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Genau genommen handelt es sich bei den künstlichen Herzen in der Regel nicht um eigenständig arbeitende Herzen: Sie ersetzen das erkrankte Herz nicht, sondern unterstützen es. Es sind implantierbare, mechanische Pumpsysteme, die parallel zum kranken Herzen das Blut im Kreislauf weiterpumpen. Der englische Ausdruck "VAD" als Abkürzung für "ventricular assist device" oder auf Deutsch "Herzkammerunterstützungssystem" ist da wesentlich präziser.

Welche Arten von Kunstherzen gibt es?

Das menschliche Herz hat zwei Herzkammern: Die rechte Kammer pumpt das sauerstoffarme Blut aus dem Körperkreislauf in die Lunge. Die linke Kammer pumpt das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge in den großen Körperkreislauf. Auf diese Weise kann das Blut den Körper mit Sauerstoff versorgen.
Je nachdem, ob das Kunstherz die rechte, die linke oder beide Herzkammern unterstützen soll, unterscheiden die Ärzte zwischen Rechtsherzunterstützungssystemen (RVAD), Linksherzunterstützungssystemen (LVAD) und biventrikulären Unterstützungssystemen (BiVAD). Letztere nennen Mediziner auch totale Kunstherzen (total artificial heart, TAH).

Wann kommt ein Kunstherz zum Einsatz?

Das Kunstherz kann trotz einer ausgeprägten Herzmuskelschwäche den Blutkreislauf aufrecht erhalten. Auf diese Weise soll das Kunstherz in der Regel die Wartezeit bis zur Herztransplantation überbrücken. Derzeit warten Betroffene normalerweise über ein Jahr auf ein Spenderherz. Das wäre ohne Kunstherz für viele schwer herzkranke Patienten zu lang. Ihr Herz hätte bereits versagt, bis ein Spenderherz für sie bereit stände.
Zunehmend kommen Kunstherzen in den letzten Jahren auch als Dauertherapie zum Einsatz. Davon profitieren vor allem Menschen, die wegen ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes nicht mehr für eine Herztransplantation in Frage kommen. Die längste Lebenszeit mit einem Kunstherzen beträgt in Europa fast neun Jahre.
Manchmal erholt sich ein Herz durch den Einsatz des Kunstherzens auch so weit, dass es später wieder alleine den Kreislauf aufrecht erhalten kann.

Das Kunstherz im Körper

Das Kunstherz im Körper

Wie funktioniert ein Kunstherz?

Es gibt viele Modelle von Kunstherzen. Grundsätzlich bestehen aber alle aus einer kleinen Pumpe und einem Elektromotor. Der Arzt setzt das Kunstherz zum Beispiel in die Bauchdecke unterhalb des Zwerchfells ein. In der Regel dauert der Eingriff drei bis fünf Stunden. Ein Kunststoffrohr leitet dann das Blut aus der Herzkammer in das Kunstherz. Von dort pumpt das Kunstherz das Blut über ein weiteres Kunststoffrohr weiter in die Hauptschlagader. Das Herz des Patienten verbleibt im Köper. Das Kunstherz arbeitet zusätzlich und parallel zu ihm. Für die Stromversorgung und die Steuerung führt ein Kabel aus dem Körper heraus. Es lässt sich außerhalb des Körpers an eine Steuereinheit anschließen. Tagsüber kann die Stromversorgung durch Akkus erfolgen, die der Patient in einer Tasche am Körper trägt. Nachts schließt er das Kunstherz an die Steckdose an.
Inzwischen gibt es auch schon Kunstherzen, die sich direkt in die linke Kammer des ursprünglichen Herzens einsetzen lassen. Forscher arbeiten an Systemen, die ohne das aus dem Körper führende Kabel auskommen sollen. Sie befinden sich aber noch im Entwicklungsstadium.

Wie geht es nach dem Einsetzen des Kunstherzens weiter?

Nach der Operation muss sich der Patient zunächst von dem Eingriff erholen und langsam wieder auf die Beine kommen. Außerdem muss er die Bedienung des Kunstherzens erlernen. Das dauert in der Regel mehrere Wochen. Das Ziel ist jedoch immer die Entlassung aus dem Krankenhaus. Nach der Entlassung erfolgen regelmäßige Kontrolluntersuchungen, zunächst einmal im Monat und später je nach Bedarf in größeren Abständen.

Was sind die Vorteile eines Kunstherzens?

Zuallererst erhöht das Kunstherz die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten auf der Warteliste für eine Herztransplantation, bis ein Spenderherz zur Verfügung steht. Durch die Unterstützung des erkrankten Herzens kommt es außerdem zu einer deutlichen Leistungssteigerung. Auch die Beschwerden durch die Herzerkrankung gehen zurück. Zum Beispiel die Kurzatmigkeit und Wassereinlagerungen in den Beinen nehmen ab.

Was sind die Nachteile des Kunstherzens?

Mit dem Tragen eines Kunstherzens geht die Gefahr von Infektionen, Blutungen und Schlaganfällen einher. Die Infektionsgefahr verursacht vor allem das Elektrokabel, das aus dem Körper des Patienten herausführt. An ihm entlang können Krankheitserreger in den Körper gelangen. Deshalb ist auch Schwimmen für die Patienten tabu. Außerdem besteht durch das Kunstherz immer die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel bilden. Diese können zu einem Schlaganfall führen, wenn sie in die Blutstrombahn des Gehirns gelangen. Träger von Kunstherzen müssen daher kontinuierlich Medikamente zur Blutverdünnung einnehmen. Die blutverdünnenden Medikamente wiederum erhöhen die Blutungsgefahr. Häufig treten dadurch resultierende Blutungen im Magen-Darm-Trakt auf.

Wie wird die Entwicklung weitergehen?

Die Entwicklung auf dem Gebiet der Kunstherzen ist im vollen Gange. Schon jetzt implantieren die Ärzte bei weitem mehr künstliche Herzen als Spenderherzen. Zur Zeit sind es in Deutschland ungefähr tausend Kunstherzen im Jahr. Über die Hälfte der Patienten auf der Warteliste für eine Herztransplantation hat ein künstliches Herz. Während die Zahl der Herztransplantationen in Zukunft vermutlich weiter sinken wird, wird die Zahl der Kunstherz-Implantationen weiter steigen. Techniker arbeiten an immer kleineren, leichteren und raffinierteren Modellen. Dadurch wird das Einsetzen des Kunstherzens zunehmend weniger belastend für den Betroffenen. Wegen der Organknappheit, der technischen Weiterentwicklung und dem zunehmenden Bedarf entwickeln sich Kunstherzen immer mehr zur Alternative für die Herztransplantation.

Prof. Wolfram Delius

Prof. Wolfram Delius

Beratender Experte: Professor Dr. med. Wolfram Delius   ist Facharzt für Innere Medizin und   Kardiologie. Er habilitierte sich   an der medizinischen   Universitätsklinik Uppsala, Schweden, und hatte   anschließend eine   außerordentliche Professur für Medizin an der   Technischen Universität   München inne. Der Herzspezialist war lange   Zeit als Chefarzt tätig,   zuletzt zwei Jahrzehnte an der Abteilung   Kardiologie/Pneumologie am   Städtischen Krankenhaus München-Bogenhausen   (Akademisches   Lehrkrankenhaus).

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

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