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Manchmal genügt schon der Anblick, und einem schwant: Die krieg ich doch nie im Leben runter. Eine Umfrage bei Hausarztpraxen in Baden-Württemberg aus dem Jahr 2011 ergab damals, dass mehr als ein Drittel aller Patienten Probleme beim Schlucken größerer Tabletten und Kapseln haben: Diese bleiben im Rachen hängen, lösen Würgereiz oder sogar Erbrechen aus. Die Klinischen Pharmakologen der Universität Heidelberg haben deswegen wissenschaftlich untersucht, wie sich das Problem lösen lässt. Professor Walter Haefeli ist ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmako­epidemiologie an der Universitätsklinik Heidelberg und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Herr Professor Haefeli, warum ist es so problematisch, wenn Patienten Schwierigkeiten beim Tablettenschlucken haben?

Meiner Meinung nach wurde dieses Thema viel zu lange vernachlässigt. Fast jeder zehnte Betroffene nimmt die Medikamente nicht ein, obwohl er sie dringend bräuchte. Je nach Erkrankung kann das Komplikationen verursachen oder den Gesundheitszustand weiter verschlechtern. Andere Patienten zerkleinern die Tabletten oder lösen sie in Wasser auf – das kann die Wirksamkeit und Arzneimittelsicherheit beeinträchtigen. Denn bestimmte Tabletten dürfen grundsätzlich nicht geteilt werden – etwa wenn sie mit einem magensaftresistenten Überzug versehen sind oder ihre Wirkstoffe verzögert freisetzen.

Welche Tabletten sind besonders schwierig zu schlucken?

Um das herauszufinden, haben wir eine Studie mit 151 gesunden Probanden zwischen 18 und 85 Jahren durchgeführt. Zunächst mussten sie wirkstofffreie Tabletten und Kapseln in unterschiedlichen Formen und Größen schlucken – und zwar so, wie sie es gewohnt waren. Auf einer Skala bewerteten sie anschließend, wie gut oder schlecht sich diese Placebos in den Magen befördern ließen. Erwartungsgemäß bereiteten die größten Tabletten und Kapseln am meisten Schwierigkeiten. Bei Tabletten spielt neben der Größe auch die Form eine Rolle: Mit runden Tabletten taten sich die Probanden schwerer als mit länglichen, und zwar umso mehr, je dicker die Präparate waren.

Wie rutschen Tabletten besser?

Im zweiten Teil unseres Experiments sollten die Probanden den sogenann­ten "Tabletten-Flaschen-Trick" ausprobieren. Auf diese Weise kamen rund zwei Drittel der Teilnehmer besser mit den gro­ßen Tabletten zurecht.

Funktioniert das auch bei Kapseln?

Im Gegensatz zu Tabletten sind Kapseln leichter als Wasser. Daher muss man eine andere Technik anwenden, den "Kapsel-Nick-Trick". Mit dieser Methode waren über 90 Prozent der Probanden erfolgreich, selbst bei Kapseln, die länger als zwei Zentimeter waren.

Sollten Ärzte und Apotheker mehr auf diese Techniken hinweisen?

Nachdem sie in unserer Studie so erfolgreich waren, versuchen wir nun, die beiden Techniken bekannter zu machen. Ärzte und Apotheker sollten die Patienten regelmäßig darauf hinweisen. Das verringert die Gefahr, dass sie weniger Tabletten einnehmen als verordnet oder die Therapie ganz abbrechen. Wenn irgend möglich, sollten Ärzte auf wirkstoffgleiche Präparate mit kleineren oder anders geformten Tabletten ausweichen.

Was ist noch wichtig zu wissen?

Grundsätzlich muss man Tabletten in aufrechter Haltung und mit ausreichend Flüssigkeit einnehmen. Wenn sie stecken bleiben, können sie die Speiseröhre verätzen. Für Patienten mit krankheitsbedingten Schluck­­störungen, etwa nach einem Schlaganfall, eignen sich die beiden Techni­ken nicht.

Der Tabletten-Flaschen-Trick lässt Tabletten leichter rutschen

Der Tabletten-Flaschen-Trick lässt Tabletten leichter rutschen

Wie funktioniert der Tabletten-Flaschen-Trick?

Dazu benötigen Sie eine flexible Plastikflasche, die Sie mit stillem Wasser füllen. Die Öffnung darf nicht zu eng sein, damit das ­Wasser gut eingesaugt werden kann. Legen Sie die Tablette auf die Zunge, und umschließen Sie die Flaschenöffnung fest mit den Lippen, sodass keine Luft in die Flasche strömen kann. Nun einen kräftigen Schluck aus der Flasche saugen, wobei diese sich zusammenziehen muss. Das Wasser bei leicht nach hinten geneigtem Kopf sofort schlucken. Die Tablette folgt der Schwerkraft zum Zungengrund und wird beim Schlucken mitgespült.

Der Kapsel-Nick-Trick eignet sich für das Schlucken von Kapseln

Der Kapsel-Nick-Trick eignet sich für das Schlucken von Kapseln

Was ist beim Kapsel-Nick-Trick zu beachten?

Legen Sie die Kapsel auf die Zunge, und nehmen Sie einen Schluck Wasser, ohne ihn sofort hinunterzuschlucken. Neigen Sie nun den Kopf nach vorne, indem Sie das Kinn in Richtung Brust bewegen. Die Kapsel schwimmt nach oben in Richtung Rachen und lässt sich leichter schlucken.

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