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Sollen wir Ihren Vater noch einmal ins Krankenhaus einliefern? Soll Ihre Mutter per Magensonde ernährt werden? Viele Angehörige müssen solche Fragen beantworten, wenn beispielsweise am Lebensende der Eltern unklar ist, ob Ärzte bestimmte medizinische Maßnahmen ergreifen sollen oder nicht. Dann ist es von unschätzbarem Wert, den Willen des Patienten zu kennen – um in dessen Sinne zu entscheiden, wenn dieser sich nicht mehr dazu äußern kann.

Eine Patientenverfügung bildet dafür eine gute Grundlage. Sie dokumentiert, wie viel ärztliche Hilfe jemand noch will – am Lebensende oder bei extremer Beeinträchtigung. "Wir Mediziner müssen uns an die Vorgaben halten, ansonsten machen wir uns strafbar", sagt Professor Lukas Radbruch, Leiter des Zentrums für Palliativmedizin am Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

Schwierige Entscheidungen

Man sollte sich also gut überlegen, was man verfügt. Laut Radbruch ist das längst nicht immer der Fall: "Oft habe ich den Eindruck, der Verfasser hat nicht verstanden, in welchem Ausmaß er medizinische Behandlungen ablehnt", etwa nach einem großen Schlaganfall künstlich beatmet zu werden.

Radbruch: "Ist dem Betroffenen wirklich klar, dass man manchmal wochenlang beatmet werden muss, weil das Gehirn Zeit braucht, um sich zu erholen?" Eine Chance, die ohne diese medizinische Maßnahme nicht besteht.

Orientierungshilfe engt Spielraum ein: Keine Beatmung, keine Wiederbelebung, keine Einweisung ins Krankenhaus. Damit wollen sich viele Menschen unnötiges Leid und Siechtum am Lebensende ersparen.

Doch zu realisieren sind solche Vorgaben nur, wenn klar wird, für welche Situationen sie gelten sollen. "Wenn ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde", lautet hier etwa eine häufig benutzte Formulierung aus dem Musterdokument des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz.

Orientierung für Ärzte und Angehörige

Experten empfehlen, sich an solchen Musterdokumenten mit vorformulierten Textbausteinen zu orientieren. Sie erfüllen die gesetzliche Anforderung, um für bestimmte Situationen konkrete Maßnahmen festzulegen oder abzulehnen.

Doch längst nicht alles lässt sich auf diese Weise regeln. Mediziner Radbruch: "Die Juristen sagen, man muss alles genau festlegen. Doch so exakt, wie wir Ärzte das brauchen, geht das nicht." Oft bleibt also Spielraum für Entscheidungen. Denn nicht jede mögliche ­Situation lässt sich erfassen.

Hilfsangebote

Praktische Tipps Hier können Sie sich Unterstützung holen beim Erstellen Ihrer Verfügung und Vollmacht.

Wo gibt es weitere Infos?
Musterdokumente enthalten juristisch geprüfte Formulierungen zum Auswählen und Ankreuzen.
Folgende Quellen im Internet bieten Muster samt Erläuterungen:

Experten halten es daher für sinnvoll, zusätzlich Werte, Wünsche, Ängste und Erwartungen mit eigenen Worten zu formulieren. Ist es für Sie zum Beispiel essenziell wichtig, unabhängig zu bleiben? Wollen Sie – wenn möglich – zu Hause sterben oder lieber möglichst lange am Leben gehalten werden? Solche generellen Aspekte geben Ärzten und Angehörigen eine gute Orientierungshilfe.

Vorsorgevollmacht und Vertrauensperson

"Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, eine Patientenverfügung setze sich von selbst durch", betont Professor Volker Lipp, Experte für Medizinrecht an der Universität Göttingen und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. Für den Juristen ist eine Vorsorgevollmacht noch viel wichtiger als eine Patientenverfügung.

In der Vollmacht bestimmt man eine oder mehrere Vertrauenspersonen, die für einen entscheiden, wenn man selbst nicht mehr dazu in der Lage ist. Je nach Wunsch kann das nur gesundheitliche Belange umfassen oder sich auf weitere Lebensbereiche erstrecken, etwa das Regeln der Finanzen.

In einer Vollmacht lässt sich außerdem festlegen, wen das Gericht zum rechtlichen Betreuer bestellen soll, falls die Vollmacht nicht ausreicht. Oft wird ein naher Angehöriger zur Vertrauensperson gewählt. "Der Ehegatte ist nicht immer am besten geeignet", betont Lipp.

Vertrag

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"Manchmal tritt der Sohn, die Tochter, ein Neffe oder eine Nichte im Ernstfall robuster auf." Wer mehrere Personen gleichberechtigt bevollmächtigt, erhöht die Chance, dass sofort jemand zur Stelle ist, wenn eine medizinische Entscheidung ansteht.

Verfügung regelmäßig aktualisieren

Wichtig zu wissen: Es genügt nicht, wenn Bevollmächtigte einfach nur die Dokumente in den Händen haben. Das darin Formulierte ist für Laien teils missverständlich. "Es ist extrem wichtig, dass vorher Gespräche zwischen dem Vollmachtgeber und der Vertrauensperson stattgefunden haben", sagt Lipp. Idealerweise erarbeitet man die Verfügung gemeinsam und verständigt sich dabei über den Inhalt.

Wer hilft mir weiter?

Fachleute können beim Erstellen einer Patientenverfügung helfen. Oft lohnt sich die Unterstützung – auch wenn sie Geld kostet. Es gibt mehrere Möglichkeiten:

  • Einige Hausärzte helfen beim Erarbeiten einer Verfügung. Doch das ist keine Kassenleistung. Patienten müssen die Kosten selbst tragen. Eine gründliche Beratung kann gut eine Stunde dauern.
  • Manche Pflegedienste und ambulante Hospizdienste bieten Beratungen an.
  • Es gibt Online-Anbieter, die sich auf das Verfassen von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten spezialisiert haben. Die Dienste kosten oft zwischen 25 und 40 Euro.
  • Auch Fachanwälte und Notare helfen weiter. Die Kosten richten sich nach dem Aufwand und dem eigenen Vermögen. Die notarielle Beglaubigung bezeugt, dass der Vollmachtgeber geschäftsfähig ist.
  • Im Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer kann jeder seine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht eintragen. Krankenhäuser und Gerichte können diese Information bei Bedarf abrufen: www.vorsorgeregister.de

Der Verfasser muss die Patientenverfügung eigenhändig unterschreiben. Damit ist sie gültig – viele Jahre lang. Was aber zu Problemen führen kann, wenn sich die Wünsche ändern. Lipp: "Wird das Dokument nicht aktualisiert, muss sich die Vertrauensperson mit der alten Formulierung herumschlagen."

Ihr bleibt die schwierige Aufgabe, die Ärzte davon zu überzeugen, dass der Vollmachtgeber nun etwas anderes will. Daher raten Experten, Verfügungen alle paar Jahre zu überprüfen und sie – falls nötig – anzupassen.

Keine 100%ige Absicherung

Oft verändert sich die eigene Einstellung etwa durch eine schwere Erkrankung wie Krebs, Demenz oder ein Nervenleiden. Radbruch hat dies oft an Patienten mit amyotropher Lateralsklerose beobachtet. Bei dieser seltenen Erkrankung sterben allmählich Nerven für Muskelbewegungen ab. Betroffene müssen irgendwann künstlich ernährt und beatmet werden, um am Leben zu bleiben.

Maßnahmen, die etliche bei der Diagnose zunächst ablehnen. Radbruch: "Viele finden das später doch nicht so unerträglich, wie sie anfangs dachten, und wollen dann, dass Ärzte doch diese invasiven Maßnahmen bei ihnen durchführen."

Verfügungen haben generell ihre Grenzen. Auch Radbruch könnte sich nicht für alle Eventualitäten festlegen. "Man darf nicht glauben, mit einer guten Verfügung zu 100 Prozent abgesichert zu sein", so der Palliativmediziner. Doch das Dokument bietet die beste Grundlage dafür, dass Ärzte dann die medizinischen Maßnahmen ergreifen, die gewünscht sind.