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Wenn seine Kolleginnen und Kollegen sich bereits eine Jacke überziehen, läuft Thomas Korff meistens noch im T-Shirt herum. Der Professor am Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Heidelberg hat dafür eine simple Erklärung: Als ­gebürtiger Nordhesse ist er unempfindlicher gegen Kälte. Auch wenn der Unterschied nur wenige Grad beträgt – wer lange in kühlen Regionen lebt, passt sich offenbar besser an niedrige Temperaturen an.

Dichte der Kälterezeptoren genetisch bedingt

Doch es gibt noch andere Gründe für das individuelle Kälteempfinden. Vermutlich genetisch bedingt ist beispielsweise die Dichte und Verteilung der Kälterezeptoren in der Haut. Sie regis­trieren die Temperatur an der Hautoberfläche und leiten die Informationen über das Rückenmark weiter zur Steuerzentrale im Gehirn. Die wiede­rum reguliert die Körpertemperatur, indem sie den Blutstrom bei Kälte zur Körpermitte umverteilt.

Jeder Mensch friert, sobald seine Körperkerntemperatur unter einen gewissen Punkt sinkt. Die unbewusste physiologische Reaktion soll vor Auskühlung schützen und setzt Verhaltensänderungen in Gang. "Der Mensch kauert sich zusammen, verkleinert seine Oberfläche und versucht, durch Zittern Wärme zu produzieren", schildert Physiologe Korff.

Muskelmasse und Dicke der Haut spielen auch eine Rolle

Männer sind dabei aus mehreren Gründen tatsächlich weniger verfroren als Frauen. "Wegen der größeren Muskelmasse haben sie einen höheren Grundumsatz und produzieren mehr Wärme", sagt Korff. Außerdem gibt ihr Körper weniger Wärme nach außen ab, unter anderem weil die Haut von Männern dicker und besser isoliert ist.

Doch auch bei den Frauen hat die Natur mitgedacht: "Um ungeborene Kinder optimal mit Blut zu versorgen, leiten sie die Wärme bei Kälte schneller von der Haut ins Körperzentrum", so Korff. Deshalb neigten Frauen eher zu kalten Händen und Füßen.

Kinder und ältere Menschen kühlen schneller aus

Neugeborene sind zunächst gut vor Kälte geschützt. Sie verfügen über größere Mengen an braunem Fettgewebe, das selbst Wärme produziert – sich aber im Lauf der Kindheit zurückbildet. "Weil das Verhältnis von Körperoberfläche und Volumen bei Kindern ungünstiger ist, kühlen sie schneller aus als Erwachsene", erläutert Korff.

Auch ältere Menschen sollten sich warm anziehen: Sie haben weniger Muskeln, einen geringeren Grundumsatz und dünnere Haut. Somit können sie ihre Körpertemperatur nicht mehr so gut regulieren. Zumal sie oft zu wenig essen oder an Krankheiten leiden, die den Grundumsatz drosseln, etwa an einer Schilddrüsen­unterfunktion. Diese müssen dann angemessen behandelt werden.

Wer müde ist, friert leichter

Wie empfindlich wir auf Kälte reagieren, hängt aber auch von unserer aktuellen Verfassung ab. Bei Müdigkeit zum Beispiel ist vor allem der Parasympathikus aktiviert – jener Teil des vegetativen Nervensystems, der Verdauung und Regeneration steuert. Alles andere läuft auf Sparflamme: Die Blutgefäße in der Haut erweitern sich, die Körperkerntemperatur sinkt. Wer bei Kälte einschläft, läuft deshalb Gefahr zu erfrieren. Vor allem wenn er Alkohol getrunken hat, der die Gefäße zusätzlich erweitert.

Kann man das Frieren abtrainieren?

Eine gute Nachricht für alle Frostbeulen hat Professor Rüdiger Köhling, Leiter des Instituts für Physiologie der Universität Rostock: "Kälte auszuhalten kann man üben." Wer im Winter regelmäßig ins Freie gehe, senke die Empfindlichkeit seiner Kälterezeptoren. Wechselbäder, kalt-warmes Duschen oder Saunabesuche würden zudem die Blutgefäße trainieren, die sich dann besser an die jeweiligen Gegebenheiten anpassten. Wer an Herz-Kreislauferkrankungen leidet, sollte allerdings zuvor ärztlich abklären, ob das für ihn oder sie in Ordnung ist.

Auch Sport heizt uns ordentlich ein: Jede Art von gemäßigtem Ausdauersport regt den Kreislauf an und steigert den Energieverbrauch. Die im Überschuss produzierte Hitze wird über die Blutgefäße der Haut nach außen abgegeben, wodurch ein angenehmes Wärmegefühl entsteht.

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Alkohol wärmt nicht wirklich

Alkohol hat anscheinend den gleichen Effekt. Vor allem beim Genuss von Hoch­prozentigem erweitern sich die Blutgefäße, die Rezeptoren signalisieren ein wohliges Wärmegefühl. Tatsächlich verliert der Körper aber Wärme und kühlt schnell aus. Heiße alkoholische Getränke wie Glühwein und Jagertee machen es nicht besser. Der Alkohol gelangt noch schneller ins Blut, und die zugeführte Wärme steht in keinem Verhältnis zum Wärmeverlust.

Wer dann seine Jacke öffnet, etwa weil er beim Skifahren geschwitzt hat, kühlt durch die Verdunstungskälte umso schneller aus und riskiert eine Erkältung. Physiologe Korff: "Wenn die Körperkerntemperatur zu stark sinkt, kann das Immunsystem Krankheitserreger schlechter abwehren."

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