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Ein Gespräch über die Seele von Bildschirm zu Bildschirm: Der Wuppertaler Psychiater Dr. Michael Depner hat das zu Beginn der Corona-Pandemie versucht und Videosprechstunden angeboten. Technisch ist das ganz einfach. Mehr als einen Computer mit Internetverbindung, Kamera, Mikrofon und Lautsprecher braucht es nicht. Der Therapeut setzt sich an den Rechner und wartet, bis sich der Patient über den zertifizierten Anbieter einwählt. Die Therapiesitzung läuft dann ähnlich einer Konferenz mit gängigen Videochat-Programmen ab.

"Zunächst sah ich den Nutzen, dass ich mit Patienten in Kontakt bleiben kann, die aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 sonst nicht weiter in die Praxis kommen wollten", sagt Depner. Tatsächlich haben Psychotherapie-Videosprechstunden in der Pandemie großen Zuspruch erlebt. Laut einer Befragung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe lief von April bis Ende 2020 jede zehnte Sitzung mit depressiv Erkrankten über Video oder Telefon. Doch für Psychiater Depner stand schnell fest: "Die digitale Kommunikation hat Nachteile."

Der Gesamteindruck fehlt

Wie betritt jemand die Praxis? Wie legt er die Jacke ab? Wie setzt er sich hin? Vieles, was bei einem echten Treffen eher beiläufig wahrgenommen werde, aber Informationen über den psychischen Zustand des Patienten geben könne, falle online weg. Die Zahl der psychischen Erkrankungen ist nach Angaben der Kaufmännischen Krankenkasse KKH während der Corona-Krise stark gestiegen: um rund 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Telefonseelsorge ist dann mitunter eine Möglichkeit, Sorgen und Ängste zu bewältigen. Wer in eine tiefgreifende Krise geraten ist, sollte sich aber professionelle Hilfe suchen.

Die ersten Schritte sind hier oft die schwersten. Kennen sich Patient und Arzt bisher nicht, sehen Experten es deshalb kritisch, wenn der Erstkontakt per Videosprechstunde erfolgt. "Zur Diagnosestellung gehört beispielsweise bei einer Depression auch die körperliche Untersuchung", sagt Professor Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Organische Ursachen für die Beschwerden, wie beispielsweise eine Schilddrüsenfunktionsstörung oder chronische Entzündungen, müssen ausgeschlossen werden.

Seit Corona dürfen Psychotherapeuten dennoch deutlich mehr digitale Alternativen anbieten. Eine Therapie kann derzeit sogar als Videosprechstunde beginnen, auch wenn es bisher noch keinen persönlichen Kontakt zwischen Patient und Arzt gab. Videosprechstunden sind unabhängig davon möglich, an welcher psychischen Erkrankung jemand leidet, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Die Sonderregelungen gelten befristet bis 31. März.

Arztgespräch in vertrautem Umfeld

Das virtuelle Angebot will Lücken schließen. Eine Befragung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe hat ergeben: 58 Prozent aller Menschen mit Depressionen in Deutschland waren in den ersten Monaten der Pandemie von Defiziten in der Versorgung betroffen. So sind Therapiesitzungen ausgefallen oder wurden von den Patienten abgesagt.

Zwar sei eine Videosprechstunde nicht für alle Patienten eine gute Alternative, aber sie könne eine Lösung in der momentan schwierigen Situation sein, sagt Hegerl. Er kann dem Neuen auch Vorteile abgewinnen. "Für manchen ist es sogar positiv, sich für ein Gespräch im vertrauten Umfeld einzurichten", sagt er. Andere Patienten, die Videosprechstunden ausprobiert haben, berichteten dagegen, dass sie den Gang vor die Tür vermissen.

"Struktur gibt Menschen mit Depressionen Halt", sagt Hegerl. Die Patienten müssten herausfinden, was ihnen guttut, und bewusst zwischen Pflicht und Erholung unterscheiden.
Hilfe können dabei auch sogenannte digitale Selbstmanagement-Programme bieten.

Das sind Angebote, die Menschen mit leichten Depressionen helfen sollen, mit den Symptomen umzugehen. Zum Beispiel als Apps auf dem Smartphone. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe hat "iFightDepression" entwickelt. Das Online-Programm ist kostenlos zugänglich. Es gibt praktische Tipps für den Alltag und arbeitet dazu mit Audio- und Filmmaterial.

Dennoch spricht Ulrich Hegerl aus, was vielen seiner Kollegen am Herzen liegt: "Der persönliche Kontakt wird für den Erfolg einer Therapie auch weiterhin eine große Rolle spielen." Er weiß aber von vielen Menschen, die in diesen Zeiten froh über Videosprechstunden sind und das Angebot gern nutzen.

Hilfe bei leichten Depressionen bietet das Selbstmanagement-Programm "iFightDepression". Informationen unter: www.ifightdepression.com

Stark durch die Krise bietet ein online Training, ein Forum auf Facebook und eine Mediathek an, um damit bei psychischen Belastungen zu helfen

moodgym bietet Interaktive Hilfe zur Selbsthilfe bei Depression an. Das Programm vermittelt, wie man besser mit depressiven und ängstlichen Beschwerden umgeht oder einer Depression vorgebeugt werden kann

Das get.calm and move.on Training hilft mit Sorgen und Ängsten umzugehen, sich von unangenehmen Gedanken zu distanzieren und dadurch für Entspannung zu sorgen. So kann man auch in schwierigen Zeiten das Positive im Blick behalten