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Bei denen piept`s doch! Wer in München an der Isar entlang schlendert oder durch den Berliner Tiergarten spaziert, kommt angesichts der zahllosen Jogger unweigerlich zu diesem Schluss. Nein, nicht weil es etwas an ihrem Geisteszustand zu zweifeln gibt. Sondern vielmehr, weil dem Anschein nach so ziemlich jeder mehr oder weniger engagierte Hobbyläufer einen Pulsmesser trägt. Gleiches gilt übrigens für die sportiven Radler und Radlerinnen auf ihren Rennmaschinen oder Mountainbikes. Ist der Herzschlag zu schnell, gibt das Gerät Alarm – mit besagtem Piepsen – und signalisiert dem Radfahrer oder Jogger damit, dass er sein Tempo reduzieren sollte.

Faustregel: 180 minus Lebensalter

Doch wo liegt eigentlich die optimale Herzfrequenz beim Sport? Bei 180 minus Lebensalter besagt eine viel zitierte Faustformel. Die gilt allerdings in erster Linie für untrainierte Menschen, weiß Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln. "Das wichtigste ist, zu vermeiden, dass Menschen sich beim Training überfordern", erklärt der Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation. "Mit dieser Empfehlung können wir davon ausgehen, dass das nicht passiert." Wer sich an die Faustregel 180 minus Lebensalter hält, sollte sich also auf der sicheren Seite bewegen.

Gerade Sportnovizen sollten nicht kurz und intensiv trainieren, sondern lieber länger mit einer eher moderaten Herzfrequenz. Ambitionierte Sportler, die ihre Leistung optimieren – heißt schneller werden – möchten, kommen aber nicht umhin, ihren Puls auch mal kräftiger in die Höhe zu treiben. Die Obergrenze lässt sich mit der Formel 220 minus Lebensalter ermitteln. Diese maximale Herzfrequenz sollten allerdings nur trainierte Sportler ausreizen – und das auch nur ab und an während einzelner, besonders intensiver Trainingseinheiten.

Training sollte überwiegend im aeroben Bereich stattfinden

Die optimale Pulsspanne für das Grundlagentraining liegt deutlich darunter. "Mit maximaler Herzfrequenz zu laufen oder zu radeln, hält auch ein trainierter Sportler nicht lange durch", sagt Ingo Froböse. "Der Körper hat eine Grenze eingebaut, die ihn vor Überbelastung schützt." Wer sie einmal überschreitet, muss nicht sofort Schlimmeres befürchten, beruhigt der Kölner Sportwissenschaftler: "Wirklich gefährlich ist eine akute Überbelastung nicht – vorausgesetzt, man ist gesund."

Generell sollten sich Neueinsteiger ab 35 Jahren und chronisch Kranke vorab vom Arzt untersuchen und beraten lassen. Und: Niemand sollte ohne eine vorherige sportmedizinische Untersuchung an seine Leistungsgrenze gehen. Allen, "die einigermaßen ernsthaft Sport betreiben", empfiehlt Froböse, ein leistungsdiagnostisches Labor aufzusuchen und dort ihre aerobe Schwelle ermitteln zu lassen. Das ist vereinfacht gesagt die Belastungsintensität, bei der das Sauerstoffangebot gerade noch zur Energiegewinnung in den Körperzellen ausreicht. Im anaeroben Bereich hingegen steht nicht mehr genug Sauerstoff zur Verfügung, mit der Folge, dass verstärkt Milchsäure entsteht, die dann zu einer Übersäuerung der Muskeln führt.

"80 Prozent des Trainings sollte im aeroben Bereich stattfinden", sagt Ingo Froböse. Welcher Herzfrequenz das entspricht, ist aber von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich und hängt auch vom konditionellen Zustand ab. Ein einfacher Selbsttest kann hier helfen: Auf vier Schritte einmal einatmen und auf vier Schritte einmal ausatmen entspricht ungefähr dem Rhythmus, bei dem ein Läufer sich an der aeroben Schwelle bewegt. "Muss man alle drei Schritte ein- beziehungsweise ausatmen, liegt man bereits im anaeroben Bereich", erläutert Froböse.

Folgen von Überbelastung

Wer sich häufig überanstrengt, wird übrigens nicht stärker, sondern schwächer. Denn eine zu hohe Intensität des Trainings wirkt sich sofort körperlich aus. "Man fühlt sich unruhig, nervös und schläft schlecht", sagt der Experte von der Deutschen Sporthochschule. "Der entspannende Effekt von Sport fällt dann weg." Zu den im Labor messbaren Folgeerscheinungen können erhöhte Entzündungsparameter gehören, ein Anstieg des Harnstoffspiegels und schlechtere Cholesterinwerte. Die spürbaren Folgen – die bei regelmäßiger Überbelastung auftreten können – sind eine verstärkte Anfälligkeit für Infekte sowie Reizungen und Schmerzen an Muskeln und Sehnen.

Wichtig: Auch das Körpergefühl trainieren

Und was hält Froböse als passionierter Sportsmann von den piepsenden Pulsmessern, die sich so viele Hobbyathleten um Brust oder Handgelenk schnallen? Er selbst benutzt jedenfalls keinen, weil er sich lieber auf sein Körpergefühl verlässt. "Versierte Sportler spüren, ob ihre Herzfrequenz im richtigen Bereich ist", weiß der Experte. Sie nutzen die Geräte eher, um Trainingsfortschritte zu dokumentieren. Die sind daran erkennbar, dass der Athlet bei gleicher Herzfrequenz schneller unterwegs ist oder aber bei derselben Geschwindigkeit einen niedrigeren Puls hat.

Genau wie die Muskeln muss dieses Körpergefühl aber erst einmal trainiert werden. "Für Sporteinsteiger ist eine Pulsuhr deshalb schon sinnvoll", meint Froböse. Wichtig: Medikamente wie Betablocker können die Herzfrequenz beeinflussen. Das ideale Trainingspensum sollte dann mit dem Arzt abgesprochen werden.

Froböse nennt noch ein zweites Kontrollinstrument – das heimische Sofa. "Wer nach dem Sport jedes Mal völlig erschöpft auf die Couch fällt, macht etwas falsch, ganz egal, wie hoch seine Herzfrequenz war."