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Ständig unter Strom, dauernd unter Druck, so geht es derzeit einigen Erwachsenen: Im Home-Office lange Telefonkonferenzen führen, daneben die Kinder betreuen, deren Aufgaben begutachten und nebenbei noch den Haushalt schmeißen. Daneben noch die Sorge um die Gesundheit der Angehörigen. Pause? Fehlanzeige.

Im Alltag vieler auf Leistung getrimmter Menschen ist Zeit zur Entspannung nicht mehr vorgesehen. Doch wer sich permanent überfordert und durch den Tag hetzt, ist ein sicherer Kandidat für organische oder psychische Erkrankungen, meint Dr. Dietmar Ohm, Psychotherapeut aus Lübeck.

Die Unfähigkeit, innezuhalten und Zäsuren zu setzen, macht auf Dauer krank. "Eine positive Stressbelastung zeichnet sich dadurch aus, dass man mehrmals am Tag einen möglichst harmonischen Wechsel zwischen Anspannungs- und Erholungsphasen hat, zwischen Aktivität und Entspannung", sagt Ohm. "Das entspricht unserem Biorhythmus."

Ruhe als Kraftquelle erleben

Wichtig ist es daher, einen Ausgleich zwischen Aktiv- und Passivsein herzustellen, der die individuelle berufliche und persönliche Situation berücksichtigt. Dabei können Entspannungstechniken helfen. Ist ein Mensch körperlich entspannt, sinken Muskeltonus, Pulsrate und Blutdruck. Die Atmung vertieft sich. Dieses verminderte Erregungsniveau des Körpers wirkt wiederum günstig auf die Psyche. Wer ausgeglichen ist, fühlt sich im Einklang mit sich selbst und seiner Umwelt. Er erlebt Ruhe positiv und nutzt sie als Kraftquelle.

"Entspannungsmethoden geben eine Anleitung und praktische Möglichkeiten an die Hand, wie man eine Entspannungsreaktion aktivieren kann", sagt Ohm. Regelmäßiges Training ermöglicht es, diese Reaktionen in brisanten Situationen abzurufen und sich selbst zu beruhigen. Darüber hinaus erhöht es die allgemeine Stresstoleranz und die Entspannungsfähigkeit. Auf diese Weise beugt es schädlichen Folgen von Stress vor.

Aktiv und passiv entspannen

Für die Apotheken Umschau hat Ohm bewährte Entspannungsverfahren danach bewertet, in welchen Belastungssituationen und für welchen Stress-Typ sie besonders geeignet sind:

1. Ausdauertraining

Stress aktiviert den Körper, das ist seine biologische Funktion. Er stellt den Organismus auf Bewegung ein – ein Überbleibsel aus Urzeiten, als unsere Ahnen kämpfen oder fliehen mussten, um bei Gefahren zu überleben. Durch Ersatzbewegung wie etwa Joggen oder Radfahren nutzt der moderne Mensch die zusätzliche Energie, die der Organismus in Stresssituationen zur Verfügung stellt, am sinnvollsten – und baut damit die Hormone Kortisol und Adrenalin ab. Von Ausdauertraining zur Entspannung profitieren vor allem jene Menschen, die im Beruf überwiegend geistig gefordert sind, also zum Beispiel Büroangestellte. Wer den ganzen Tag sitzt, staut die in Stresssituationen bereitgestellte Energie auf, die nicht abgebaut wird. Typische Folgen davon sind Spannungszustände, die sich entweder in innerer Unruhe und Bewegungsdrang äußern oder in Zerschlagenheit. Ausdauersport ist dann ein gutes Ventil, um sich abzureagieren.

2. Sanfte Bewegung

Muskelentspannung und die fernöstlichen Trainingsformen Yoga, Tai-Chi und Qigong zielen da rauf ab, mit sanften körperlichen Übungen auch mental dem Stress zu kommen. Die progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist besonders leicht erlernbar. Dabei wird von den Händen über den Kopf bis zu den Füßen eine Körperregion nach der anderen bewusst an- und anschließend wieder entspannt. Wer die Methode beherrscht, kann sie praktisch überall unbemerkt von anderen anwenden, beispielsweise auch am Arbeitsplatz oder im Wartezimmer. Vor allem für Menschen, die nur wenig Zeit erübrigen können, eignet sich dieses Verfahren, da es ohne großen Aufwand auskommt. Erlernt werden sollte die progressive Muskelentspannung am besten unter professioneller Anleitung. Das gilt auch für Yoga, Tai-Chi und Qigong, bei denen Bewegung und Atmung eine enge Verbindung eingehen. Von diesen Techniken profitiert, wer seine Körperwahrnehmung und Konzentrationsfähigkeit verbessern will.

3. Mentale Entspannung

Konzentrationsfähigkeit ist bei autogenem Training, Meditation und Biofeedback nicht das Ziel, sondern eine wichtige Voraussetzung. Diese Techniken sind deshalb empfehlenswert für alle, die sich innerlich sammeln und bildlich leicht etwas vorstellen können. Menschen, die mental stark überreizt sind, tun sich oft schwer, den Geist als Zugangspforte für Entspannung zu nutzen. Für sie ist es besser, zuerst Sport zu treiben und dann eine konzentrative Methode anzuwenden. Psychisch labilen Personen raten Experten, meditative Techniken mit ihrem religiös-spirituellen Hintergrund nur unter fachlicher Anleitung auszuüben, da sie Ängste auslösen können. Auch autogenes Training sollte man sich in einem Kurs aneignen.

4. Genießen

Sich im Alltag mit Massagen, Entspannungsbädern, Spaziergängen oder einfach Nichtstun zu belohnen schafft intensive Momente der Erholung und des Abschaltens. Die Vorfreude darauf kann durch den ganzen Tag tragen. Diese Tätigkeiten sind geeignet für begeisterungs- und genussfähige Menschen, die Augenblicke des Glücks bewusst wahrnehmen und dabei auftanken können. Der Nachteil: Sie ändern nichts an der Lebenssituation und den konkreten Stressauslösern. Der Genießer akzeptiert die Lage so, wie sie ist.