Kurorte: Welches Heilklima wann hilft
Ob Meer oder Gebirge: Eine Kur kann sowohl für chronisch Kranke als auch für Gesunde sehr wohltuend sein. Das jeweilige Klima beeinflusst den Körper auf unterschiedliche Weise. Wie eine Klimakur genau wirkt

Das Reizklima und die salz- sowie feuchtigkeitshaltige Luft am Meer dienen der Abhärtung und Vorbeugung von Krankheiten
"Heilklimatische Kurorte haben eigentlich das große Los gezogen", sagt Professor Jürgen Kleinschmidt, der ehemalige Leiter des vormaligen Instituts für Gesundheits- und Rehabilitations-Wissenschaften der Universität München mit einem Augenzwinkern. "Sie müssen relativ wenig für dieses Kurmittel investieren, denn ein örtliches Klima gibt es schließlich immer." Allerdings reichen die Witterungsbedingungen allein längst nicht aus: Immerhin dürfen nur knapp 70 der bundesweit rund 350 hoch qualifizierten Kurorte zwischen Ostfriesland und Oberbayern diese Bezeichnung tragen.
Die Anforderungen an Bioklima und Luftqualität sind hoch: Bei jährlich weniger als 20 Tagen mit erhöhter Wärmebelastung müssen es Heilklimatische Kurorte auf mehr als 1500 Sonnenstunden im Jahr bringen. Nasskaltes Klima und feuchtwarme Schwüle gelten als Ausschlusskriterien. Deshalb liegen Heilklimatische Kurorte in der Regel höher als 400 Meter oder in Meeresnähe. "Im Flachland ist die Wärmebelastung zu häufig und die Frischluftzufuhr zu eingeschränkt", sagt Kleinschmidt.
Schonendes oder stimulierendes Klima?
Je nach individueller Verfassung und Grunderkrankungen der Kurgäste setzt die Klimatherapie auf stimulierende oder schonende Faktoren. Anregend wirken Kältereize, böiger Wind, stärkere Temperaturschwankungen und intensive Sonnenstrahlung. "Dieses Reizklima finden wir vor allem an der See und im Hochgebirge", sagt der Präsident des Verbands Deutscher Badeärzte, Dr. Arno Wenemoser. In den Bergen komme noch der Höhenreiz, am Meer die salzhaltige Luft dazu.
Kurorte und ihr Heilklima
Seeklima
Milde Winter und kühle Sommer sind typisch für die Nord- und Ostseeküste (Foto: Nordseeinsel Spiekeroog). Lufttemperatur und -feuchte schwanken zwar wenig, doch böiger Wind, Kältereize und UV-Strahlung regen den Körper an. Das Reizklima am Meer mit seiner salz- und feuchtigkeitshaltigen Luft eignet sich zur allgemeinen Stärkung sowie bei Allergien, Atemwegs- und Hauterkrankungen.
Mittelgebirgsklima
Ab 400 Meter Höhe sorgen Wälder und Seen für gemäßigte, ausgeglichene Temperaturen, geringe Wärmebelastung sowie schadstoff- und allergenarme Luft (Foto: Schluchsee im Hochschwarzwald). Dieses Schonklima eignet sich auch für Patienten mit verminderter Belastbarkeit, etwa nach einem Herzinfarkt. In mittleren Höhenlagen können deshalb alle Krankheitsbilder behandelt werden.
Hochgebirgsklima
Kälte- und Höhenreize sowie die intensive Sonnenstrahlung wirken stimulierend und stärken die Abwehrkräfte. Wichtig: immer auf einen an den Hauttyp angepassten Sonnenschutz achten. Das Reizklima in den Bergen (Foto: Watzmann bei Berchtesgaden) eignet sich zur Vorbeugung und Abhärtung und ist wegen der reinen Luft ideal bei Atemwegserkrankungen und Allergien.
"Ein Reizklima eignet sich hervorragend zur Vorbeugung und Abhärtung", sagt der Bad Füssinger Badearzt. Bei Erkrankungen der Atemwege, Allergien und Hautkrankheiten steigert die allergen- und schadstoffarme Luft sowohl in den Bergen als auch am Meer zudem das Wohlbefinden. Bei akuten gesundheitlichen Problemen können manche Reize aber zu stark sein. "Vor allem für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist das in den Mittelgebirgen vorherrschende Schonklima besser geeignet", betont Wenemoser. Wälder und Seen sorgen für ein ausgeglichenes Klima mit geringer Wärmebelastung und reiner Luft.
Zu einer Klimakur gehört körperliche Aktivität
Heilklimatische Kurorte müssen allerdings mehr bieten als gutes Wetter und saubere Luft: "Terrainkurwege mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden zählen ebenfalls zum Anforderungsprofil", sagt Wenemoser. Und Kleinschmidt ergänzt: "Neben verkehrsberuhigten Zonen und Erholungsbereichen werden qualifizierte Kurärzte benötigt, die individuelle Behandlungs- und Trainingsprogramme zusammenstellen."
Denn zu einer Klimakur gehört regelmäßige körperliche Aktivität, die an die jeweilige Belastbarkeit angepasst wird. Anders als Kuren in einem Thermal- oder Moorheilbad setzen Klimakuren somit eine gewisse körperliche Fitness voraus. "Sie eignen sich überwiegend für Patienten, die nicht nur passiv behandelt werden wollen oder können – etwa weil sie auf Gehhilfen angewiesen sind", sagt Kleinschmidt. "Sie sollten sich gerne aktiv bewegen und dazu hinreichende Voraussetzungen aufweisen."
Heilklima-Kur kann mit weiteren Therapien kombiniert werden
Eine mehrstündige Klimawanderung ist nicht nur ein ausgezeichnetes Training für Herz und Lunge, sondern verbessert zudem die Anpassungsfähigkeit des Körpers an wechselnde klimatische Bedingungen. "Da die Ausdauer in kühler Umgebung deutlich besser ist, dürfen die Wärmebelastungen, die unter anderem von Durchschnittstemperatur und Luftfeuchtigkeit abhängen, in heilklimatischen Kurorten nicht zu hoch sein", erklärt Kleinschmidt.
Dass die Gäste im Schnitt deutlich jünger sind als in anderen Kurorten, überrascht daher nicht. Schließlich stößt das Konzept der aktiven Therapie bei älteren und stark gehandicapten Patienten an seine Grenzen: "Bei Einschränkungen des Bewegungsapparats ist die direkte Wärmeeinwirkung in Moor- oder Thermalbädern besser geeignet", sagt Mediziner Wenemoser. Allerdings lasse sich auch die Klimatherapie hervorragend mit Wasser- und Wärmeanwendungen kombinieren. In Seeheilbädern werde sie außerdem oft durch eine Thalassotherapie mit Meerwasserinhalationen sowie Schlick- und Algenpackungen ergänzt.
Zuschuss zur Kur: Bei der Krankenkasse nachfragen!
Obwohl die Qualitätsstandards in Deutschland deutlich höher seien, finde mittlerweile jede zweite Kur auf Kassenkosten im Ausland statt, kritisiert Wenemoser. Die meisten Besucher heimischer Kurorte zahlen ihren Aufenthalt inzwischen selbst und bleiben im Schnitt drei bis vier Tage. Ein solcher Kurzaufenthalt ohne kurärztliche Beratung sei jedoch noch keine Klimakur: "Erst nach zwei bis vier Wochen zeigen sich nachhaltige Erfolge", erklärt Wenemoser.
Zwar schrumpft die Zahl der ambulanten Kurgäste, die den Aufenthalt von ihrer Krankenkasse bezuschusst bekommen, seit Jahren. Umso mehr sollte man sich zuvor bei seiner Kasse erkundigen, ob und unter welchen Voraussetzungen sie sich an einer ambulante Vorsorgekur beteiligt – nicht nur an Heilklimatischen Kurorten.