Welche Schmerzart wie behandeln?
Rezeptfreie Schmerzmittel wirken meist gut und schnell. Doch werden sie häufig zu bedenkenlos eingenommen. Was Patienten bei der Selbstmedikation beachten sollten

Schmerz, lass nach! Um topfit zu sein, greifen viele schon beim kleinsten Unwohlsein nach Schmerzmitteln
Mit Zwicken im Rücken aufgewacht, trotzdem den Yogakurs besucht. Am Vorabend zu viel Wein getrunken, der Schädel brummt, um 8 Uhr dennoch topfit im Büro erschienen. Schmerzen ertragen muss heute fast niemand – und will auch fast niemand. Rezeptfreie Medikamente lindern Beschwerden rasch und effektiv. Rund 29 Prozent der Deutschen greifen bereits bei ersten Schmerzsignalen zu solchen Präparaten. Das zeigt eine reprä- sentative Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag der Apotheken Umschau.
Die ohne vorherigen Arztbesuch erhältlichen Arzneimittel sind äußerst beliebt, wie auch Zahlen des IMS Pharmascope National belegen. Demnach gaben deutsche Apotheken im Jahr 2018 rund 105 Millionen Packungen davon ab, zehn Jahre zuvor waren es sogar noch 114 Millionen. Internationale Spitzenreiter sind wir damit nicht. Schätzungen zufolge werden in manchen europäischen Ländern wie Schweden oder Frankreich bis zu dreimal mehr Schmerzmittel geschluckt.

Warnzeichen ernst nehmen
"Viele Schmerzen lassen sich mit Selbstmedikation gut behandeln", bestätigt Dr. Charly Gaul, Generalsekretär der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Ein allzu sorgloser Konsum allerdings wird von Experten kritisch gesehen. Denn die Mittel bergen das Risiko von Nebenwirkungen auf Magen, Leber, Nieren und Herz-Kreislauf-System. Zudem ist akuter Schmerz auch ein Warnsignal des Körpers – das man nicht einfach dauerhaft unterdrücken sollte. Dann ist es wichtiger, den Ursachen auf den Grund zu gehen und diese gezielt zu behandeln.
Das hilft mir am besten bei...
Zahnschmerzen
Die Zeit bis zum Zahnarztbesuch lässt sich mit Ibuprofen gut überbrücken – sofern keine Vorerkrankungen gegen diese Wahl sprechen. Der Zahnarzt Dr. Markus Tröltzsch aus Ansbach rät bei starken Beschwerden ausnahmsweise zu einer höheren Dosis von 600 Milligramm.
Vorsicht: Auf noch höhere Dosierungen Ibuprofen und vor allem auf Präparate mit Acetylsalicylsäure (ASS) besser ganz verzichten. "Wenn aufgrund der Zahnbeschwerden ein Eingriff nötig wird, kann das zu starken Blutungen an der Wunde führen", warnt der Vorsitzende der Akademie Praxis und Wissenschaften der Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde.
Praktisch mag es sein, jederzeit ein Präparat griffbereit zu haben. Schmerztabletten gehören aber weder in den Kühlschrank noch ins Handschuhfach des Autos. Ideal ist eine trockene und kindersichere Aufbewahrung bei Zimmertemperatur.
Schmerzen in Gelenken oder am Rücken
Die Ursache von rheumatischen Beschwerden sind in der Regel Entzündungen. Daher bieten sich zur Behandlung in erster Linie Wirkstoffe aus der Gruppe der sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika an, wie beispielsweise Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen. Sie alle stillen nicht nur Schmerzen, sondern hemmen auch Entzündungen.
Bei den meisten Rücken- und Gelenkbeschwerden hilft körperliche Bewegung am besten. Viele Patienten scheuen davor allerdings zurück. Aus Angst vor Schmerzen nehmen sie eine Schonhaltung ein – die die Symptome mitunter noch verstärkt. Es entsteht ein Teufelskreis, den man mit Arzneien durchbrechen kann. Bei Gelenkschmerzen eignen sich oft auch Cremes oder Pflaster mit entzündungshemmenden Wirkstoffen.
Vorsicht: Plötzlich auftretende oder besonders starke Schmerzen sind immer ein Alarmzeichen. Dann ist ein Arztbesuch erforderlich.
Regelschmerzen
Laut unserer GfK-Umfrage nimmt etwa jede zwölfte Frau mindestens einmal im Monat ein rezeptfreies Schmerzmittel gegen Menstruationsbeschwerden ein. Geeignet ist neben Ibuprofen der Wirkstoff Naproxen. Alternativ in der Apotheke nach Krampflösern fragen.
Vorsicht: Neu auftretende oder ungewöhnliche Regelschmerzen sollten vom Gynäkologen untersucht werden, um andere Ursachen auszuschließen.
Kopfschmerzen
Der typische Spannungskopfschmerz fühlt sich meist drückend oder ziehend an und tritt beidseitig auf.
Körperliche Aktivität verschlimmert ihn kaum. Das grenzt ihn unter anderem von der Migräne ab (siehe unten). "Spannungskopfschmerzen lassen sich bei manchen Menschen oft schon mit Minzöl, das mit einem Roller auf den Schläfen einmassiert wird, in den Griff bekommen", sagt Apotheker Christian Jürgens aus Solingen.
Rund 73 Prozent der Teilnehmer unserer Umfrage greifen auch zu rezeptfreien Schmerztabletten. Idealerweise enthält die Arznei ASS, Paracetamol oder Ibuprofen, eventuell in Kombination mit Koffein. Welches Mittel für diesen Kopfschmerztyp infrage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Apotheker kann hierzu beraten.
Vorsicht: Auch Bluthochdruck kann die Ursache sein. Bei Verdacht beim Arzt abklären lassen. Das gilt auch, wenn der Schmerz neu auftritt, sehr stark ist oder sich verändert. Schmerzmittel nicht länger als drei Tage in Folge und maximal zehn Tage im Monat nehmen.
Migräne
Bei leichten bis mittleren Attacken eignen sich beispielsweise ASS, Ibuprofen oder Naproxen sowie eine Kombination aus ASS, Paracetamol und Koffein. Bei stärkeren Migräneanfällen helfen Triptane. Eine zusätzliche Einnahme des lang wirksamen Medikaments Naproxen kann verhindern, dass nach Abflauen der Triptane der Schmerz wieder stärker wird.
Vorsicht: Eine Migräne sollte nur dann auf eigene Faust behandelt werden, wenn sie bereits einmal von einem Arzt diagnostiziert wurde – und der Patient weiß, welche Medikamente ihm helfen.
Erkältungsbeschwerden
Um erkältungsbedingte Beschwerden zu lindern, eignet sich in erster Linie Paracetamol, für Erwachsene auch ASS. Beide Wirkstoffe verfügen über ausgeprägte fiebersenkende Effekte.
Vorsicht: Vorübergehendes Fieber ist eine normale Reaktion, die dem Körper bei der Abwehr hilft. Es muss nicht immer sofort medikamentös gesenkt werden.

Vor allem aber ist es wichtig zu wissen: Nicht jedes Schmerzmittel eignet sich für jeden Patienten gleichermaßen. Eine Rolle bei der Auswahl spielen etwa Vorerkrankungen oder auch die Art der Beschwerden, die man bekämpfen will. "Ein Universalmittel gegen alle Arten von Schmerzen gibt es nicht", sagt Gaul.
Standard nicht immer die Lösung
Dennoch zeigt die GfK-Umfrage: 42 Prozent der Deutschen greifen regelmäßig zum selben Schmerzmittel. Keine gute Idee, findet auch Dr. Dominik Irnich, Schmerzmediziner an der Uniklinik München-Innenstadt: "Allerdings ist es durchaus zu begrüßen, wenn der Patient das Medikament kennt und weiß, wie er darauf reagiert und was er erwarten kann."
Wichtige Informationen zu den verschiedenen schmerzstillenden Wirkstoffen finden Sie im Folgenden. Gerne berät man Sie dazu außerdem in Ihrer Apotheke.
Was sollte ich über meine Arznei wissen?
Ibuprofen
Der Kassenschlager unter den Schmerzmitteln. Gekoppelt an die Aminosäure Lysin soll Ibuprofen schneller wirken. Für Erwachsene reicht eine Einzeldosis von 400 Milligramm meist aus. Die Tageshöchstdosis liegt für einen erwachsenen Patienten bei 2400 Milligramm. "Wer mehr nimmt, kauft sich Nebenwirkungen mit ein", warnt Apotheker Jürgens. Ibuprofen erhöht zudem das Risiko für Magen-Darm-Blutungen.
Tipp: Herzpatienten, die ASS zur Blutverdünnung benötigen, sollten es mindestens 30 Minuten vor oder 8 Stunden nach Ibuprofen nehmen.
Paracetamol
Ein Viertel aller verkauften Schmerzmittelpackungen enthält diesen Wirkstoff. Er senkt Fieber am besten, soll im Vergleich zu anderen Präparaten aber etwas schwächer gegen Schmerzen wirken. Bei richtiger Anwendung ist Paracetamol gut verträglich. Sein großer Vorteil: Patienten haben kein erhöhtes Blutungsrisiko im Magen-Darm-Trakt.
Tipp: Die Tagesmaximaldosis von 4000 Milligramm bei Erwachsenen nie überschreiten, sonst kann das die Leber schwer schädigen. Patienten mit Leberschäden müssen auf Paracetamol unbedingt verzichten.
Acetylsalicylsäure
Es ist der Klassiker unter den Schmerzmitteln. Weil Acetylsalicylsäure (ASS) Fieber senkt, wird es auch gerne bei grippalen Infekten genutzt. Doch schon in niedrigen Dosierungen beeinflusst der Wirkstoff die Blutgerinnung. Er darf deshalb vor Operationen oder bei erhöhter Blutungsneigung nicht eingenommen werden. Aufpassen müssen Herzpatienten, die Gerinnungshemmer benötigen. Unbedingt vorher beim Apotheker nachfragen! Für Erwachsene beträgt die Tagesmaximaldosis 3000, die Einzeldosis 500 bis 1000 Milligramm. Kinder und Jugendliche unter 16 sollten bei fiebrigen Infekten kein ASS einnehmen, da in seltenen Fällen lebensbedrohliche Komplikationen auftreten können.
Tipp: Nicht nüchtern schlucken, denn die Magenschleimhaut kann Schaden nehmen. Mit dem Arzt besprechen, ob im Einzelfall ein Präparat zum Magenschutz sinnvoll sein könnte. Das gilt auch für Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen. Menschen mit empfindlichem Magen, aber auch Herz-, Nieren- und Blutdruckpatienten sollten sie möglichst zurückhaltend einsetzen. Arzt und Apotheker empfehlen Alternativen.
Koffein
Für sich allein ist diese Substanz kein Schmerzmittel. "Kombiniert mit ASS, Paracetamol oder Ibuprofen verstärkt und beschleunigt Koffein jedoch deren Wirkung", so Apotheker Jürgens. Dadurch könne die Dosis der Arzneistoffe deutlich reduziert werden. Die Kombipräparate enthalten eine genau definierte Menge Koffein, meist etwa 50 bis 100 Milligramm. Die exakte Dosierung gelingt mit einer Tasse Kaffee nicht. Besonders beliebt ist die Kombination von Koffein, ASS und Paracetamol.
Tipp: Abends auf koffeinhaltige Schmerzmittel verzichten, um den Schlaf nicht zu stören.
Diclofenac
Dieser Wirkstoff zeigt den stärksten entzündungshemmenden Effekt aller rezeptfreien Schmerzmittel. Er wird hauptsächlich bei Gelenkbeschwerden eingesetzt. In niedrigen Dosierungen von 25 Milligramm pro Tablette ist Diclofenac ohne Verschreibung erhältlich. Vor allem eine regelmäßige Einnahme kann allerdings bereits in geringen Mengen das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöhen – sogar etwas mehr als andere Mittel aus dieser Arzneigruppe. Das gilt auch für das Risiko von Blutungen im Magen-Darm-Trakt. Die Tagesmaximaldosis liegt in der Selbstmedikation bei 75 Milligramm.
Tipp: An kleineren Gelenken und auch am Knie kann Diclofenac als Gel oder Creme Wirkung zeigen. Zudem ist es so deutlich verträglicher.
Naproxen
Mit nur rund 100 000 verkauften Packungen im Jahr ist Naproxen eher ein Nischenprodukt. Sein Vorteil: die lange Wirkdauer von bis zu zwölf Stunden. "Eingesetzt wird es häufig bei Regel- und Rheumaschmerzen", sagt Apotheker Jürgens. Aber auch Migränepatienten können profitieren. Das Risiko für Magen- Darm-Blutungen ist ähnlich hoch wie bei Diclofenac. Anfangsdosis: 250 Milligramm. Maximaldosis pro Tag in der Selbstmedikation: 750 Milligramm.
Tipp: Aufgrund der langen Wirkdauer frühestens nach acht Stunden eine weitere Tablette einnehmen.
Triptane
Diese Arzneistoffe lindern stärkere Migräneattacken, wenn andere Schmerzmittel nicht ausreichen. Sie helfen aber ausschließlich bei Migräne; bei Spannungskopfschmerzen etwa sind sie unwirksam. Die rezeptfrei erhältlichen Wirkstoffe Almotriptan und Naratriptan unterscheiden sich vor allem hinsichtlich Wirkdauer und Wirkeintritt, der bei Almotriptan schon nach 30 bis 60 Minuten einsetzt. Naratriptan benötigt bis zu vier Stunden bis zur Wirkung – die dann aber länger anhält als bei Almotriptan.
Tipp: "Triptane und Kombinationen bei drei Attacken ausprobieren", rät Migräne-Experte Gaul. Erst dann lasse sich die individuelle Wirksamkeit beurteilen.