste Variante von Safer Sex. Denn wer gesund ist, der kann auch niemanden anstecken."