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Sie kommen plötzlich, bleiben einige Sekunden. Die Attacken bei Lagerungsschwindel sind kurz und treten nur in bestimmten Situa­tionen auf. Zum Beispiel, wenn man aufsteht, sich im Bett umdreht oder den Kopf ins Genick legt.

Gelöste Kalksteinchen

Lagerungsschwindel ist die häufigste Schwindelform. Auch wenn die Anfälle als sehr unangenehm empfunden werden, gelten sie als harmlos. Die Ur­sache sind kleinste Kalksteinchen, auch Otolithen genannt (siehe Grafik). Sie gehören zu unserem Gleichgewichtsorgan im Innenohr. Lösen sie sich aber ab und geraten in die mit Flüssigkeit gefüllten Bogengänge, rufen sie bei jeder größeren Kopfbewegung Schwindel hervor.

Wo der Schwindel entsteht: Kalksteinchen (Otolithen) lösen sich in den Vorhofsäckchen ab und geraten in den Bogengang. Bewegen sie sich auf den Sinneszellen, löst das Schwindel aus

Wo der Schwindel entsteht: Kalksteinchen (Otolithen) lösen sich in den Vorhofsäckchen ab und geraten in den Bogengang. Bewegen sie sich auf den Sinneszellen, löst das Schwindel aus

Besonders nach einer Entzündung des Gleichgewichtorgans oder einem Schädel-Hirn-Trauma sowie im hohen Lebensalter können sich die Otolithen lösen. Mitunter ist Lagerungsschwindel eine Folge längerer Bettlägerigkeit. Und es gebe auch Untersuchungen, ob der pH-Wert im Ohr eine Ablösung der Steinchen beeinflussen könnte.

Zufallsentdeckung

Mit Medikamenten lässt sich das  Problem nicht beheben. Die Kristalle müssen aus dem Bogengang heraus, erst dann enden die Schwindelattacken. Passiert das nicht von selbst, können spezielle therapeutische Übungen helfen.

Entwickelt hat sie Professor Thomas Brandt in den 70er-Jahren – eine Zufallsentdeckung. Damals ahnten Mediziner nur, dass der Grund für die unangenehmen Schwindelattacken die Otolithen sein könnten. Brandt behandelte an einem Freiburger Klinikum eine verzweifelte Patientin, die schon sehr lange unter den Attacken litt.

Epley-Manöver für die Balance

Mit bestimmten Übungen lassen sich Otolithen im Bogengang behandeln

Er wollte ihr helfen, ihre Angst vor dem Schwindel zu überwinden. "Ich gab ihr Übungen an die Hand, die sie mehrmals am Tag wiederholen sollte", erinnert sich der Neurologe. Nicht nur die Angst verschwand, nach kurzer Zeit war auch der Schwindel weg.

Das Epley-Manöver

Über diesen Erfolg war der Mediziner so überrascht, dass er weiter zu den Ursachen für Lagerungsschwindel forschte und gemeinsam mit einem amerikanischen Kollegen seinen Therapieansatz optimierte.

Bei Brandts Behandlung werden Kopf­drehungen in einem bestimmten Winkel und das Kippen des Körpers von einer Seite zur anderen kombiniert. Das Verfahren wurde zum Vorbild für die heute angewandten Behandlungsmethoden, wie etwa das Epley-Manöver (siehe oben). Die Übungen können Betroffene ganz einfach zu Hause durchführen.

Therapie per Telefon

Thomas Brandt ist inzwischen Seniorprofessor am Lehrstuhl für Klinische Neurowissenschaften im Klinikum Großhadern an der Ludwig-Maximilians-Universität München und gilt als weltweit führender Experte für Schwindelerkrankungen. Noch immer freut er sich besonders darüber, dass er den Schwindel seines Vaters per Telefon therapieren konnte: "Ich habe ihm genau erklärt, in welcher Position er sich aus dem Sitzen auf seinem Bett zur Seite fallen lassen muss."

Schon eine einmalige Ausführung der Übungen kann ausreichen, damit die Attacken verschwinden. Manchmal gelangen die Otolithen aber wieder zurück in den Bogengang, und die Beschwerden kehren zurück. Das kann psychisch belasten.

"Manchen Patienten macht Schwindel solche Angst, dass sie bestimmte Bewegungen vermeiden, gar im Sitzen schlafen und sich nur ganz langsam hinlegen", berichtet Brandt. Doch Vermeidungstaktik löst das Problem nicht.

Maximaler Kontrollverlust

Wichtig ist, die Symptome genau zu beobachten. Will der Schwindel nicht abklingen, halten die Attacken länger als eine Minute an oder kommen andere Beschwerden wie Lähmungen dazu, sollte man unbedingt einen Arzt kontaktieren. Denn es gibt die unterschiedlichsten Schwindelarten, manche davon treten sehr selten auf. Sie alle können viele Auslöser haben.

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