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Sie erkennt ihn sofort am Duft, er nimmt sie vor allem mit den Augen wahr. Nur ein Klischee? Eher eine Zuspitzung, erklärt Professor Thomas Hummel, Leiter des interdisziplinären Zentrums "Riechen und Schmecken" der Uniklinik Dresden. Die Forschung belege, dass Frauen tatsächlich oft besser riechen können als Männer.

Bei fast allen Tests zu Dufterkennung und Riechgedächtnis schneiden Frauen deutlich besser ab, berichtet der Mediziner. Im Alter verstärken sich die Unterschiede noch. "Männer ab Mitte 50 nehmen Gerüche zunehmend schwächer wahr. Gesunde Frauen dagegen können oft bis ins hohe Alter noch gut riechen."

Frauen können Düfte oft besser benennen

Es kommt allerdings auch darauf an, was es zu riechen gibt, ergänzt Professor Jessica Freiherr, Neurowissenschaftlerin am Klinikum der RWTH Aachen. So könnten Frauen den Duft von Rosen oder den Geruch eines bestimmten Filzstift-Inhaltsstoffs anders als die meisten Männer schon in sehr geringer Konzentration wahrnehmen. "Bei anderen Gerüchen sind sie kaum besser als die Männer."

Überlegen ist die Damenwelt aber offenbar, wenn es darum geht, Düfte zu benennen und zuzuordnen. Frauen haben ein besseres Riechgedächtnis, egal um welche Düfte es geht, meint Professor Freiherr. "Selbst klischeetypische 'Männergerüche' wie Maschinenöl oder Bier werden von weiblichen Testpersonen schneller erkannt und benannt als von männlichen." Bei Untersuchungen der Gehirnströme zeigt sich bei Frauen eine stärkere Reaktion auf Gerüche.

Die Nase als Sozialorgan?

Doch woran liegt es, dass Frauen in solchen Tests häufig besser abschneiden? Das ist noch nicht endgültig geklärt. Generell wird Frauen oft die Fähigkeit zugeschrieben, Eindrücke und Gefühle besser ausdrücken zu können. Vielleicht, so eine Theorie, fällt es Frauen also nur leichter, Gerüche zu beschreiben. Frauen wird zudem nachgesagt, dass sie mehr Wert auf soziale Interaktion legen. Möglicherweise achten die Damen stärker auf ihren Geruchssinn. "Ein Duft ist schließlich ein soziales Signal", erklärt Riechforscher Hummel.

Anatomische Gründe sehen die Forscher eher nicht im Spiel. "Der Riechkolben im Vorderhirn und das Riechfeld in der Nasenhöhle sind bei Frauen sogar kleiner als bei Männern", erklärt Professor Hummel. "Wenn die Anatomie die treibende Kraft wäre, müssten Frauen eigentlich schlechter riechen."

Hormone könnten eine Rolle spielen

Wirken sich vielleicht die männlichen oder weiblichen Hormone auf das Riechvermögen aus? Viele Frauen kennen das Phänomen: In der Mitte ihres Regelzyklus und erst recht während der ersten Wochen einer Schwangerschaft sind sie besonders geruchssensibel – vor allem gegenüber unangenehmen Gerüchen. "Diese subjektive Wahrnehmung bestätigen viele Frauen, der objektive Nachweis steht allerdings noch aus", berichtet Professor Freiherr. Vielleicht, so eine Überlegung, haben werdende Mütter von Natur aus eine sehr feine Nase, um besonders auf ihre Ernährung zu achten und sich und ihr ungeborenes Kind vor schädlichen Einflüssen zu schützen.

Allerdings, schränkt die Forscherin ein, können Mädchen bereits vor der Pubertät besser riechen als Jungen, also bevor die Geschlechtshormone ihre volle Wirkung entfalten. Deshalb gehe die Wissenschaft zwar davon aus, dass die Geschlechtshormone einen Einfluss auf das Riechvermögen haben. "Wie groß dieser Unterschied allerdings ist und über welche Mechanismen er wirkt, das bleibt noch zu erforschen."

Eines ist aber schon jetzt klar: Selbst die Dame mit der feinsten Nase der Welt bliebe, wenn sie einen Hund hätte, weit abgeschlagen hinter diesem zurück. Denn Hunde besitzen mehr als 100 Millionen Riechzellen, ein Vielfaches der Zahl beim Menschen. Die Vierbeiner können wesentlich besser riechen als Menschen – egal ob Männchen oder Weibchen.