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Vulvodynie - Chronische Schmerzen im äußeren Genitalbereich der Frau

Die Vulvodynie beschreibt Schmerzen im äußeren Intimbereich der Frau, der Vulva. Fünf bis zehn Prozent der Frauen sind während ihres Lebens von einer Vulvodynie betroffen. Häufig ist es eine Diagnose für Frauen "ohne Diagnose". Bevor die Diagnose Vulvodynie gestellt werden kann, müssen Krankheiten ausgeschlossen werden, welche für die Schmerzen verantwortlich sein könnten.

Frauen, die darunter leiden, haben an mehreren Fronten zu kämpfen. Sie müssen die Schmerzen aushalten und dem Verdacht begegnen, dass sie sich alles nur einbilden. Denn häufig vergeht viel Zeit, bis die richtige Diagnose gestellt wird und betroffene Frauen haben schon eine lange Reise von Arztpraxis zu Artzpraxis hinter sich. Sie müssen mit ihren Ängsten umgehen, Angst vor Berührung etwa oder vor Geschlechtsverkehr. Viele Frauen schämen sich, auszusprechen, was doch eigentlich nicht sein darf. Selbst beim Frauenarzt/Frauenärztin erzählen viele Patientinnen nichts von ihren Beschwerden. "Peinlichkeit ist ein großes Thema. Vulvaschmerzen müssen erfragt werden", erkärt die Frauenärztin Dr. Friederike Gieseking. Sie arbeitet in einer Praxis in Hamburg und hat zuvor lange die Dysplasiesprechstunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf geleitet. Häufig versuchen betroffene Frauen erst einmal, das Problem selbst zu beheben, was eine große Belastung bedeuten kann.

In der Vorgeschichte betroffener Frauen finden sich häufig psychosoziale Stressfaktoren in Form von Kränkungen, Enttäuschungen, Depressionen, Angst- oder Panik-Störungen. Diese Stressfaktoren können auch schon lange zurück liegen, so dass sie aktuell gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden. Zusätzlich finden sich häufig auch Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) wie Migräne, Reizblase, Reizdarmsyndrom oder eine Fibromyalgie.

Eine Vulvodynie kann den gesamten äußeren Genitalbereich der Frau (generalisiert) oder nur bestimmte Regionen (lokalisiert) betreffen.

Symptome: Welche Beschwerden bereitet eine Vulvodynie?

Betroffene berichten häufig über brennende, juckende oder stechende Schmerzen sowie einer rauen Haut im äußeren Genitalbereich. Bei einigen sind die Schmerzen so stark, dass selbst das Tragen von Unterwäsche als schmerzhaft empfunden wird. Auch Fahrradfahren ist für manche Frauen nicht mehr möglich. Teilweise werden Berührungen und Sex so unangenehm und schmerzhaft empfunden, dass manche Frauen lieber ohne Partner bleiben. Eine Vulvodynie ist somit nicht nur für die Betroffene selbst eine große Belastung, sondern kann auch die Partnerschaft auf eine große Probe stellen.

Ursachen: Was steckt hinter einer Vulvodynie?

Vulvodynie ist die Bezeichnung für "Schmerzen an der Vulva". Zu unterscheiden ist, ob es dafür eine auslösende Krankheit gibt oder ob die Schmerzen ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) bestehen. Neben psychosozialen Stressfaktoren kann auch die jahrelange Einnahme von antiandrogen- und niedrig östrogenhaltigen Kontrazeptiva (Anti-Babypille) eine Vulvodynie begünstigen.

  • Vulvaschmerzen, aufgrund einer spezifischen Erkrankung

Hierzu zählen beispielsweise Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Ekzeme. Auch allergische Reaktionen, etwa auf parfümierte Bodylotions müssen ausgeschlossen werden.

Die Vulvahaut, hauptsächlich im Innenseitenbereich der kleinen Schamlippen, zwischen Kitzler und Harnröhrenöffnung, ist sehr empfindlich und mit vielen Nerven versorgt. Schon leichte Unverträglichkeitsreaktionen können als erhebliche Missempfindungen verspürt werden, erklärt Dr. Friederike Gieseking. Infektionen (Mykosen, Viren, Bakterien) können im Vulvabereich Schmerzen verursachen. Eine Pilzinfektion durch Candida albicans ist häufig mit erheblichem Juckreiz verbunden. Nicht selten findet sich die nichtansteckende entzündliche Hautkrankheit Lichen sclerosus hinter dieser Beschwerdesymptomatik.

"Der Lichen sclerosus kommt möglicherweise häufiger vor, als in der Fachliteratur beschrieben", so Gieseking. Im Frühstadium sind die Symptome einer Vulvodynie sehr ähnlich: so gut wie keine äußerlich sichtbaren Anzeichen, aber dafür Jucken, Brennen, Stechen und Schmerzen. Auch Krebserkrankungen, Vorstufen einer Krebserkrankung und neurologische Ursachen (beispielsweise Nervenschmerzen aufgrund einer Nerveneinengung im Rückenmark) müssen ärztlich abgeklärt werden.

Erst wenn ursächlich keine mögliche Krankheit ausfindig gemacht werden kann und die Beschwerden bereits länger als drei Monate andauern, spricht man von Vulvodynie.

  • Vulvodynie - ohne eine Erkrankung der Vulva

Vermutet werden vor allem psychosoziale Stressfaktoren als Auslöser, diese können teilweise schon lange zurück liegen. Schmerzen allgemein können durch Schlafmangel verstärkt werden. Einflüsse aus der Kindheit und epigenetische Faktoren (Zusammenspiel von Genen und Umwelt) tragen ebenfalls zur Art der Schmerzempfindung bei. Betroffene scheinen häufiger perfektionistisch veranlagt zu sein.

Diagnose: Wie wird eine Vulvodynie festgestellt?

Ein ausführliches Arztgespräch zur allgemeinen und gynäkologischen Vorgeschichte stehen im Vordergrund (Anamnese). Auch die sexuelle Zufriedenheit,  das Zusammenleben in der Partner­schaft sowie Psychotherapien und die Einnahme von Psychopharmaka sollten im Gespräch berücksichtigt werden. In der gynäkologischen Untersuchung werden Erkrankungen wie beispielsweise Infektionen der Vulva ausgeschlossen. Zur Ab­grenzung der Schmerzzone ist der Q­-Tip­-Test entscheidend. Hierzu wird mit einem Wattestäbchen die genaue Schmerzregion identifiziert.

Therapie: Wie wird eine Vulvodynie behandelt?

Eine spezifische Behandlung gibt es nicht. Jede Behandlung sollte individuell angepasst werden. Findet sich eine Ursache für die Schmerzem der Vulva wird diese behandelt. Bei einer Pilzerkrankung helfen Cremes oder Tabletten gegen die Infektion, teilweise ist eine Anwendung von einem Jahr nötig, falls es immer wieder zu Pilzinfektionen kommt. Sind Hautekzeme oder ein Lichen sclerosus die Ursuache können cortisonhaltige Salben helfen. Bei Hautreizungen, beispielsweise durch Inhaltsstoffe von Cremes oder Waschlotionen hilft es, diese wegzulassen, damit sich die Haut erholen kann.

Da bei einer definitionsgemäßen Vulvodynie aber keine spezifische Ursache ausfindig gemacht werden kann, wird sie mit einem sogenannten multimodalen Therapiekonzept behandelt. Multimodal bedeutet, dass sich die Behandlung aus vielen Einzelbausteinen zusammensetzen sollte. Neben einer Behandlung mit Medikamenten sollten auch Psychotherapeuten und gegebenenfalls Physiotherapeuten oder Osteopathen, beispielsweise bei einer Verkrampfung der Beckenmuskulatur, bei Bedarf in die Behandlung mit eingeschlossen werden. Es gibt verschiede Ansätze, die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Einerseits stehen hierfür Schmerzmittel in Form von Salben oder Tabletten zur Verfügung, auch ein örtlich betäubendes Mittel mit dem Wirkstoff Lidocain ist bei akuten Schmerzen eine Möglichkeit. In einer Studie zeigte auch der Wirkstoff Capsaicin gute Ergebnisse. Die Einnahme von Antidepressiva kann einen positiven Einfluss auf chronische Schmerzen haben. Aber auch Psycho- und Verhaltenstherapien, guter Schlaf und Sport (Yoga, Tanzen) können eine Schmerzlinderung erzielen.

Eine Verminderung der Beckenbodenspannung lässt sich zum Beispiel mit Biofeedback erreichen. Dabei messen Sensoren die Muskelspannung, die Werte werden auf einem Bildschirm angezeigt. Mit dieser Rückmeldung lernen Frauen, Muskeln gezielt anzuspannen und locker zu lassen. Darüber hinaus ist eine sexualmedizinische Beratung sinnvoll. Auf jeden Fall sollten Frauen mit unklaren Vulvabeschwerden eine Expertin/einen Experten aufsuchen. Es gibt spezielle Vulvasprechstunden an vielen Unikliniken.

Eine der letzten Möglichkeiten, die Schmerzen zu bekämpfen stellt eine Vestibulektomie dar. Hierbei handelt es sich um einen operativen Eingriff, bei welchem die betroffenen Stellen chirurgisch entfernt werden. Allerdings scheinen Studien zufolge die oben beschriebenen (konservativen - Behandlung ohne Operation) Maßnahmen eine gleich hohe Aussicht auf Heilung zu bringen.

Ein Ansprechpartner ist wichtig

Entsprechende Ansprechtner:innen finden Sie in den gynäkologischen Praxen, speziell in Dysplasiesprechstunden, Dysplasiezentren und in den dermatologischen Sprechstunden. "Frauen mit Vulva-Beschwerden brauchen eine führende Hand. Die betroffenen Frauen haben meistens schon verschiedene Ärzte aufgesucht." Häufig ohne Erfolg. Das kann am Selbstbewusstsein nagen. Die Frauen fühlen sich nicht ernst genommen, denken womöglich sogar, mit ihnen stimme etwas nicht.
Bereits zu wissen, dass eine Fachärztin/arzt sich ihrer Beschwerden annimmt und man gemeinsam nach Lösungen sucht, verringert für viele Patientinnen die quälende Belastung nicht zu wissen, wohin sie sich wenden sollen und mit dem Problem alleine fertig werden zu müssen.

Quellen:

  • Werner Mendling, Fortbildung: Dyspareunie, Vulvodynie und Vestibulodynie. Schmerzen statt Lust. Online: http://www.lichensclerosus.ch/custom/data/ckEditorFiles/Vulvodynie/Schmerzen%20statt%20Lust%20Mendling.pdf (abgerufen am 20.10.2020)
  • Netzwerk Vulvodynie, Was ist Vulvodynie?. Online: https://www.vulvodynie.ch/de/vulvodynie (abgerufen am 20.10.2020)

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