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Es ist sehr wichtig, sofort nach einem Tierbiss oder verdächtnigen Tierkontakt einschätzen zu lassen, ob das Tier womöglich Tollwut haben könnte – und nicht erst abzuwarten, ob entsprechende Symptome auftreten. Denn dann ist es üblicherweise zu spät für eine Therapie. Besondere Vorsicht ist beim Kontakt zu Fledermäusen geboten. Kleinere Bisse oder Kratzer können bei diesen Tieren auch unbemerkt bleiben.

Tollwut-Verdacht rasch klären!

Die einzige erfolgversprechende Behandlung bei einer Infektion mit dem Tollwut-Erreger ist eine sogenannte Postexpositionsprophylaxe – eine sofortige aktive Impfung und Behandlung mit speziellen Antikörpern (Immunglobulin).

Die Entscheidung darüber, ob eine solche Behandlung angebracht ist, muss unmittelbar nach dem Tierbiss (der Exposition) und damit lange vor dem Auftreten jeglicher Symptome gefällt werden. Daher ist die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, ob das betroffene Tier Tollwutträger ist oder sein könnte, immens wichtig. Mehr zur Postexpositionsprophylaxe im Kapitel Therapie.

Wann ist von einer Infektion durch Lyssaviren auszugehen?

Prinzipiell ist davon auszugehen, dass jeder Warmblüter eine Tollwut übertragen kann. Die verschiedenen Säugetierarten sind zwar unterschiedlich empfänglich für eine Infektion. Trotzdem sollte man vor allem in Ländern, in denen die Wildtollwut verbreitet ist, bei einem unprovozierten Biss immer von einem Infektionsrisiko ausgehen. Das gilt auch für Fledermauskontakte, selbst wenn sie nur flüchtig waren. Ein Biss oder Kratzer dieser Tiere kann so unauffällig sein, dass er gar nicht immer bemerkt wird.

Wie macht sich eine Tollwut beim Menschen bemerkbar?

Die ersten Anzeichen einer manifesten Tollwut können sehr unspezifisch sein. Auftreten können sie in Form von Fieber, Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Andere Erstsymptome sind Unruhe oder Ängstlichkeit. Die frühesten, für eine Tollwut typischen Zeichen sind Juckreiz, Schmerzen oder Empfindungsstörungen in der Nähe des Tierbisses. Sie treten in 50 bis 80 Prozent der Fälle auf und sind hochgradig verdächtig für eine manifeste Tollwut. Sie entstehen vermutlich durch die Infektion der Hinterstrangbahnen des Rückenmarkes, die für die Sensibilität (die verschiedenen Sinnesempfindungen wie Temperatur, Druck, Schmerz) zuständig sind.

Enzephalitische Tollwut ("Wilde Wut")

In circa 80 Prozent der Fälle tritt die Erkrankung in ihrer klassischen Form, der sogenannten "wilden Wut" auf. Die Tollwut zeigt sich als untypisch verlaufende Entzündung des Gehirnes (Enzephalitis). Zu ihren Symptomen gehören Verwirrtheit, Halluzinationen, Kampflust und Krampfanfälle, die sich mit Phasen eines völlig unauffälligen Bewusstseinszustandes abwechseln.

Häufig treten Symptome einer Fehlfunktion des sympathischen Nervensystems auf. Dazu gehören unter anderem eine übermäßige Speichelproduktion, Gänsehaut und Herzrhythmusstörungen.

Bald setzen zusätzlich Symptome einer Störung der Funktion des Hirnstammes ein. Kennzeichen dafür sind eine Hydrophobie ("krankhafte Wasserangst"). Der Versuch Flüssigkeit zu schlucken führt zu unwillkürlichen und schmerzhaften Kontraktionen des Zwerchfells sowie der Atem- und Schluckmuskulatur. Ähnliche Reaktionen löst auch die Stimulation mit einem Luftzug aus (Aerophobie, "krankhafte Luftangst"). Die Ursache dieser Erscheinungsformen sind wahrscheinlich fehlgesteuerte und überzogene Schutzreflexe der Atemwege, wie der Hustenreflex oder der Würgereflex.

Wenn gleichzeitig übermäßig viel Speichel gebildet wird, der dann aber nicht verschluckt werden kann, entsteht Schaum vor dem Mund. Die Erkrankung schreitet rasch fort und führt innerhalb weniger Tage zu Koma und Tod.

Paralytische Tollwut ("Stille Wut")

In etwa 20 Prozent der Fälle tritt die Erkrankung als paralytische Tollwut in Erscheinung. Kennzeichnend ist eine Muskelschwäche, die an dem Körperteil beginnt, wo der Biss war. Bald folgt eine schlaffe Lähmung, zunächst ebenfalls der betroffenen Gliedmaßen, die rasch fortschreitet und schließlich in einer kompletten Lähmung aller vier Extremitäten sowie der Gesichtsmuskeln einmündet. Typisch ist auch eine Beteiligung der Schließmuskeln von Mastdarm und Blase. Es könne auch milde Empfindungsstörungen auftreten. Der Krankheitsverlauf ist einige Tage länger als bei der klassischen  Verlaufsform, führt aber ebenso zum Organversagen und damit zum Tod.

Untypischer Verlauf

Seltener verläuft eine Tollwut untypisch: Zu Beginn der Erkrankung kommt es dann zu Nervenschmerzen, Zuckungen der gebissenen Gliedmaßen, Hirnstammsymptomen (siehe oben) und Krampfanfällen. Solche Fälle treten beispielsweise nach Fledermaus-Bissen auf.