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Die Riesenzellarteriitis ist die häufigste systemische, also den ganzen Körper betreffende Gefäßentzündung bei Menschen über 50 Jahren. In Deutschland sind etwa 35 von 100.000 Überfünfzigjährigen betroffen. Frauen leiden deutlich häufiger unter der Erkrankung als Männer.

Früher wurde die Riesenzellarteriitis auch als Arteriitis temporalis oder Morbus Horton bezeichnet.

Was passiert bei einer Riesenzellarteriitis?

Die Auslöser der Erkrankung sind nicht bekannt. Es kommt dabei zu entzündlichen Veränderungen in der Wand von größeren und mittleren Schlagadern (Arterien). In den Entzündungsherden finden sich verschiede Zellen der Immunabwehr – zum Beispiel Lymphozyten und Makrophagen, die sogenannten Fresszellen. Ihren Namen hat die Erkrankung von Fresszellen, die miteinander zu Riesenzellen verschmelzen.

Durch die Entzündung schwellen die Gefäßwände an. Dadurch verengt sich der Hohlraum des Blutgefäßes (das Lumen) bis hin zu einem völligen Verschluss. Die Veränderungen finden sich vorwiegend an den Schlagadern, die den Kopf und das Gesicht mit Blut versorgen, aber auch an der Hauptschlagader (Aorta). Vergleichsweise selten sind die Gefäße im Gehirn betroffen. Die Beschwerden der Erkrankung entstehen durch eine Mangeldurchblutung im Versorgungsgebiet der betroffenen Blutgefäße.

Was sind typische Symptome einer Riesenzellarteriitis?

Die meisten Betroffenen haben das 50. Lebensjahr überschritten. Sie klagen über neu aufgetretene beidseitige Schläfenkopfschmerzen. Typisch ist ein Dauerkopfschmerz. Häufig besteht gleichzeitig eine Überempfindlichkeit der Kopfhaut. Schmerzen beim Kauen sind Folge einer Minderdurchblutung der Kaumuskulatur. Auch Schluckschmerzen und Zungenschmerzen können auftreten.

70 Prozent der Betroffenen haben Sehstörungen, die von einer Minderdurchblutung des Sehnerven oder der Netzhaut herrühren. Ohne Behandlung droht innerhalb weniger Tage bis Wochen eine Erblindung eines oder sogar beider Augen.

Bei über 80 Prozent der Betroffenen finden sich entzündliche Veränderungen an der Aorta. Diese Patienten sind besonders durch Komplikationen des Herz-Kreislauf-Systems gefährdet. Dazu gehören krankhafte Erweiterungen (Aneurysmen) der Aorta im Brust- und Bauchbereich. Solche Veränderungen verursachen dann Beschwerden, wenn sie zu einer Minderdurchblutung bestimmter Seitenäste der Aorta führen, beispielsweise am Darm (mit Bauchschmerzen) oder am Herzen (mit Brustschmerzen).

Bei etwa der Hälfte der Erkrankten tritt eine Riesenzellarteriitis gemeinsam mit einem Muskelrheuma (Polymyalgia rheumatica) auf. Typische Beschwerden sind stammbetonte Muskelschmerzen, eine Steifheit von Nacken, Schulter- und Beckengürtel.

Häufig sind weitere Symptome wie Abgeschlagenheit, Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust.

Welche Untersuchungen nimmt der Arzt vor?

Die Diagnose ergibt sich aus der Zusammenschau von Beschwerden, Befunden der körperlichen Untersuchung, von Blutuntersuchungen und bestimmten bildgebenden Verfahren.

Eine Riesenzellarteriitis kann unter anderem auch zu Fieber führen

Eine Riesenzellarteriitis kann unter anderem auch zu Fieber führen

Zur Untersuchung gehört die Beurteilung der Gefäße. Die oberflächlich liegende Schläfenarterie kann der Arzt durch Betasten beurteilen. Spürbare Knötchen geben erste Hinweise auf entzündliche Veränderungen. Engstellen an den Schlagadern verursachen oft typische Strömungsgeräusche, die der Arzt mit Hilfe seines Stethoskops hören kann, zum Beispiel an den Halsschlagadern oder an den Armgefäßen. Der Blutdruck an beiden Armen sollte gemessen werden.

Wenn im Körper Entzündungsprozesse stattfinden, sind im Blut meist sogenannte Entzündungszeichen vorhanden. Dazu gehört eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BKS oder BSG), ein hohes CRP, ein hohes Entzündungseiweiß und eine Blutarmut. Bei den meisten Patienten finden sich Antikörper gegen das Speichereiweiß für Eisen (Ferritin).

Bildgebende Verfahren machen Gefäßveränderungen sichtbar. Sehr aussagekräftig ist eine bestimmte Form der Ultraschalluntersuchung, eine farbcodierte Duplexsonografie. Sie kann sowohl die Wandveränderungen der Gefäße darstellen als auch ein verändertes Strömungsverhalten des Blutes. Auch mit einer Kernspintomografie (MRT) kann man die Gefäße gut darstellen. Üblich ist sie, wenn die Entnahme einer Gewebeprobe geplant ist. Mit Hilfe einer Positronenemissionstomografie (PET) lassen sich die Gefäßveränderungen abbilden. Dabei verabreicht der Arzt eine bestimmte Menge einer radioaktiven Substanz, die sich dann in den entzündeten Gefäßabschnitten anreichert. Dieses Verfahren eignet sich gut als Screening-Untersuchung des ganzen Körpers. Nachteile einer PET-Untersuchung sind hohe Behandlungskosten und eine relativ hohe Strahlenbelastung. Daher kommt das Diagnoseverfahren hier eher selten zum Einsatz.

Die genaueste Methode zum Nachweis einer Riesenzellarteriitis ist eine Gewebeuntersuchung der entzündeten Schläfenarterie. Der Arzt entnimmt unter einer örtlichen Betäubung ein etwa zwei Zentimeter langes Stück aus dem Blutgefäß. Ein Gewebespezialist beurteilt diese Gewebeprobe unter dem Mikroskop. Bei einer Riesenzellarteriitis erkennt er das typische Bild einer sogenannten granulomatösen Entzündung mit Riesenzellen.

Wie sieht die Behandlung einer Riesenzellarteriitis aus?

Vermutet der Arzt eine Riesenzellarteriitis, ist die unverzügliche Einleitung einer Kortison-Therapie (Prednisolon) angebracht. Der Arzt beginnt die Behandlung mit hohen Dosen, also mit Tabletten einer hohen Wirkstärke. Im Verlauf senkt er die Dosis schrittweise auf die kleinste wirksame Menge. Bei Rückfällen sind wieder höhere Wirkstärken nötig.

Nach einer etwa zweijährigen Behandlung kann man versuchen, die Therapie schrittweise zu beenden. Das sollte aber nur in Abstimmung mit dem Arzt passieren. Häufig ist allerdings eine deutlich längere, oft sogar lebenslange Therapie erforderlich.

Vor allem wenn Symptome eines Schlaganfalles auftreten oder bestimmte Sehstörungen eine beidseitige Erblindung befürchten lassen, empfehlen Experten, die Behandlung mit sehr hohen Kortisondosen als Infusion zu beginnen (intravenöse Hochdosistherapie).

Bei einer langjährigen, unter Umständen sogar lebenslangen Behandlung mit Kortison-Tabletten können typische unerwünschte Wirkungen auftreten – etwa eine Kortison-bedingte Zuckerkrankheit, eine Osteoporose, Bluthochdruck oder ein grauer Star. Nach neueren Untersuchungen kommt für die Langzeitbehandlung auch ein anderes Medikament zur Unterdrückung des Immunsystems infrage: das Methotrexat. Es kann wirksam Rückfällen vorbeugen und die notwendige Kortison-Dosis senken.

Wie ist die Prognose einer Riesenzellarteriitis?

Die Allgemeinsymptome einer Riesenzellarteriitis bessern sich unter der Behandlung meist schnell. Ist es allerdings schon zur Erblindung eines oder beider Augen gekommen, lässt sich das bis auf wenige Ausnahmen nicht wieder rückgängig machen. Daher ist es wichtig, dass der Arzt die Erkrankung so bald wie möglich feststellt.

Im Verlauf ist eine intensive Betreuung der betroffenen Patientinnen und Patienten notwendig. Ziel der Therapie ist es, die Erkrankung mit möglichst wenig unerwünschten Wirkungen unter Kontrolle zu halten.

PD Dr. med. Thomas Ness

PD Dr. med. Thomas Ness

Beratender Experte: PD Dr. med. Thomas Ness

PD Dr. Thomas Ness ist Oberarzt an der Universitätsaugenklinik in Freiburg. Er leitet die interdisziplinäre Uveitis-Sprechstunde, in der Patienten von Augenärzten und Rheumatologen gemeinsam betreut werden.

Quellen:

Ness T, Bley T, Schmidt W. et al, Diagnose und Therapie der Riesenzellarteriitis Dtsch Ärztebl Int 2013; 110(21): 376-386. Online: http://www.aerzteblatt.de/archiv/138880/Diagnose-und-Therapie-der-Riesenzellarteriitis (Abgerufen am 04.10.2013)

Deutsche Gesellschaft für Rheumatolgie e. V.: Diagnostische Kriterien der Riesenzellarteriitis. Online: dgrh.de/qualitaetsmanual3_16.html (Abgerufen am 07.10.2013)

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.