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Osteomyelitis - kurz erklärt

Die Osteomyelitis ist eine durch Erreger bedingte Infektion des Knochens. Häufigste Erreger sind Bakterien, welche meist über Wunden, beispielsweise offene Brüche oder Operationswunden, in den Körper eindringen. Aber auch das Einbringen von Fremdkörpern, beispielsweise Endoprothesen sowie das Vorliegen von weiteren Grundkrankheiten können zur Entstehung einer Knocheninfektion führen. Diagnostiziert wird eine Osteomyelitis vor allem durch bildgebende Verfahren. Die Behandlung einer Osteomyelitis ist stadienabhängig teils sehr vielschichtig und erfordert vom Betroffenen viel Geduld sowie eine gutes Wissen um die Erkrankung vom Behandlungsteam. Die Therapie besteht im Wesentlichen aus operativen Maßnahmen sowie einer Antibiotika-Therapie. Das Ziel ist es, möglichst eine Ausheilung des Infektes (Infektsanierung) zu erreichen. Ist dies nicht möglich, sollte zumindest eine Infektberuhigung erzielt werden, um die Funktion der betroffenen Gliedmaße zu erhalten oder wiederherzustellen und Schmerzen zu beheben beziehungsweise zu lindern. Unbehandelt drohen schwere Folgezustände wie ein Funktionsverlust der Gliedmaße, Amputationen oder eine lebensbedrohliche Blutvergiftung.

Was ist eine Osteomyelitis?

Streng genommen bedeutet der Begriff Osteomyelitis "Infektion des Knochenmarks". Im angloamerikanischen Raum wird er meist für eine Entzündung des gesamten Knochens verwendet. Im deutschsprachigen Raum hat sich die Bezeichnung "Osteitis", als Oberbegriff für die Entzündung der Knochenrinde und des Knochenmarkes etabliert.

Eine Osteomyelitis kann immer dann entstehen, wenn sich an einem Knochen oder seinem angrenzenden Gewebe Keime wie Bakterien, Pilze oder andere Erreger ansiedeln. Dieser Kontakt der Erreger mit dem Knochen ist eine sogenannte Kontamination (Verunreinigung). Der Körper reagiert auf den Erregerbefall mit einer Infektion. Diese kann lokal (auf den Ort der Verunreinigung beschränkt) oder allgemein (den ganzen Körper mitbetreffend, beispielsweise in Form von erhöhten Entzündungswerten oder Fieber) ausfallen.

Ursachen: Wie entsteht eine Osteomyelitis?

Eine Infektion des Knochens kann auf unterschiedliche Arten entstehen. In manchen Fällen gelangen die Keime durch direktes Einwandern aus der Umgebung, beispielsweise aus einem Infektionsherd wie einem Abszess oder einer infizierten Wunde an einen Knochen. Eine weitere Möglichkeit ist die "Anschwemmung" von Erregern über die Blutbahn, beispielsweise nach einer Zahnbehandlung oder Gelenkoperation. Die Verbreitung der Erreger über die Blutbahn wird als hämatogene Form bezeichnet. Diese Form der Erkrankung ist seit der Einführung der Antibiotika zumindest in den Industrieländern vergleichsweise selten geworden.

Knocheninfektion nach Unfällen/Operationen

In Deutschland tritt die Osteomyelitis am häufigsten nach Unfällen und nach Operationen auf. Sie zählt zu den häufigsten im Krankenhaus erworbenen Infektionen (nosokomiale Wundinfektion). Kommt es nach operativen Eingriffen zu einer Infektion, ist das eine Komplikation des Eingriffs. Bestimmte Operationen wie beispielsweise Darm-Operationen, Operationen des entzündeten Blinddarms oder Gallenblase, Operation bei Kieferabszessen können nie vollkommen keimfrei durchgeführt werden, allein schon aufgrund der natürlich vorkommenden Bakterien beispielsweise im Darm oder im Mundraum. Durch ganze Maßnahmenbündel konnten zwar die Komplikationsraten einer Wundinfektion nach orthopädischen und unfallchirurgischen Operationen deutlich gesenkt werden, sie liegen jedoch nicht bei null Prozent. Das höchste Infektionsrisiko besteht bei offenen Knochenbrüchen mit bis zu 30 Prozent. Als offen bezeichnet man einen Bruch, bei dem ein Knochenteil Kontakt zur Außenwelt erlangt, zum Beispiel im Rahmen einer Durchspießung oder eines Defektes der Haut. Selten sind Infektionen nach geplanten Operationen zum Beispiel beim Einsatz einer Hüftprothese (circa ein bis drei Prozent Infektionsrate).

Allgemeine und lokale Faktoren / Grunderkrankungen

Viele weitere Faktoren können zur Entstehung einer Knochenentzündung beitragen. Hierzu zählen einerseits allgemeine Faktoren wie beispielsweise:

  • Chronische Erkrankungen: Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), ein ausgeprägtes Übergewicht oder Untergewicht, Störungen der Leber- oder Nierenfunktion, Medikamentennebenwirkungen von Zytostatika, Cortison, Blutverdünnern, sowie weitere Faktoren, die das Immunsystem schwächen.

Andererseits spielt auch der "Zustand vor Ort" (lokal) eine wichtige Rolle. Lokale Faktoren, welche die Infektanfälligkeit erhöhen können, sind beispielsweise:

  • arterielle und venöse Durchblutungsstörungen, Anzahl der Voroperationen, Dauer einer Operation oder Größe und Beschaffenheit von Implantaten (in den Körper eingebrachtes künstliches Material, wie beispielsweise eine Hüftprothese).

Einteilung der Osteomyelitis

Die Osteomyelitis lässt sich nach verschiedenen Kriterien einteilen:

  • nach der Ursache: exogen (von außen bedingt) oder endogen (innere Infektursachen)
  • nach ihrem Verlauf und der klinischen Ausprägung in:

- akut (plötzlicher Beginn, deutliche Symptome) oder

- chronisch (schleichend, langandauernd, geringe Symptome)

  • der Dauer zwischen mutmaßlicher Entstehung und der Krankheitsfeststellung in:

- Frühinfekt: innerhalb von vier Wochen oder

- Spätinfekt: mehr als vier Wochen sind seit dem Infektionsbeginn (mutmaßlich) vergangen

Diese Kriterien sind mitentscheidend, um die optimale Therapie festzulegen.

Symptome: Welche Beschwerden kommen bei einer Osteomyelitis vor?

Auf eine Osteomyelitis hinweisen können Schmerzen (insbesondere in Ruhe, auch nachts) und Allgemeinsymptome wie Schwindel, Fieber oder Schüttelfrost. An der betroffenen Stelle (lokal, zum Beispiel einer Operationswunde) zeigt sich gegebenenfalls eine Rötung, Schwellung, Überwärmung oder auch eine Absonderung von Wundflüssigkeit.

Ähnliche Symptome treten nach Operationen auch auf, bilden sich jedoch rasch zurück. Hinweisend auf die Entwicklung einer Wundheilungsstörung oder gar einer Infektion kann das erneute Auftreten oben genannter Symptome (zweizeitig, nach zwischenzeitlich besserem Verlauf) oder aber auch eine zunehmende Verschlechterung, beispielsweise zunehmende Rötung um die Wunde oder zunehmendes Wundsekret, sein.

Auch Wochen oder Jahre nach einem Unfall oder einer Operation können sich solche Symptome entwickeln. Eine Osteomyelitis kann sich aber auch hinter einer Vielzahl von anderen, oft uncharakteristischen Beschwerden verbergen.

Weder die Symptomatik ist immer eindeutig, noch gibt es strenge Definitionen oder einzelne Untersuchungsparameter zur Feststellung einer Osteomyelitis. Darum ist es bei Fällen mit diffusen und uncharakteristischen Beschwerden ratsam, nach Anzeichen für eine Osteomyelitis zu suchen.

Diagnose: Wie wird eine Osteomyelitis festgestellt?

Wichtige Hinweise auf eine Osteomyelitis ergeben sich aus der Vorgeschichte des Patienten (Anamnese) und der körperlichen Untersuchung. Bildgebende Verfahren wie Röntgenbilder oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) ergänzen die Diagnostik. Gerade bei schon längerer Erkrankung zeigen sich hier dann oft charakteristische Befunde. Gelegentlich kommen weitere diagnostische Hilfsmittel wie die Skelettszintigraphie oder auch eine Positronen-Emissions-Tomografie (PET) zum Einsatz und geben wichtige Hinweise auf eine Knochenentzündung. Durch Blutuntersuchungen können Entzündungswerte (vor allem das C- reaktive Protein, kurz CRP) bestimmt werden und geben einen wichtigen, ergänzenden Hinweis.

Mit den obigen Befunden kann bereits ein operatives Vorgehen geplant werden. Beweisend für die Erkrankung sind Gewebeproben, die histologisch und bakteriologisch untersucht werden. Punktionen von Knochen sind seltene Verfahren und Wundabstriche nicht geeignet. Der Nachweis des Erregers ist wichtig, um geeignete Antibiotika gezielt einsetzen zu können. Ein zunehmendes Problem stellen hier die schwierig zu behandelnden Erreger dar, die zahlreiche Resistenzen aufweisen, das heißt, sie sprechen auf sehr viele Antibiotika nicht mehr an. Erreger wie beispielsweise MRSA oder VRE gehören zu dieser Gruppe.

Therapie: Wie wird eine Osteomyelitis behandelt?

Das Ziel der Behandlung ist, den Infekt zum Abklingen zu bringen, Schmerzen zu lindern und die betroffenen Gliedmaßen und ihre Funktion so weit wie möglich zu erhalten.

Eine Ausheilung der Erkrankung wird angestrebt (kurative Behandlung), manchmal erlaubt der Gesundheitszustand eines Betroffenen aber auch nur eine weniger einschneidende und lediglich lindernde Behandlung (sogenannte palliative oder supportive Behandlung).

Wichtigster Pfeiler der heilenden Behandlung von Erwachsenen ist eine chirurgische Sanierung. Grob gesagt, kann diese operative Sanierung in verschiedene Abschnitte eingeteilt werden:

1.) Entfernung des infizierten Gewebes

Das bedeutet, dass Fremdkörper (wie Gelenkprothesen, Platten und Schrauben) und alles entzündete Gewebe, wie der betroffene Anteil des Knochens als auch gegebenenfalls umgebende Weichgewebe in einer Operation entfernt werden.

2.) "Übergangszeit"

Bis zur Wiederherstellung stabiler Verhältnisse von Knochen und Gelenken sowie des umgebenden Weichteilgewebes (Muskel und Haut) sind meist mehrfache Operationen im Verlauf von vielen Wochen nötig. Eine erneute Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse setzt eine vollkommene Infektausheilung voraus. Um die betroffene Region wieder keimfrei zu bekommen, können vorübergehend unterschiedliche Verfahren je nach betroffener Region zum Einsatz kommen. Hierzu zählen beispielsweise bestimmte "Platzhalter", sogenannte Spacer-Prothesen, (antibiotikabeschichtete Übergangsprothesen). Auch spezielle Antibiotikaträger (wie beispielsweise Antibiotika-Ketten) können an den betroffenen Ort eingebracht werden. Diese speziellen Antibiotikaträger sind teilweise selbst-resorbierend, dass heißt, sie lösen sich von alleine nach einer gewissen Zeit auf, sodass keine erneute Operation zur Entfernung notwendig ist. Spezielle Vacuum-Unterdruck-Behandlungen kommen vor allem im Bereich der Weichteile zum Einsatz. Gelegentlich ist das Ziel jedoch nur durch eine Amputation zu erreichen.

3.) Wiederherstellung

Nach der Infektbehandlung durch Antibiose und chirurgischer Entfernung des infizierten Gewebes schließen sich weitere Operationen an, um die anatomischen Verhältnisse wieder herzustellen (rekonstruierende Maßnahmen). Hierzu zählen Eingriffe,  wie ein erneuter Knochenaufbau, Stabilisierung des Knochens durch Platten, Nägel oder Schrauben (Osteosynthesen) beziehungsweise ein künstlicher Gelenkersatz (Revisionsprothesen oder Individualimplantate). Die Deckung von sogenannten Weichgewebsdefekten (operativer Verschluss von Haut, Unterhautgewebe und Muskulatur) erfolgt je nach Größe des Defekts entweder durch einen direkten Haut- und Weichteilverschluss oder es wird Haut von einer anderen Stelle des Körpers entnommen und auf die zu verschließende Stelle versetzt (freie Lappentransplantation).

Medikamentöse Behandlung / Weitere Maßnahmen

Zusätzlich erhält der Betroffene eine an die Erreger angepasste Therapie mit Antibiotika. Darüber, wie lange die Behandlung mit Antibiotika nötig ist, sind sich nicht alle Experten einig. Es erfolgt ein individuell angepasstes Konzept. Oft kann nach einer anfänglichen Medikamentengabe über die Vene dann auf Tabletten umgestellt werden, so dass der Krankenhausaufenthalt verkürzt werden kann.
Begleitend sind meist eine Schmerztherapie und Physiotherapie erforderlich.


Eine Behandlung ohne Operation ist nur in seltenen Situationen erfolgversprechend. Dazu gehört einerseits das palliative Vorgehen (siehe oben) bei nicht operablen Patienten, andererseits die akute Osteomyelitis im Kindesalter. Beginnt die Therapie des betroffenen Kindes mit einem geeigneten Antibiotikum sehr früh nach dem Beginn der ersten Symptome, ist in den meisten Fällen eine Heilung ohne Operation möglich.

Davon abzugrenzen ist die chronische Osteomyelitis im Kindesalter (siehe separater Kasten unten).

Sonderform: Chronische nicht bakterielle Osteomyelitis im Kindesalter

Bei sehr seltenen Formen einer Osteomyelitis im Kindes- und Jugendalter ist auch mit modernen Methoden weder eine Ursache der Erkrankung zu finden noch ein auslösender Keim zu identifizieren. Diese Sonderformen fassen Spezialisten unter dem Begriff "chronische nicht bakterielle Osteomyelitis" zusammen. Betroffene mit diesen Krankheitsbildern brauchen meist eine spezielle Behandlung und Betreuung durch einen Kinderarzt, der auf Rheumatologie spezialisiert ist.

Gibt es vorbeugende Maßnahmen?

Auf das Infekt-Risiko nach einer Operation (postoperativ) oder nach einer Verletzung (posttraumatisch) haben viele verschiedene Faktoren einen Einfluss. Hierzu zählt die Qualität der anfänglichen Wundversorgung, der Verschmutzungsgrad der Wunde, die Operationsdauer, der Zeitpunkt oder die Erfahrung des Operateurs auf dem Gebiet. Aber auch allgemeine Faktoren wie der Allgmeinzustand des Betroffenen, die Kreislaufsituation (wie Blutdruck oder Körpertemperatur) oder auch Wahl und Beginn der begleitenden Antibiotika-Therapie können Einfluss nehmen. 

Um das Risiko einer Infektion möglichst gering zu halten, erfolgt bei geplanten Operationen (Wahleingriffe) eine möglichst optimale Patientenvorbereitung vor der OP. Hierzu zählen beispielsweise eine Optimierung des Wasserhaushaltes oder gute Herz-Kreislauf-Bedingungen. Auch die Wahl der Implantate sowie die geplante Operationstechnik (wie ein gewebeschonender Zugang zum Operationsgebiet) können das Risiko für einen Infekt nach der Operation minimieren. In einigen Kliniken kommen vor geplanten Prothesen-Operationen auch Produkte zur medizinischen Hautdesinfektion zur Anwendung. Diese Wasch-Kits (Duschbad, Shampoo, Nasensalbe, Mundspülung) werden dem Patienten mitgegeben, sodass dieser mit der Hautwaschung circa drei Tage vor der geplanten Operation beginnen kann.

Um das Risiko für eine Osteomyelitis weiter zu senken, untersuchen Wissenschaftler derzeit, ob spezielle Beschichtungen auf Implantaten wie Platten oder Endoprothesen eine Besiedelung mit Bakterien verhindern können. Ein weiterer Ansatz ist, das Immunsystem für die Abwehr bestimmter Bakterien zu aktivieren. Im medizinischen Alltag stehen diese Verfahren jedoch noch nicht zur Verfügung.

Dr. Matthias Kemmerer

Dr. Matthias Kemmerer

Unser beratender Experte:

Dr. Matthias Kemmerer ist leitender Arzt der Septischen Chirurgie an der BG Unfallklinik Frankfurt am Main. Zudem ist er Facharzt für Chirurgie, Spezielle Unfallchirurgie, Sportmedizin und Notfallmedizin.

Quellen:

  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Akute und chronische exogene Osteomyelitis langer Röhrenknochen des Erwachsenen, gültig bis 01.12.2022. Online: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-033l_S2k_Osteomyelitis_2018-01_1.pdf (abgerufen am 05.10.2020)
  • Walter G, Kemmerer M, Kappler C, Hoffmann R, Behandlungsalgorithmen der chronischen
    Osteomyelitis Dtsch Arztebl Int 2012; 109(14): 257–64. Online:
    http://www.aerzteblatt.de/archiv/124585/Behandlungsalgorithmen-der-chronischen-Osteomyelitis (abgerufen am 05.10.2020)

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.